www.Crossover-agm.de RENEGADE: The Narrow Way
von rls

RENEGADE: The Narrow Way   (Karthago Records)

Renegade ... da war doch was?! Richtig, der Drittling (treffend und simpel auch gleich "III" betitelt) einer schwedischen Band, die in den Neunzigern das alte Alphaville-Motto "Big In Japan" in die Realität umgesetzt hatte, in Mitteleuropa aber nie so richtig Fuß fassen konnte und nach besagtem dritten Album (welchselbiges irgendwo hier in diesen Räumlichkeiten auf dem großen Stapel der Ungehörten liegt) in den Annalen der Rockgeschichte verschwand. Um diese Band, die der Literatur nach im AOR-Bereich arbeitete (wie gesagt: noch ungehört ...), handelt es sich hier aber ebensowenig wie um ihre bereits Jahre früher aktiven gleichnamigen Landsleute, auch nicht um die Amerikaner oder die Briten, die sich dieses Namens bedienten. In Australien gab es gleich zwei Renegades, aber auch die sind's nicht, und die Vermutung, daß die El Salvadorianer Renegado jetzt unter leicht verweltsprachlichtem Bandnamen ihren planetenweiten Bekanntheitsgrad erhöhen wollen, geht ebenfalls ins Leere. Nein, diese Renegade hier waren Teutonen, die den Namen anno 1983 wählten (da existierten von den o.g. gleichnamigen Bands noch nicht allzuviele, und die waren auch noch im absoluten Underground beheimatet), da sie offensichtlich die Erfahrung gemacht hatten, daß keiner ihren vorherigen Bandnamen Flamebeau unfallfrei aussprechen konnte. In der Folgezeit reichte es bei Renegade zu zwei Alben, von denen das selbstbetitelte aus dem Jahre 1986 in der Literatur noch erwähnt wird, das zweite namens "Lost Angels" von 1991 aber quasi nirgendwo reflektiert wird. Dem Vernehmen nach enthält "The Narrow Way" beide Alben, allerdings ist nur partiell nachprüfbar, ob das diesmal auch so stimmt oder ob wie bei No Trouble editorische Merkwürdigkeiten auftreten; der Rezensent besitzt keines der beiden Originale, und so kann lediglich für "Renegade" eine Übereinstimmung der Trackzahl von acht mit den Literaturangaben konstatiert werden (einen Song namens "The Narrow Way" gibt es übrigens unter den 16 vertretenen nicht, wohl aber heißt das neue Coverartwork von Michael Whelan mit einer Art "Herkules-Scheideweg-Motiv" so, und auf diese Weise mag die Idee der Adaption für den Re-Release entstanden sein). Die fünf Jahre, die zwischen den beiden Alben liegen, bemerkt man musikalisch durchaus, denn das Material von "Lost Angels" hat den metallischen Aspekt vom Debüt ein gutes Stück zurückgefahren und orientiert sich mehr an den geschliffeneren amerikanischen Hardrockbands, was beispielsweise seinen Ausdruck in den Gesangsarrangements findet, die nun ein gutes Stück chorischer ausgeformt worden sind, während die Gitarren ein wenig an Biß verloren haben. Allerdings waren Renegade auch zu Debützeiten keine großen Härtner, selbst ihre speedigeren Songs wie gleich der Opener "Dragonslayer (Burn In Hell)", der zu den besten des gesamten Bandschaffens zählt, schlugen deutlich leiser auf die Pauke als das gleichperiodige Schaffen von deutschen Kollegen wie Helloween oder Running Wild. Trotzdem (oder vielleicht gerade deshalb) wußte der Melodic Metal der Band durchaus zu gefallen, zumal Renegade das typisch deutsche hölzerne Element erfreulicherweise über weite Strecken mit Nichtachtung strafen konnten und sich auch technisch kompetent durch ihre Songs manövrierten - sie waren sicher nicht die allergrößten Instrumentalkünstler vor dem Herrn, aber sie konnten zweifellos spielen, und auch Peter Scholls Gesang ist durchaus interessant ausgefallen, denn der Mann singt irgendwo in fast episch zu nennenden halbhohen