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von rls

SPRING AUTUMN: Spring And Autumn   (R.H.C. Records)

Power Metal aus China ist auch nicht gerade das, was der gemeine mitteleuropäische Metalfan tagtäglich in seinem Player rotieren läßt. Aber die Möglichkeit, dies zu tun, besteht zumindest, nämlich mit "Spring And Autumn", dem Debütalbum der Band Spring Autumn (so steht die Konstruktion jedenfalls in der Encyclopedia Metallum - auf der CD selbst sieht man oben zwei chinesische Schriftzeichen und darunter den Schriftzug "Spring And Autumn", aber es kann auch sein, daß zwischen die beiden chinesischen Zeichen gedanklich noch ein "und" gehört und es sich dann um das selbstbetitelte Debüt der Band handeln würde, die das Ganze einfach nur zweimal aufs Cover geschrieben hat, wie das andere Bands aus nichtlateinischen Schrifträumen ja mitunter auch machen). Und das Gute ist, daß man sich die Platte nicht mal "schönhören" muß, um die Zuschanzung einer chinesischen CD zur eigenen Tonträgersammlung zu rechtfertigen: "Spring And Autumn" ist ein rundum gelungenes Werk auf qualitativ sehr hohem Niveau bei guten Soundverhältnissen und bietet zudem 51 Minuten lang den Beweis, daß man im heutigen Power Metal sehr wohl noch Originelles schaffen kann. Das chinesische Sextett verarbeitet im melodischen Bereich nämlich hauptsächlich Skalen seiner heimischen musikalischen Tradition und interpretiert diese mit dem Instrumentarium einer gängigen angloeuropäischen Metalband. Das gab es in dieser Konsequenz bisher eher selten - spontan fallen einem allenfalls die aktuellen bzw. späten Schaffensphasen von Orphaned Land und den türkischen Pentagram ein, die aber den Grad, in dem Spring Autumn arbeiten, bisher noch nicht erreicht haben und die Verarbeitung selbstredend auch mit ihrer eigenen musikalischen Tradition vornehmen und nicht mit der chinesischen. Interessanterweise verzichten Spring Autumn ohrenhörlich dabei fast völlig auf den Einsatz traditioneller Instrumente - einige "verdächtige" Stellen etwa in der gigantischen Hymne "Murder Room" oder die dudelsackartigen Passagen in "The Huntsman" werden wohl vom Keyboard übernommen, die mandolinenartigen Klänge im Intro von "The Subcelestial" dürften von den beiden Gitarristen simuliert worden sein, und nur im Intro von "Legend" kommt dann doch einmal ein anderes Instrument zum Vorschein, das vom Klang her an eine Steelguitar oder ein Banjo erinnert. Witzigerweise klingt die betreffende Stelle dann anfangs auch noch ein wenig nach klassischem amerikanischem Country (!), bevor sich dann doch die chinesische Melodik deutlich herauszuschälen beginnt. Wäre ja auch recht eigentümlich, hier nun gerade als äußerst konservativ geltende Musik des Klassenfeindes zu spielen :-) Von der Struktur her legen Spring Autumn ihren Power Metal sehr abwechslungsreich an und können daher auch von dieser Warte her als progressiv klassifiziert werden. Immer wieder wechselt der Drummer das Tempo und baut Verzierungen ein, kann aber auch mal geradeaus spielen, wenn es angebracht erscheint. Halb- oder vollakustische Elemente setzen Ruhepole in den Songs, die obere Tempogrenze verbleibt noch in mittleren Lagen, von Speedausbrüchen hält sich das Sextett also fern. Dazu kommt der Gesang von Kaiser Kuo (wenn das mal kein Pseudonym ist), der grundsätzlich in klaren Lagen bleibt (in "Murder Room" scheinen die Strophen ganz leicht angezerrt worden zu sein) und immer diesen Eindruck der leichten Melancholie transportiert, den das europäische Ohr mit chinesischer Melodik oftmals automatisch assoziiert. Ob selbiger Eindruck in diesem Falle inhaltlich eine Entsprechung findet, kann der Rezensent nicht bewerten - die Lyrics sind komplett in Chinesisch abgefaßt, und dieser Sprache ist er nicht mächtig. Zumindest liefert die Band auf dem Inlay noch Übersetzungen der Titel mit, wobei man überrascht feststellt, daß der Titel "Bom Of The Storm" (das dürfte ein Lesefehler sein und wohl "Born Of The Storm" heißen sollen) im Chinesischen sieben Schriftzeichen bedarf, während "Between The Mountains And The Sea" mit lediglich drei wiedergegeben wird. Letztgenannter, eine schöne Akustikballade, ist mit 3:42 Minuten der kürzeste Song, erstgenannter mit 7:39 Minuten dagegen der längste, beginnt balladesk und entwickelt sich dann in einen dieser typischen Midtempo-Progmetalsongs mit exzellenten melodischen Einfällen weiter, bei dem man nicht mal über die "Lalala"-Passagen böse sein kann, sondern im Gegenteil aufgrund ihres punktierten Grundrhythmus eher dazu neigt, fröhlich um den Schreibtisch zu springen. Im Vorschlußteil dieses Songs kommt dann auch noch ein Akkordeon zum Einsatz (ob echt oder keyboardsimuliert, kann anhand des akustischen Eindrucks nicht entschieden werden). Neben der erwähnten Hymne "Murder Room" (das laute Mitsingen des Refrains scheitert nur an der Sprachbarriere) und dem anderen Siebeneinhalbminüter "The Last Page", einem relativ geradlinigen melodischen Rocksong, der an härtere Foreigner erinnert (und auch hier ist man ob der "Nanana"-Passage nicht negativ berührt), ist dieser zweifellos das Highlight das Albums, aber auch die anderen sechs Songs machen, wenn man sich einmal an die melodischen Strukturen gewöhnt hat (das mag bei manchem Hörer schneller gehen, bei anderen länger dauern), riesigen Hörspaß. Ganz extreme Undergroundfreaks haben vielleicht auch das unbetitelte 2004er Demo der Band bereits im Schrank - fünf der dortigen sechs Songs finden sich auf dem Debütalbum wieder, allerdings offensichtlich in neu eingespielten Fassungen, denn die Spielzeiten differieren um bis zu einer halben Minute, und "Spring Stream Flowing To The North" verblieb gleich ganz im Archiv. Der Sammlerstück-Charakter des reichlich halbstündigen Demos wird also durch das Debütalbum nicht beeinträchtigt, aber als Einstieg ist das Album dann vielleicht doch besser geeignet. Damit man zwecks Erwerbs nun nicht extra nach China fahren muß (man kann es natürlich tun, wenn man will - das Booklet enthält eine zweiseitige Adreß- und Telefonliste, offensichtlich mit Händlern, bei denen man das Album kaufen kann), sende man statt dessen ein Dankschreiben an www.hellionrecords.de, daß sie dieses Juwel der metallischen Musizierkunst auch in Deutschland problemlos verfügbar gemacht haben.
Kontakt: www.rhcrecords.com

Tracklist:
A New Day
Murder Room
A Call From After
The Subcelestial
Legend
Bom Of The Storm
The Huntsman
The Last Page
Between The Mountains And The Sea
 




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