www.Crossover-agm.de SOLAR: At The Dawn
von rls

SOLAR: At The Dawn   (Stormspell Records)

"Solar Music" gab's vor etlichen Jahrzehnten von Grobschnitt, aber mit Krautrock hat die Band Solar nun überhaupt nichts zu tun. Die Moskowiter legen mit "At The Dawn" in der vorliegenden Pressung von Stormspell Records bereits die dritte Version ihres Debütalbums vor. Die erste erschien bereits 2006 als Eigenproduktion und enthielt die acht russischsprachigen Songs (inclusive des titelgebenden Instrumentals "Na Rasswjetje") plus drei der Songs zusätzlich als englischsprachige, aber sonst unveränderte Fassungen. 2009 brachte das russische Label Fono dann die acht russischsprachigen Songs (die es summiert auch schon auf 48 Minuten Spielzeit bringen, also locker Albumlänge haben) als eigenständiges Werk unter dem gleichen Titel, aber mit anderem Coverartwork heraus, wobei entweder einige Teile neu eingespielt oder zumindest neu abgemischt wurden, sofern die Spielzeitunterschiede, die die Encyclopedia Metallum angibt, korrekt bemessen sind. Wiederum zwei Jahre später veröffentlichten Stormspell Records unter dem einfach übersetzten Titel "At The Dawn" eine auf 1000 Exemplare limitierte und handnumerierte Pressung, die wieder das 2006er Cover aufweist, aber die acht Songs in der 2009er Fassung enthält und neben den drei englischsprachigen der 2006er Pressung mit "Dreamer" noch einen vierten gleichfalls in Englisch hinzufügt und die CD damit auf 72 Minuten Spielzeit bringt. Ebenjene Pressung hat es nun endlich auch zum Rezensenten geschafft, rotiert in dessen Player und gibt sehr interessante Klänge von sich. Solar positionieren sich ungefähr im Dreieck zwischen den frühen Nightwish, melodischem Progmetal und dem typischen Italometal oder meinetwegen auch dessen russischen Ablegern, unter denen "The World Where Shadows Come To Life" von Archontes nach wie vor die kreative wie qualitative Speerspitze darstellt. Damit sind ihre Landsleute Emerald Mind erstmal nicht weit entfernt, aber Solar haben keine klassische, sondern mit Yana Lizunkova eine Rocksängerin am Mikrofon stehen, die zwar eine gebirgsbachklare Stimme an den Tag legen kann, wenn das vom Songwriting her angebracht erscheint, die aber ebenjener Stimme auch einen kratzbürstigen Unterton inkludieren kann, wenn Chefdenker Roman Rakhmatullin das für günstig hält. Besagter Mensch, der die Band anno 1999 auch gegründet hat (die Theorie, daß ein gewisses Album namens "Oceanborn" der Auslöser war, dürfte nicht allzuweit hergeholt sein), steht an den Keyboards, und das hört man dem Material auch durchaus an, wenngleich er sowohl den metallischen Instrumenten als auch den beiden klassischen Gastmusikern Maria Medvedeva (Violine) und Pavel Studennikov (Flöte) ausreichend Gestaltungsspielraum läßt. Gerade die Einsätze des letzteren lassen natürlich Erinnerungen an Ewo Lehtinens Mitwirken bei Nightwish aufkommen, und das Finale von "Dreamer" ist Nightwish-Orchestermetal pur, aber die genannten Unterscheidungsfaktoren geben genügend Argumentationsspielraum, um etwaige Kopistenvorwürfe im Keim zu ersticken. Zudem ist Rakhmatullin offensichtlich bestrebt, das Material eher uneingängig zu halten, womit er den Mainstream-Hörer gründlich verschreckt, aber dem intensiven Lauscher eine Menge zu entdecken gibt, wenngleich auch dieser erstmal den Weg in die Songs finden muß und auf diesem Weg wenig Hilfestellung etwa in Form sonderlich eingängiger Refrains bekommt, von "Heretic" und "...The Mask" mal abgesehen. Das eher ruhige "Following The Falling Star" und das titelgebende, ebenfalls mit längeren ruhigen Passagen aufwartende Instrumental hintereinander zu plazieren mutet dabei dramaturgisch etwas merkwürdig an, aber Langeweile kommt trotzdem keine auf, zumal Rakhmatullin die Songs mit kompositorischen Einfällen spannend hält, aus denen andere zwei oder drei Songs gemacht hätten, ohne daß man zwingend eine der beiden Herangehensweisen präferieren muß. Jedenfalls braucht der junge Keyboarder Zeit, um sein Ideenfüllhorn auszuschütten: Keiner der sieben Songs mit Gesang schafft es unter fünfeinhalb Minuten ins Ziel, und selbst das Titelinstrumental ist mit glatt fünf Minuten alles andere als ein simpler Lückenfüller. Und die Spannung bleibt tatsächlich von der ersten bis zur letzten Minute erhalten, wenngleich man wie erwähnt schon ein gewisses Faible für Progmetal mitbringen sollte, um sich nicht von vornherein überfordert zu fühlen. Auf jeden Fall hat Rakhmatullin technische Könner um sich geschart, und es bleibt gespannt abzuwarten, ob das auch für die beiden Neuzugänge an Mikrofon und Gitarre gilt, die sich zwischenzeitlich der Band angeschlossen haben. Wer die gerade erschienene neue Single kennt, kann eine diesbezügliche Beurteilung treffen, aber beim Rezensenten hat sie sich noch nicht eingefunden (sie ist mit 28 Minuten Spielzeit übrigens nicht gerade kurz, und einen Achtminüter auszukoppeln ist auch nicht gerade gewöhnlich - aber eine gewöhnliche Band sind Solar ja sowieso nicht). Ergo müssen die 72 vorliegenden Minuten Musik genügen, um ein Urteil über Solar abzugeben, und dieses fällt, wie anhand der bisherigen Schilderungen ja bereits zu vermuten war, ausgesprochen positiv aus. Nur muß man eben wissen, was man von "At The Dawn" zu erwarten hat, um etwa als Nightwish-Fan nicht erstmal kalt erwischt zu werden (wir vergegenwärtigen uns nochmals, daß das Material in der Ära vor "Dark Passion Play" entstanden ist). Sehr gut gelungen ist die Gestaltung des Booklets, für die die Band die stimmungsvollsten Sonnenaufgänge aus einer russischen Fotodatenbank genutzt hat, während das Cover eher zum Song "... The Mask" gehört und damit ein klein wenig aus der Gesamtgestaltung herausfällt. Aber vielleicht war ja auch das so gewollt wie die zahlreichen kompositorischen Wendungen innerhalb der Songs. "Female Fronted Euro Symphonic Metal" gibt das Tray übrigens als Stilbezeichnung aus und trifft damit den Nagel auf den Kopf, so daß sich jeder, der damit etwas anfangen zu können glaubt, auf die Suche nach einem der anderen 999 Exemplare dieser Edition (der Rezensent gibt seines natürlich nicht her :-)) begeben und z.B. mal bei Rainer Krukenberg von www.metaleros.de nachfragen sollte, ob der noch welche auf Lager hat.
Kontakt: www.stormspell.com, www.solarband.ru

Tracklist:
Heretic
Parting
...The Mask
Following The Falling Star
At The Dawn
Dreamer
Sunset
Prayer
Heretic (English Version)
...The Mask (English Version)
Following The Falling Star (English Version)
Dreamer (English Version)
 




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