www.Crossover-agm.de SWALLOW THE SUN: Songs From The North I, II & III
von ta

SWALLOW THE SUN: Songs From The North I, II & III   (Century Media)

Drei Jahre Zeit haben sich Swallow The Sun nach "Emerald Forest And The Blackbird" gelassen. Das ist für eine Doom-Band durchschnittlich lang, erklärt sich hier aber zusätzlich aus dem neuen Album selbst, das gleich drei Alben geworden ist. "Songs From The North" besteht aus drei Etappen bzw. CDs (in der LP-Version fünf Platten), von denen die kürzeste 42 Minuten und die längste eine Stunde Länge aufweist. Und die drei Etappen unterscheiden sich stilistisch deutlich. Für diesen künstlerischen Mut schon mal Hut ab.
Etappe I schließt nahtlos an "Emerald Forest ..." an und bietet den melodiösen, abwechslungsreichen Death Doom, der einfach nach Finnland im Allgemeinen und dann eben nach Swallow The Sun im Speziellen klingt. Swallow The Sun sind totale Schöngeister, und das hört man Etappe I permanent an: Die Spannungsbögen, die vielen verschiedenen Teile, die liebevollen Melodieaufbauten, die kunstvollen Tonartwechsel, die aufwändige Gitarrenschichtung (höre z.B. "Rooms And Shadows"). die wunderbaren Ruhemomente ("The Memory Of Light") erzeugen bei aller Melancholie echten Feelgood-Doom, vom sehr dunklen "Silhouettes" abgesehen. Und in diesem Genre sind Swallow The Sun wahre Meister, die doomige Weiterführung von Amorphis, wenngleich insgesamt etwas düsterer als auf den Vorgängeralben. Sparsame Post-Rock-Elemente und im Clean-Gesang diverse Gesangsreminiszenzen an Paradise Lost in ihrer "One Second"-Phase (z.B. in "Heartstrings Shattering") runden das Bild ab. Im Bereich des melodischen Death/Doom ist Etappe I - das war zugegebenermaßen zu erwarten - ohne Wenn und Aber das kurz vor Weihnachten noch nachgeschobene Jahreshighlight 2015 und gleichzeitig ist es - das wiederum war nicht zu erwarten - das beste Doom/Death-Album, das Swallow The Sun je geschrieben haben. Besser geht es in diesem Genre nicht.
Etappe II ist ein reines Akustik-Album. Das macht bei dieser Band, die von schönen Melodien lebt, prinzipiell natürlich Sinn. Und es erinnert auch gleich an Katatonias "Dethroned And Uncrowned", mit dem eröffnenden Piano, dem sparsamen Gesang (der mich immer wieder an Niko Knappe von den Dark Suns erinnert) und den lautmalerischen Passagen. Swallow The Sun kommen aber ohne die Elektronika von Katatonia aus und klingen generell etwas bodenständiger, was die harmonische Struktur betrifft. Sie klingen aber auch anders als sie sonst in ihren ruhigen Momenten klingen, nämlich hoffnungsloser. Die Songs untereinander sind kaum unterscheidbar, auch die Refrains brechen nicht aus und die Instrumentierung ändert sich nur sporadisch (im Titeltrack gibt es mal Frauengesang). Das ist ein bisschen der Pferdefuß von Etappe II, die durch die gleichbleibende Trübsal nach einigen Songs beginnt, zum Hintergrundrauschen zu verkommen - was schade ist, denn dafür passiert dann doch zuviel, ist die Konsequenz der Band doch zu bestechend und funktioniert für sich genommen funktioniert jeder Song doch irgendwie. Außerdem verstecken sich nach hinten raus doch noch einige Highlights: Das rein instrumentale "66°50'N, 28°40'E", das man ein wenig als Schlüssel für Etappe 2 sehen kann: Wer diesen gezielt reduzierten Song nicht versteht, wird auch mit dem Rest von Etappe II seine Probleme haben. Und "Autumn Fire" mit seinen Post-Rock-Elementen.
