www.Crossover-agm.de THE SILENCE: Lord Of Mercy
von rls

THE SILENCE: Lord Of Mercy   (Underground Symphony)

Ob der gleichnamige Gamma-Ray-Song als Inspirator für den Bandnamen diente, kann zwar nicht mit letzter Sicherheit gesagt werden, erscheint vor dem Hintergrund des Genres, in dem sich The Silence bewegen, aber durchaus möglich, wenngleich The Silence seit der Bandgründung 2000 eigentlich nur Silence hießen und das The lediglich seit 2009 davorsetzen, um Verwechslungen mit einer anderen norditalienischen Band namens Silence aus dem Wege zu gehen. Die Stille kommt darüber hinaus aber auch in zwei Songtiteln vor, nämlich im Opener "The Way Of Silence" und im Closer "Words Full Of Silence", scheint also zum Gesamtkonzept zu gehören, freilich nun nicht im Sinne von John Cages "4'33''"-Meisterwerk - beide Songs enthalten durchaus 6:42 bzw. 5:56 Minuten regulär auskomponierte und audibel wahrnehmbare Musik. Nun ist Stille in der heutigen Gesellschaft aber sowieso weitestgehend verdrängt worden, so daß beispielsweise der paradoxe Fall entstehen kann, daß man, um Stille zu erleben, ausgerechnet in den Konzertsaal gehen muß, um sich dort beispielsweise Einojuhani Rautavaaras "Cantus Arcticus" anzuhören, ein Stück, in dem die eingemixten Stimmen nordischer Vögel aus der Stille langsam, sehr langsam ins Hörbare dringen und ebenso langsam auch wieder aus selbigem in Richtung der Stille verschwinden - ein für heutige lärmgewohnte Ohren ganz ungewöhnliches und intensives Erlebnis.
Zurück zu The Silence: Die verdrängen etwaige Gedanken an musikalische Stille schon in den ersten Sekunden des genannten Openers "The Way Of Silence", indem ihr melodischer Power Metal den Hörer ohne Intro-Vorwarnung gleich direkt anspricht, und das sowohl rein kompositorisch als auch vom Sound her: Rullos Schlagzeug ist im Gesamtklangbild nämlich relativ weit nach vorn gestellt worden und hat zudem einen recht dominanten, wenn auch nicht grellen Snaresound verpaßt bekommen - das Ganze klingt, als ob der Schlagzeuger Holz hackt, und das tut er gerne, oft und schnell, so daß das Gesamtbild rhythmusseitig eine enorm druckvolle Wirkung entfaltet. Daran muß man sich in den halbballadesken Passagen zweifellos erst gewöhnen, aber von denen gibt es erstens nicht so sehr viele, und zweitens hält sich der Drummer dort doch etwas mehr zurück. Freilich muß man sich beim Hören schon darauf einstellen, daß etwa der balladeske Beginn von "Witch" durch ebenjenen harten Schlagzeugsound schneller in Richtung der powervolleren Höreindrücke umschlägt, als man das sonst von klassischen Halbballaden aus dem metallischen Bereich gewohnt ist. Das sollte allerdings denjenigen Hörern, die am italienischen Power Metal immer das Fehlen der Power beklagen, nicht weiter schwerfallen, sondern eher Wasser auf ihre Mühlen sein, zumal The Silence das meiste, was man an diesem Genre mag, auch bieten. Nur der massive Keyboardeinsatz und mit ihm die symphonische Komponente fehlen - das Quartett hat keinen festen Keyboarder in seinen Reihen, sondern lediglich mit Danilo Di Lorenzo einen Gastmusiker für diese Position, der auch gleich noch ein paar Backing Vocals mit beisteuerte und die Aufnahmetechnik steuerte. Ansonsten dominieren hier eindeutig die Gitarren, und da mit den beiden Bandköpfen Alessandro Schettino und Fabio Cavestro zwei Könner diese Instrumente bedienen, entsteht ein eindrucksvolles Bild italienischer Musizierkunst, dem allerdings das bei diversen Stilkollegen in hohem Maß anzutreffende Pathos und auch der gern eingesetzte Neoklassikfaktor nur in geringeren Dosen beigemischt wurden. Dafür präsentiert sich die Komponistenfraktion stilgemäß in ausladender Arrangierlaune: Keiner der elf Songs bleibt unter vier Minuten, und nur zwei von ihnen erreichen die Fünfminutengrenze nicht, wohingegen zwei die Siebenminutenmarke überschreiten. Langatmig werden die Kompositionen trotzdem nicht, die Band überrascht immer wieder mit unvorhergesehenen Wendungen, die sich nach einigen Hördurchläufen als durchaus nicht unlogisch entpuppen, obwohl man sie beim ersten oder zweiten Hören vielleicht noch eher eigentümlich fand. Auffällig ist allerdings, daß sich solche Wendungen in höherer Dichte in den älteren Kompositionen finden. The Silence haben für "Lord Of Mercy" nämlich alle ihre alten Demotracks von "Full Of Silence" (2001) und "Call My Name" (2002) neu eingespielt, wobei der Rezensent mangels Besitzes der alten Aufnahmen nichts zu eventuellen Unterschieden sagen kann, von dem Hinweis abgesehen, daß der Sänger ausgetauscht wurde: Danny Glick, der die beiden Demos eingesungen hatte, ist seit 2007 nicht mehr dabei, und The Silence haben keinen externen Neuzugang herangezogen, sondern die Lücke intern geschlossen, indem Bandkopf Schettino nun auch am Gesangsmikrofon steht. Das ist nicht in jedem Falle die Ideallösung, da man als Bandkopf seine eigenen Fähigkeiten auf anderen als den angestammten Gebieten auch gerne mal zu überschätzen pflegt. Der Rezensent kennt Glicks Gesang nun nicht, aber Schettino macht prinzipiell eine gute Figur und könnte mit seiner halbhohen Stimme durchaus auch Hörer begeistern, die mit den gängigen hohen Stimmen im Italometal sonst eher Probleme haben. Auch die Ballade "Keep The Flame Alive", sonst oftmals ein Fallstrick, bekommt der Sänger gut aus der Kehle, und wem die anderen Kompositionen zu wenig Pathos und Schmelz aufwiesen, der wird mit diesen sieben Minuten sicherlich glücklich. Einige der Texte weisen übrigens einen dezenten bis deutlichen pro-religiös-suchenden Touch auf, interessanterweise aber gerade der Titeltrack "Lord Of Mercy" nicht, der sich aus der Perspektive einer Verfolgten mit dem Prinzip der Christianisierung mittels Feuer und Schwert auseinandersetzt. So rundet sich das Bild von 65 Minuten interessanten Metals aus Mailand, die man hierzulande beispielsweise via www.karthagorecords.de seiner Kollektion zuschanzen kann.
Kontakt: www.wayofsilence.com, www.undergroundsymphony.it

Tracklist:
The Way Of Silence
Lord Of Mercy
Night Singer
Witch
Raining My Eyes
In Thy Embrace
Divine Hunger
Terra Libera
Wings Of Destiny
Keep The Flame Alive
Words Full Of Silence



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