www.Crossover-agm.de SCORPIONS: Return To Forever
von rls

SCORPIONS: Return To Forever   (Sony)

Wie es ist, mit dem Aufhören aufzuhören, das wissen nicht nur Knorkator. Aber die hatten ihre Bandaktivitäten zumindest tatsächlich für ein paar Jahre komplett eingestellt, während es für die Scorpions gar nicht erst so weit kam. Hannovers größter Rockexport hatte sich nach dem als solches deklarierten Abschiedsalbum "Sting In The Tail" auf Abschiedstour begeben, aber die wurde länger und länger und länger, so daß es irgendwann mal niemanden mehr verwunderte, als der Abschied vom Abschied verkündet wurde und ein neues Studioalbum ins Gespräch kam. Ebenjenes heißt "Return To Forever", ist offiziell als Jubiläumsalbum zum 50. Bandgeburtstag deklariert (auch wenn das Debütalbum "Lonesome Crow" erst 1972 erschien, so datieren Rudolf Schenkers erste Bandgehversuche doch tatsächlich schon von 1965) und wurde in der gleichen Konstellation eingespielt wie die letzten Werke vor der angekündigten Auflösung, und das betrifft sowohl die fünf Musiker als auch die Produzenten Mikael Nord Andersson und Martin Hansen.
Und ebendort liegt auch der Hase im Pfeffer: "Return To Forever" klingt weniger nach den Scorpions, sondern danach, wie sich die beiden Produzenten die Scorpions vorstellen. Vier der zwölf Songs der regulären Edition haben die beiden Nordländer geschrieben, zwei weitere co-komponiert - und viel davon hört sich nach typischem Durchschnittshardrock der Jetztzeit an, wie man ihn auch in anderen Projektkonstellationen (und mittlerweile längst nicht mehr nur in denen von Frontiers Records, die eine Zeitlang als geradezu berüchtigt in dieser Richtung galten) zu hören bekommt. Das ist alles natürlich nicht schlecht, aber sänge dort nicht Klaus Meine, man täte sich schwer, der Musik eine Art Alleinstellungsmerkmal zuzuweisen. Das gelingt in den von Meine oder Schenker komponierten Tracks zwar auch nicht durchgängig, aber doch etwas besser: "Rock My Car" beispielsweise hat hier und da etwas von "Pictured Life", dem nie auf einem Studioalbum verewigten Opener der legendären 78er Japan-Livescheibe, und das auf dem Fuße folgende "House Of Cards" als Kuschelballade wäre ein richtig guter Nachfolger von "Send Me An Angel" geworden, wenn die Produzenten darauf verzichtet hätten, nach Minute 4 noch ein arg computerisiert klingendes Schlagzeug drunterzulegen. Beide Songs stammen von Schenker, aber Klaus Meine zeigt mit dem flotten "Rock 'n' Roll Band" (nochmal ein kleiner Schieler gen "Pictured Life" und im Intro außerdem noch ein anderer Anklang, bei dem der zündende Einfall, woher er inspiriert sein könnte, den Rezensenten noch nicht erreicht hat), daß auch er das Songwriting noch nicht verlernt hat und eigentlich nicht auf merkwürdige Kollaborationen wie in "All For One" (nicht übel, aber weder Fisch noch Fleisch - und beim ersten groben Harmoniewechsel erschrickt man förmlich) angewiesen ist. Zwar besitzt der Rezensent die beiden jüngsten vor der Auflösungsankündigung erschienenen Alben, aber sie liegen noch auf dem Stapel der Ungehörten, und so kann er nicht sagen, ob der Austauschbarkeits-Problemfall dort auch schon in dieser Form vorhanden war und das nur noch niemand gemerkt hat. Klar, schlecht ist das Songmaterial natürlich nicht, und live dürfte so mancher Song, allen voran das erwähnte "Rock 'n' Roll Band" und das im Refrain gleich mit passenden Mitshoutstellen ausstaffierte "Catch Your Luck And Play" (nochmal ein Schenker-Treffer), durchaus Laune machen. Vielleicht klingt dann auch James Kottaks Schlagzeugspiel nicht