Etappe III schließt an eine andere finnische Tradition an, nämlich den Funeral Doom. Funeral Doom ist nun eigentlich eine hässliche und böse Angelegenheit und es ist daher nicht ganz einfach, sie mit der Schöngeistigkeit zu koppeln, für die Swallow The Sun eigentlich stehen. Andererseits bietet gerade Finnland mit u.a. Colosseum auch Vertreter der Gattung auf, denen dieser Spagat gelingt. Die Überraschung von Etappe III ist, dass Swallow The Sun ihn über weite Strecken gar nicht erst versuchen, sondern in erster Linie tatsächlich Funeral Doom spielen, zäh, abwechslungsarm und mit richtig geil finsteren und herrlich kitschlosen Akkordwechseln. Atmosphärisch stehen sie nahe an der jüngsten (und hervorragenden) Ausgeburt von Shape Of Despair, an die man unweigerlich denkt, wenn das Ambient-Intro von "7 Hours Late" einsetzt. Schlagzeuger Juuso Raatikainen fährt passend auf Valium runter und Mikko Kotamäki platziert die Grunzstimme eine Oktave tiefer, verteilt aber auch diverse Scream-Passagen über die Songs, die ich persönlich nicht gebraucht hätte. In "Empires Of Loneliness", das die Mitte des Albums markiert, findet dann doch der Versuch statt, gleichzeitig nach Funeral und Swallow The Sun zu klingen: Schnellere Passagen, rhythmische Spielereien und schwelgerische Post-Rock-Leads machen das Ergebnis weniger überzeugend als die vier monolithischen Brocken drumherum, aber hier ist mein Funeral-Herz zugegeben auch ziemlich festgelegt. In "The Clouds Prepare For Battle" gibt es mit Piano-Klängen auf die rabenschwarze Basis einen ähnlichen Versuch, etwas Eigenes hinzuzufügen, der aber in dem Fall ausnehmend gut funktioniert und keinen atmosphärischen Bruch markiert. Insgesamt ist Etappe III ein Album, das ich einer vergleichsweise genrefremden Band niemals in dieser Überzeugungskraft und Authentizität zugetraut hätte.
Was bleibt als Fazit festzuhalten? "Songs From The North" kann man natürlich als drei Alben sehen, ein exzellentes Doom/Death-Album, ein passables Akustikalbum und ein sehr gutes Funeral-Doom-Album. "Songs From The North" eint bei allen Unterschieden aber auch etwas: Es ist in allen drei Teilen schwärzer, als Swallow The Sun es jemals waren - der Melo-Death von Etappe I ist gleichbleibend vielschichtig, aber düsterer; der Akustikrock von Etappe II ist trübsinniger, als man es von den ruhigen Momenten der Band sonst kennt; und Etappe III ist dann reiner Kohlenkellersound, den es von der Band vorher m.W. nie gab. Dafür nochmal einen gezogenen Hut, denn es verlangt dem Hörer wirklich einiges ab. Ich bin gespannt, wie sich das Album im Lauf der Monate noch entwickelt.
Kontakt: http://swallowthesun.net, www.centurymedia.com

Tracklist:
CD 1:
1. With You Came The Whole Of The World's Tears
2. 10 Silver Bullets
3. Rooms And Shadows
4. Heartstrings Shattering
5. Silhouettes
6. The Memory Of Light
7. Lost & Catatonic
8. From Happiness To Dust

CD 2:
1. The Womb Of Winter
2. The Heart Of A Cold White Land
3. Away
4. Pray For The Winds To Come
5. Songs From The North
6. 66°50'N, 28°40'E
7. Autumn Fire
8. Before The Summer Dies

CD 3:
1. The Gathering Of Black Moths
2. 7 Hours Late
3. Empires Of Loneliness
4. Abandoned By The Light
5. The Clouds Prepare For Battle



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