www.Crossover-agm.de REQUIEM: Requiem Forever
von rls

REQUIEM: Requiem Forever   (Scarlet Records)

"Ein Reh, ein Re, ein Kontra", so ulkte einst Heinz Erhardt. Die Silbe Re steht ja nicht selten für etwas Rückwärtsgewandtes, und tatsächlich gehen Requiem auch ein wenig rückwärtsgewandt in ihrer Musik vor - rückwärtsgewandt allerdings in Richtung ihres eigenen Vorgängeralbums "Mask Of Damnation" (inwieweit sich die Rückwärtswendung auch auf ihr Debüt "The Arrival" oder die drei Demotapes beziehen läßt, kann ich nicht verifizieren, da selbige Tondokumente nicht meiner Sammlung zugehören). Soll heißen: Es hat sich im wesentlichen nicht viel geändert an dem begeisternden Melodic Metal der finnischen Truppe (andere Länder weisen bekanntermaßen analog benannte Bands auf, so Deutschland oder die Schweiz). Elf Songs in knapp 44 Minuten weisen nicht auf ein sonderlich ausladendes Arrangementwerk hin - ein Kennzeichen, das man im Genre eher selten antrifft und beispielsweise bei Stormwind finden konnte, dort allerdings in deutlich weniger beglückender Ausführung. Requiem dagegen blasen konsequent zum Sturm, ohne deshalb aber gleich loszurasen wie ihre Bruderband Sonata Arctica zu besten Zeiten, wenngleich man auch auf dem vorliegenden Drittwerk noch ganz leichte Anzeichen finden kann, daß auch die finnischen Requiem wie diverse ihrer Bandnamenkollegen einstmals als Death Metal-Band begonnen haben - man höre als Exempel einfach das Finale des Openers "Possessed By Power" oder nehme das Riff des folgenden "Hold On" her, das in anderem Kontext auch auf deathmetallischen Scheiben nicht aus dem Rahmen gefallen wäre. Was sich Requiem gleichfalls erhalten haben, ist das Händchen für den Einbau progressiver Elemente, die bei den ersten 20 Hördurchläufen noch einen gewissen Fremdkörpercharakter aufzuweisen scheinen, irgendwann aber doch mal ihre Natur als integrale Songbestandteile enthüllen. Das geht auch gleich im Opener los, wo sich Sänger Jouni Nikula mal wieder sehr strecken muß, um den Rhythmus seiner Choruslinie mit dem des musikalischen Unterbaus abzustimmen - aber er schafft es. Ganz kraß wird's in "Invincible Enemy", wo die Gitarristen in den Strophen plötzlich einen komplett anderen Takt anschlagen als die Rhythmusgruppe und der Sänger - Lyrics liegen mir nicht vor, so daß ich nicht weiß, inwieweit dieser abgedrehte Ausdruck strukturelle Bedeutung haben könnte (zu vermuten ist es, denn an dieser Stelle sind herbe shoutende Vocals untergebracht). Als Kontrastprogramm wird der erste Teil des Hauptsolos von diesen typischen schwingenden Gitarren unterrifft, die man auch im Song "Children Of Bodom" der gleichnamigen Landesgenossen Requiems finden kann, bevor ein klassisches Gitarre-Keyboard-Duell seinen in diesem Falle eher kurzen Lauf nimmt. Völlig verwirrend beginnt auch "Violate", herbes Shouting, Stakkati und verdrehte Harmonien inclusive, aber bald schlägt der Song in hymnische Parts um, die eben in der Kombination mit den freakigeren Elementen den Reiz des Gesamten ausmachen. Aber auch rein hymnische Tracks schmieden Requiem mit großer Geschmeidigkeit. In "Shadowhunt" etwa darf Jouni auch mal kurz am oberen Ende seiner Stimmskala agieren, während er sonst mehr in mittleren Lagen zu Hause ist (ob die herben Parts von einem Gastsänger übernommen werden, darüber schweigen sich sowohl die vorliegende Promo als auch der Infozettel aus). Bleibt als weitere musikalische Zutat noch vergleichsweise geradliniger Melodic Metal, wie ihn beispielsweise "Painting The Wind" demonstriert - auch auf diesem Gebiet geben Requiem ihr Bestes, und das ist nicht wenig. In der Gesamtbetrachtung wirkt "Requiem Forever" einen kleinen Tick langsamer als sein Vorgänger. Das kann zwar täuschen, aber dennoch darf die These aufgestellt werden, daß der reine Speedfreak mit diesem neuen Album nicht so glücklich wird wie mit "Mask ...". "The Tower" beispielsweise enthält zwar in den Strophen fixes Stakkato mit Doublebassunterstützung, legt aber darüber nur akustische Gitarren und einen hintergründigen Keyboardteppich, erst in der zweiten Strophe tauchen von unten her noch ein paar energische Riffs auf, während die Bridge zwischenzeitlich schon wieder für eine Bremsung gesorgt hat und nur der Refrain komplett unter Dampf steht. Trotzdem bildet dieser Song einen winzigen Wendepunkt, denn auch die folgenden "Nightfall - Omnicida" und "Sleepless Nights" sind tendenziell tatäschlich ein Stück schneller ausgefallen als ihre Vordersitzer - natürlich trotzdem alles andere als eindimensional, wie spätestens das große Klavierbreak in zweitgenanntem unterstreicht. "Gods Of War" als Closer bündelt schließlich noch einmal fast alles, was bei Requiem irgendwo auf der Platte vorkommt - und das erste Hauptsolo klingt schon mehr nach Alexi Laiho als dieser selbst. Vom recht düsteren Cover (das ein Szenario aus "Die Fliege" zu imitieren scheint, hier allerdings eher nach dem genetischen Grundsatz "Mein Freund, der Baum") auf eine Verdunkelung der Musik zu schließen würde allerdings genauso fehlgreifen wie die Vermutung, das pseudoägyptische Cover von "Mask ..." wäre ein Anzeichen dafür, daß sich auch Requiem in die Legion der Bewunderer der durch Rainbow errichteten "Gates Of Babylon" einreihen. Statt dessen taugt der Ansatz, den die Landsleute von TOC auf "Loss Angeles" verfolgten, eher als Vergleich, wenngleich der Abgedrehtheitsfaktor bei Requiem den von TOC nicht zu einem Viertel erreicht, das aber auch nicht will. Innovationen darf man natürlich von der Nikula-Gang nicht erwarten, aber das, was sie machen, das machen sie ganz hervorragend, und da außer einer klitzekleinen Sterilität bei den Bassdrums auch an der Produktion nichts zu meckern ist, statt dessen die unverbrauchte Frische und Energie der Finnen gelobt werden darf, steht einer dringenden Erwerbsempfehlung für Freunde melodischen Metals nichts im Wege.
Kontakt: www.requiem.kpnet.com, www.scarletrecords.it

Tracklist:
Possessed By Power
Hold On
Shadowhunt
Violate
Painting The Wind
Invincible Enemy
Vindictive Heart
The Tower
Nightfall - Omnicida
Sleepless Nights
Gods Of War
 




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