www.Crossover-agm.de SATAN: Life Sentence
von rls

SATAN: Life Sentence   (Listenable Records)

Die diversen NWoBHM-Revitalisierungswellen brachten alle möglichen und unmöglichen Bands wieder an die Oberfläche, mal mit zufriedenstellenden Resultaten, manchmal gar mit übertroffenen Erwartungen, nicht selten aber auch mit dem Wunsch, die betreffende Combo wäre geblieben, wo der Pfeffer wächst. Bei den Dauerpechvögeln Satan wäre freilich zunächst die Frage zu klären gewesen, unter welchem Namen sie denn wieder antreten würden. 1997 fanden sie, nachdem sie sich als Pariah in den Frühneunzigern aufgelöst hatten, erstmal unter besagtem Namen wieder zusammen, aber diese Reunion war nicht von Dauer. 2004 spielten vier der fünf Musiker, die 1983 auf dem Satan-Debütalbum "Court In The Act" zu hören gewesen waren, eine einmalige Show auf dem Wacken Open Air (der fünfte, Drummer Sean Taylor, war ebenfalls eingeplant, aber eine Verletzung hinderte ihn am Spielen, und so wurde er durch Phil Brewis ersetzt) und verwendeten dort wieder den Namen Satan. Oliver Weinsheimer, Veranstalter des Keep-It-True-Festivals, war dieser One-Off nicht genug, und er ließ nicht locker, bis er das "Court In The Act"-Quintett 2011 überreden konnte, abermals die Aktivitäten aufzunehmen. Und die Truppe beschränkte sich nicht auf eine Livereunion, sondern begann auch mit dem Schreiben neuer Songs, von denen zehn nun auf dem Comebackalbum "Life Sentence" vorliegen, das ebenfalls unter dem Namen Satan erschienen ist - zwar spielen die Briten nach wie vor keinen Black Metal (weder in seiner textlichen noch in seiner musikalischen Definition - auch das Bandfoto mit fünf sonnenbebrillten Metallern auf einem verschneiten Friedhof entfaltet einen eher humoristischen Faktor), aber der Name ist eingeführt und steht laut Steve Ramsey zudem in heutiger Definition als Symbol für all die Ungerechtigkeiten, die in der Welt heutzutage passieren und von denen in den Texten einige angeprangert werden.
Was bieten die knapp 45 Minuten nun musikalisch? Nun, Satan haben den Vorteil, daß fast alle Bandmitglieder ihre Instrumente zwischenzeitlich ja nie eingemottet hatten und die Band somit nicht wieder bei Null beginnen muß: Sänger Brian Ross hielt sich mit seiner anderen Band Blitzkrieg bei Laune, und Gitarrist Steve Ramsey und Bassist Graeme English hatten in den Neunzigern großen (und seither zumindest noch mäßigen) Erfolg mit Skyclad, die als maßgebliche Mitbegründer des Folk Metal gelten. Davon ist auf "Life Sentence" allerdings nichts zu hören: Die neuen Songs knüpfen nahtlos an die alten NWoBHM-Zeiten an. Satan gehörten in den Frühachtzigern zu den schnellsten Bands dieser neuen Bewegung, konnten oder wollten diese Position aber nicht halten, zumal sich der "Schnelligkeitswettbewerb" bald sowieso in die Vereinigten Staaten verlagerte, von wo etwa Bands wie Slayer die ganzen Briten (bis auf die sowieso völlig eigenständig herumpolternden Venom) in Sachen Tempo und Härte überrundeten. Aber die neuen Satan müssen sich irgendwie herausgefordert gefühlt haben: Der sechsminütige Closer "Another Universe" beginnt als Ballade, schlägt aber nach reichlich zwei Minuten in höhere Geschwindigkeit um, und so ist der treibende Midtempotrack "Incantations" der langsamste dieser Songsammlung - der Rest wirbelt in fröhlicher Hochgeschwindigkeit all den Staub auf, der sich auf die Bandgeschichte gelegt hat, und beweist, daß die alten Kerls noch lange nicht auf den Schrottplatz der Metalgeschichte gehören. Man nehme nur mal "Testimony" her, das auf einer sicherlich zu erwartenden Vinyledition die B-Seite eröffnen wird und mit ansteckender Spielfreude alles wegbläst, was sich ihm in den Weg stellt, dabei aber immer nachvollziehbar und melodisch bleibt. Klar, man hört Brian Ross an, daß er nicht mehr der Jüngste ist und sich überwiegend in breit gelagertem Midtempo artikulieren muß, aber ein paar hohe Schreie wie im Finale von "Testimony" sind schon immer noch drin. Wenn man etwas hätte wünschen dürfen, dann wären das markantere Refrains gewesen - daß man beispielsweise von "Tears Of Blood" eher den Gitarrenhook als den Refrain im Gedächtnis behält, dürfte nicht ganz im Sinne des Erfinders sein, gibt allerdings auch Gelegenheit, die Aufmerksamkeit auf die Gitarristen Russ Tippins und Steve Ramsey zu lenken. Denn was die beiden hier abliefern, fällt unter den Begriff Weltklasse! Sei es im Riff- oder im Leadbereich, beide zaubern ein Feuerwerk von Ideen hervor, wie man es im NWoBHM-Retro-Sektor lange nicht mehr gehört hat und wie es in ähnlicher Form eher von Jungspunden wie Enforcer gezündet wird. Daß das Hauptthema von "Siege Mentality" ein wenig an den Klassiker "Trial By Fire" erinnert, dürfte sicherlich kein Zufall sein, sondern eine bewußte und selbstbewußte Anlehnung. Eingespielt wurden die zehn Songs übrigens bei Dario Mollo - nicht unbedingt der erste Name, wenn man ein solches Album in Planung hat, aber die Wahl hat funktioniert: "Life Sentence" klingt nach 1983, aber mit der Power und Souveränität von 2012, in dessen Herbst die Aufnahmen getätigt wurden. So ist eine (bis auf den Gesang) sehr erfreuliche Überraschung entstanden, die nicht nur Ewiggestrige begeistert in ihre Sammlung stellen werden, sondern der sich auch die jüngere Metallergeneration einmal genauer widmen sollte. Man muß den inhaltlich unglücklichen Bandnamen ja nicht unbedingt mit großen Lettern an seine Zimmertür schreiben ...
Kontakt: www.satanmusic.com, www.listenable.net

Tracklist:
Time To Die
Twenty Twenty Five
Cenotaph
Siege Mentality
Incantations
Testimony
Tears Of Blood
Life Sentence
Personal Demons
Another Universe



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