Mittellagen, die zumindest zu Debützeiten noch eher wenig bedient wurden. Allerdings ist er auf dem Debüt arg weit nach hinten gemixt worden, so daß man sich nur ein etwas undeutliches Bild von ihm verschaffen kann. Wenn der Song dann doch mal etwas weniger stark angelegt worden ist, haben es Renegade mitunter verstanden, ihn durch einzelne Elemente noch zu retten zu versuchen - sehr schön zu hören beispielsweise in "Fire", das eher wenig spannend beginnt, bis sich die Gitarren im Hauptsolo zu duellieren beginnen und damit noch heute zu begeistern wissen. Die beiden stärksten Songs der 1986er Platte rahmen dieselbe ein; neben dem genannten Opener ist auch "Have Some Drinks" ein feiner und ideenreicher Speedie mit begeisternder Gitarrenarbeit geworden, die den etwas merkwürdig geshouteten Refrain (bei dem man auch "Make some noise" oder sowas verstehen kann) locker kompensiert. Keyboards findet man auf den alten Songs übrigens keine, erst ab Song 9 beginnen sie einzelne Funktionen beispielsweise in puncto Themenübernahme oder Kolorierung zu übernehmen, ohne jedoch alles zuzukleistern - dafür waren Renegade dann doch zu sehr Traditionalisten. Peters Gesang steht mixtechnisch diesmal deutlich weiter im Vordergrund und stellt damit die oben getätigte Aussage bezüglich der Qualitäten unter Beweis; dafür hätten die Drums einen Tick abgedämpft werden können, denn ihr vergleichsweise heller Klang verleiht dem Gesamtsound (vor allem im Direktvergleich) einen leicht künstlichen Touch, der so sicher nicht intendiert war (der aber, wenn man die Alben nicht im Kontext nacheinander, sondern getrennt hört, weniger ins Gewicht fällt als hier in der Zusammenstellung). Das Schreiben begeisternder Songs hatten Renegade allerdings auch fünf Jahre nach dem Debüt nicht verlernt, wie gleich der schnelle Opener "Aiming High" unter Beweis stellt, und wenn man den Sound verdaut hat, wissen auch manche Midtempotracks wie "Young Girl In Love" durchaus zu überzeugen (trotz der partiell gar Flippers-kompatiblen Drums). Mit "Hold On" gibt's selbst eine Ballade, prinzipiell auch recht niedlich, aber hier reißen die trockenen Drums das Ganze dann doch in den teutonischen Abgrund, aus dem auch die erneut starke Gitarrenarbeit keinen Ausweg mehr weisen kann, zumal die Abwürgung des Solos durch den Folgerefrain auch eher durch die Botanik holpert. Auch der Mittelteil von "Let's Dance", eingebettet in einen schon so relativ neandertalerigen Song, den nur (wieder!) das Gitarrensolo aufwertet, zeigt, daß man mit der Umsetzung vermeintlich kultiger Ideen fürchterlichen Schiffbruch erleiden kann, wenn man den Kult nicht entsprechend durchhörbar gestalten kann (was hier sowohl auf den Spoken Word-Part als auch auf die Rhythmusparts zutrifft, die beide wie ein nicht zwingend wichtiger Hintergrundbestandteil wirken). Und eine Hymne wie "In Union" mit diesem "leer" wirkenden Sound geht schon mal gar nicht, obwohl der Song als solcher zweifellos auch kein schlechter ist. Man stellt also fest, daß es Renegade auf dem ersten Album besser verstanden haben, die diversen Klippen der metallischen See zu umschiffen, wiewohl natürlich auch das Material von "Lost Angels" generell durchaus hörenswert ist.
Kontakt: Karthago Records, Stefan Riermaier, Feichtetstraße 41, 82343 Possenhofen, riermaier@aol.com, www.karthagorecords.de

Tracklist:
Dragonslayer (Burn In Hell)
Kids In Leather
Give Me Some Shocks
Broken Bones
Renegade
Nights
Fire
Have Some Drinks
Aiming High
Young Girl In Love
Bang Your Head
Hold On
Let's Dance
Lost Angels
Heart Attack
In Union
 




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