so fürchterlich computerisiert wie in "Rollin' Home", wieder einem Song der Produzenten, der so gar nicht in den Scorpions-Kontext passen will, wobei aufgrund der Ohoho-Chöre allerdings anzunehmen (Skeptiker schreiben: zu befürchten) ist, daß auch er Aufnahme in die Livesetlisten finden wird. Ach ja, und welche verzerrte Stimme brüllt eigentlich in "Hard Rockin' The Place" so unangenehm daher, daß man diesen eigentlich richtig guten Schenker-Song, der am stärksten an die Frühachtziger-Scorpions erinnert, gleich am Anfang weiterskippen will, weil man einen Ausfall in Richtung "Eye II Eye" befürchtet? Und wer hat diesen Song auf 4:06 Minuten zusammengestrichen, obwohl er gar kein Gitarrenheldensolo enthält, das bei seiner stilistischen Orientierung eigentlich unverzichtbar ist? Die Antwort glaubt man zu kennen. Und wie die Produzenten "The Scratch" durch Rock'n'Roll-Elemente aufzupeppen versuchen, das atmet einen Hauch von Aktionismus, obwohl oder gerade weil Matthias Jabs hier im Solo mal richtig zaubern darf. Wenigstens versöhnt die nette Abschlußballade "Gypsy Life" trotz des etwas zu platten Refrains wieder - aber auch hier ist die starke Gitarrenarbeit der Hauptfaktor, der einen durchschnittlichen Song noch rettet.
Die Digibookvariante, die der Rezensent am Flughafen Istanbul erworben hat, erweitert das Programm noch um vier weitere Songs, die das Gesamtpaket auf eine reichliche Stunde hieven. Das könnte interessant werden, glaubt man beim Durchschauen des Booklets, denn hier greift auch noch Jabs songwriterisch ein, und zwar einmal im Alleingang, einmal in Kooperation mit den beiden Produzenten. Indes erlebt der Hörer eine Ernüchterung: Die vier Songs sind zu Recht nicht auf der Normaledition gelandet, auch die beiden von Klaus Meine nicht, wobei man in "The World We Used To Know" ein Schifferklavier zu vernehmen glaubt, bevor man das als arg verfremdete Gitarren identifizieren kann, was den zurückhaltenden Poprocker aber auch nicht über puren Durchschnitt erhebt. Jabs wiederum erliegt in "Dancing With The Moonlight" der Versuchung, zu viele Gitarreneffekte einzubauen, die dem nicht schlechten, allerdings auch nicht überragenden Song nicht guttun. Etwas basischer gerät diesbezüglich "When The Truth Is A Lie", aber im richtigen Moment plazieren entweder Jabs oder die Produzenten noch einen spannungsverlängernden Appendix ans Hauptsolo, so daß dieser sanfte und zupackendere Passagen koppelnde Song der beste von den vier Extratracks ist, da die nur zweieinhalbminütige Akustikballade "Who We Are" nach hinten irgendwie amputiert wirkt. "Return To Forever" retten können die Zugaben jedenfalls nicht: Wir haben ein professionell eingespieltes und inszeniertes Produkt vor uns - ein wahrscheinlich ZU professionell kalkuliertes Produkt, das nach dem Erwerb nicht oder kaum wehtut, allerdings zumindest einige livetaugliche Songs liefert, die man sich von fünf schwitzenden Rockmusikern umgesetzt vorstellen kann. Zumindest muß man hier auch keinen Totalausfall wie "Eye II Eye" befürchten - ein Highlight wie "Face The Heat" aber, um mal das letzte wirklich große Scorpions-Album zu nennen, liegt in weiter, weiter Ferne.
Kontakt: www.the-scorpions.com, www.sonymusic.de

Tracklist:
Going Out With A Bang
We Built This House
Rock My Car
House Of Cards
All For One
Rock 'n' Roll Band
Catch Your Luck And Play
Rollin' Home
Hard Rockin' The Place
Eye Of The Storm
The Scratch
Gypsy Life
The World We Used To Know
Dancing With The Moonlight
When The Truth Is A Lie
Who We Are



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