ST. ELMO'S FIRE: Powerdrive von rls (Karthago Records)
Für ihr drittes Album wechselten St. Elmo's Fire labeltechnisch abermals nach Frankreich, wo sie bei Dream Records 1986 schon ihr selbstbetiteltes Debütalbum herausgebracht hatten. Diesmal hieß der Partner allerdings Black Dragon Records, und die hatten beispielsweise mit Heir Apparents "Graceful Inheritance" bereits unter Beweis gestellt, daß sie vielversprechende Talente der US-Metal-Szene aufspüren konnten, wenngleich gerade besagte Band auch ein Paradebeispiel dafür abgab, wie solche Talente wieder den Bach hinuntergehen können. St. Elmo's Fire hatten mit ihren bisherigen beiden Platten zwar bewiesen, daß sie gutklassigen Metal fabrizieren konnten, aber businesstechnisch hatte sie das noch kaum einen Schritt weitergebracht. Nun kam beim Drittling "Powerdrive" noch hinzu, daß sie die bereits auf den beiden Vorgängern mehr oder weniger latent vorhandenen Tendenzen zum Haarspray-Hardrock deutlicher in den Vordergrund stellten. Das muß erstmal nichts Schlechtes sein - Stryper etwa hatten bewiesen, daß man jahrelang auf dem Grat zwischen metallischer Kernigkeit und, ja, nennen wir es ruhig beim alten Kampfbegriff Kommerzialität erfolgreich wandeln kann. Aber ebenjene Gratwanderung gelang St. Elmo's Fire rückblickend nur bedingt. Zum einen stellten sie auf "Powerdrive" erstmal drei "kommerziellere" Tracks nach vorn und vergraulten damit den Teil der Altanhänger, der diesen Weg nicht mitgehen wollte und sich auf metallisches Kraftfutter gefreut hatte. Diese Menschen wurden dann erst mit dem über siebenminütigen Epos "City (Behind The Walls)" an letzter Stelle der A-Seite der LP zufriedengestellt - auch hier setzen St. Elmo's Fire zwar auf Chorstrukturen und machen nur überschaubares Tempo, aber die gewünschte Urwüchsigkeit war da, gekoppelt mit Jeff Jones' bekanntem Gespür für gute Melodik und einem leicht entrückten Touch in der ersten Hälfte des langen Mittelteils. Zum anderen aber fehlt es den acht Songs generell an Highlights - über guten, aber nicht weiter weltbewegenden amerikanischen Metal kommt das Westküstenquartett auf "Powerdrive" nicht hinaus, vom strukturell hervorstechenden Epos und der Ballade "I Need Your Touch" einmal abgesehen. So entsteht dann auch die kuriose Kontroverse im Booklet: In der Bandbio, die in allen vier Re-Releases identisch ist, wird "Powerdrive" als erfolgreichstes Album der Formation bezeichnet, die Reviews seien außergewöhnlich gut gewesen, und die Radiostationen hätten das Material rauf- und runtergespielt - Stefan Riermaiers Liner Notes hingegen brandmarken den unentschlossenen Kurs des Albums mit den besten Songs am Ende und nennen diesen Faktor zusammen mit dem eher einfallslosen Coverartwork als Grund für das Scheitern des Albums und des angestrebten Durchbruchs der Band. Fakt ist jedenfalls, daß die B-Seite in metallischer Hinsicht tatsächlich etwas kerniger ausfällt und mit dem Titelsong auch gleich in solcher Manier anhebt, bevor mit "I Need Your Touch" die erwähnte, richtig hübsche Ballade kommt, die in struktureller Hinsicht abermals aus dem typischen Rahmen des Albums fällt und mit der fast überschnappenden Stimme Zane Lazars in der jeweils zweiten Strophenzeile, wo man eigentlich nicht mit einem derartigen Sprung in die Höhe gerechnet hatte, auch noch ein originelles Element beinhaltet. Mit einem entsprechenden marktmächtigen Label und diesem Song hätte durchaus größerer Erfolg gelingen und auch ausgebaut werden können - daß die Balladen immer zu den stärksten Seiten Jeff Jones' und seiner Mitstreiter zählten, ist in den Reviews der beiden Vorgängeralben ja bereits zur Sprache gekommen. "Smoking Gun" und "Street Lethal" schließen das Album dann wieder härter ab, und erstere Nummer wäre für die Altfans definitiv genießbar gewesen, wenn sie erstens die zweite Stimme im Refrain aushalten und zweitens überhaupt beim Durchhören bis hierher, an Position 7, vorgedrungen sind. "Street Lethal" ist mit seinem Tempo knapp unter der Speedgrenze der mit Abstand schnellste Song des Albums und erinnert gleichfalls an alte Zeiten; Jones soliert furios, und man höre mal den Unterschied des Schlußsolos zum Schlußsolo des Albumopeners "Gonna Get Wild", um sich den Strukturwandel der Band vor Augen zu führen.
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