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von rls

DE RANDFICHTEN: Dr Holzmichl   (Capitol Music)

Über das musiksoziologische Phänomen De Randfichten habe ich mich ja bereits im Review zu "Das Beste" ausführlich ausgelassen, so daß ich den Interessenten dorthin verweisen kann. Jedenfalls hat es die Truppe fertiggebracht, mit ihrer typisch regional geprägten Musik einen Majordeal einzufahren (was sie immerhin in eine Reihe mit Größen wie BAP stellt, und so dicht besetzt sind diese Reihen gar nicht), und ihre Version des alten erzgebirgischen Volksliedes vom Holzmichl bildete zweifellos den Ausgangspunkt der Randfichten-Hysteriewelle, die in der ersten Hälfte des ersten Jahrzehnts im neuen Millennium über Deutschland hinwegrollte, obwohl es die Truppe immerhin schon seit 1992 gibt und sich auch besagter Holzmichl schon geraume Zeit im Liverepertoire der Band befindet. Der Majordeal hat als äußeres Zeugnis u.a. auch diese CD hier hervorgebracht, die sicherlich als Einstiegsdroge für all jene gedacht war, die erst 2004 durch den ausgekoppelten Holzmichl auf die Johanngeorgenstädter Truppe aufmerksam geworden sind, denn der langjährige Randfichten-Anhänger besitzt einen Gutteil der Songs bereits auf anderen Tonträgern des Trios. Aber auch dieser soll diese Platte natürlich kaufen, und so hat man logischerweise einige anderweitig noch nicht veröffentlichte Songs bzw. Versionen unter die insgesamt 18 Songs gemischt. Allen voran steht auf dieser Liste das nach dem hiesigen CD-Opener "Halli, hallo ..." plazierte "Lebt denn dr alte Holzmichl noch ...?", bei dem es sich um die Singleversion handeln dürfte, die mit der bekannten ausgewalzten Liveversion (die kommt später natürlich auch noch zum Zuge, und zwar mit fast acht Minuten Länge - der originale Mitschnitt dürfte noch länger gewesen sein, man hört hier und da ein paar Schnitte einen Tick zu auffällig durch) außer dem generellen Thema und dem Refrain nichts gemeinsam hat und die Musik der Randfichten fast schon in ein "normales Popgewand" hüllt, das beispielsweise unter dem "geschwiegenen" Refrain auch recht originell arrangiert ist, wenngleich es natürlich in keiner Richtung aus dem Rahmen fällt. Schließlich wollen De Randfichten eine Konsensband sein und keine Aufrüttler - der einzige richtig kritische Text, wenngleich auf humoristische Weise dargeboten, ist nach wie vor der zu "Steig ei, mir fahrn in de Tschechei", hier ebenfalls in einer begeisternden Liveversion verewigt. Dritter Livemitschnitt im Bunde ist ein weiterer Klassiker, nämlich "De Spackfettbemm", allerdings muß auch bei dieser CD konstatiert werden, daß der Mitschnittsort in allen Fällen nicht angegeben ist, obwohl diese Information für den einen oder anderen Anhänger durchaus ein lockendes Argument zum Erwerb darstellt. Daß die Livemitschnitte natürlich bedeutend mehr Dampf machen als die Studiosongs, bedarf eigentlich keiner weiterer Erwähnung, zeigt sich aber noch einmal schön im Direktvergleich der beiden Versionen von "Griene Kließ un Schwammebrie", auf "Das Beste" als alles wegblasender Livemitschnitt, hier dagegen als nette, aber nicht weltbewegende Studiovariante. Allerdings deutet "'s Arzgebirg im Blut" an, daß die drei Jungs im Herzen wohl doch verkappte Rock'n'Roller sind, denn hier machen sie nach der ersten a-cappella-Strophe fast ein Rockfaß auf, im Gesamtszenekontext natürlich noch mehr als zurückhaltend, aber für ihre Verhältnisse doch schon recht heftig, und verzerrte E-Gitarren-Riffs gibt's selbst in der Volksmusik von heute nicht an jeder Ecke (der unterhaltsame Country-Rocker "Susi" fährt später auch noch ein paar auf). Wenn sie gar zu tief im Schlagersumpf versinken (hier beispielsweise in "Es wird schon alles wieder gut", übrigens einer nicht datierten Fremdkomposition), kann man sie sich zwar nach wie vor kaum anhören (auch die ebenfalls hochdeutsch betextete Hymne "Morgen ist alles vorüber" drückt deutlich zu stark auf die Tränendrüse, und "Hab Dank dafür" funktioniert in der basischeren, lediglich pianounterlegten ersten Strophe deutlich besser als in der zum Schluß gar noch mit Kunstorchester zugekleisterten zweiten), aber netterweise bleiben das auf dieser CD eher die Ausnahmen, und daß sie auch im Hymnenbereich was draufhaben, zeigt "Drham is drham" (wenngleich man dessen Tempo durchaus noch hätte halbieren können, um den in der Komposition angelegten hymnischen Charakter noch zu steigern). Aber zurück zu dem erwähnten Kaufgründen auch für Randfichten-Alles-Andere-Schon-Besitzer: Die Singleversion des Holzmichl-Liedes wird gleich noch als Karaokeversion mitgeliefert (da man das Ding mittlerweile nicht mehr aus jeder zweiten Gartenanlage erschallen hört, kann man's vermutlich sogar sinnvoll einsetzen, ohne daß das Auditorium akute Übersättigungserscheinungen zeigt), und schlußendlich widmet sich die Truppe noch weiterem thematisch verwandtem erzgebirgischen Liedgut, nämlich in Form von "De Lustigen Holzhackerleit", was übrigens De Krippelkiefern zu ihrer betont undergroundigen Antiversion des gleichen Motivs ermuntert haben mag. Ansonsten herrscht in den 18 Tracks business as usual (der Kenner analysiert den Rest der unten abgedruckten Tracklist), manchmal sogar so usual, daß das Arrangement vorm Übergang in den Refrain von "Kann Staapilz find ich net" dem der "Spackfettbemm" so sehr ähnelt, daß man sich einen Moment besinnen muß, um nicht falsch weiterzusingen. Aber das wird die wenigsten Hörer stören - als Randfichten-Neu-Anhänger macht man mit dem Erwerb der Platte prinzipiell nichts verkehrt, und der erwähnte Alles-Andere-Schon-Besitzer (dessen Detektivarbeit nach noch unveröffentlichten Versionen auch dadurch erschwert wird, daß zwar die Aufnahmeorte der Studiotracks angegeben sind, nicht aber die Jahre) muß entscheiden, ob er zum neuerlichen Geldausgeben bereit ist oder nicht. Und unabhängig davon, wie man über solcherartige Musik denkt: Daß es in der heutigen Zeit der Globalisierung Bands gibt, die ihren Wurzeln treu bleiben, das Wort "Heimat" noch buchstabieren können und aus dieser Bodenständigkeit eine ungeheure Kraft ziehen und diese auch weitervermitteln, unabhängig was für eine Art von Musik sie nun spielen, bleibt ein kulturell wertvoller Faktor, der eine prinzipiell unterstützende Haltung rechtfertigt und Aktionen wie die der sächsischen Antifa, die außer diversen Eingangstüren von Läden mit deutlich rechtsradikalem Sortiment auch gleich noch die zum Randfichten-Shop in Johanngeorgenstadt zumauerte, nur weil ihre Mitglieder, zumeist gelangweilte urbane und entwurzelte Kiddies, mit Begriffen wie "Heimat" eben gar nichts mehr anfangen können, in ein restlos dunkles Licht stellt.
Kontakt: www.capitol-music.de, www.randfichten.de

Tracklist:
Halli, hallo ...
Lebt denn dr alte Holzmichl noch ...?
Grüss Gott, mei Arzgebirg
Steig ei, mir fahrn in de Tschechei (Live)
Griene Kließ un Schwammebrie
Mir sei kaane Engel
's Arzgebirg im Blut
De Spackfettbemm (Live)
Morgen ist alles vorüber
Hab Dank dafür
Susi
Kann Staapilz find ich net
Es wird schon alles wieder gut
Drham is drham
dr Holzmichl (Live)
Bis bald, ihr Leit
Lebt denn dr alte Holzmichl noch ...? (Karaoke Version)
De Lustigen Holzhackerleit



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