www.Crossover-agm.de PUSHKING: Poka Ja Schiwu
von rls

PUSHKING: Poka Ja Schiwu   (Swuk)

Anno 2005 bestand die russische Band Pushking seit 10 Jahren, und in diesem Jahr erschienen gleich zwei Alben, nämlich eine Best Of und diese Scheibe hier, scheinbar entweder ein neues Studioalbum oder ebenfalls eine Compilation. Für letztgenannte Variante würde einerseits der sehr unterschiedliche Charakter der Songs und andererseits das Fehlen jeglicher Besetzungsangabe außer Bandkopf Kocha alias Konstantin Schustarjew sprechen, aber andererseits sind die Songs vom Sound her alle recht homogen, und zumindest von der Setlist her ist mir kein Track aufgefallen, der sich mit meiner bisher spärlichen Kenntnis des restlichen Bandschaffens decken würde. Erst die Bandhomepage löst das Rätsel, gibt eine reguläre Viererbesetzung an und offenbart die Platte als ganz normales Studioalbum. Zur erwähnten Best Of (die eindeutig eine sein muß, weil sie so heißt :-)) gibt es mit "Baschka" eine Überschneidung, die zugleich einen Haupteinfluß des Bandschaffens offenbart, nämlich die Aerosmith der Spätachtziger und Frühneunziger. Soll heißen: Knackiger Hardrock mit vielen bläserartigen Keyboardfanfaren (in anderen Songs scheint es auch echte Bläser zu geben, z.B. in "Baikerskaja") und einer gewissen Grundportion Blues schallt aus den Boxen, immer in relativ kontrollierter, aber für den Genrefreund zweifellos begeisterungsfähiger Form, außerdem sauber und druckvoll produziert. In die gleiche Kerbe hat bereits der Opener "10 Ljet" (also offenbar das "Geburtstagslied") geschlagen - hochgradig partytauglicher Hardrock, bei dem man spontan das Tanzbein schwingen möchte. Aber das ist nur die eine Seite des Pushking-Sounds, denn von dieser Basis aus unternehmen sie zumindest auf dieser Scheibe Beutezüge in zahlreiche angrenzende Gefilde. Als Titeltrack etwa hätte man anhand des Covers (ein tobender Elefant trampelt über ein Schachbrett) etwas deutlich Härteres erwartet als einen sanften, aber trotzdem eleganten Midtempo-AOR-Track in bester Night-Ranger-Manier - aber das macht nichts, denn der Hörspaß bleibt auch hier gewährleistet. "Depressnjak" hat zuvor noch weiter heruntergeschaltet und deutlich gemacht, daß Pushking auch an der Grenze zur Ballade eine gute Figur machen können, während "Hey Jack" (trotz englischen Titels bis auf diese beiden Worte wie der Rest des Albums in Russisch vokalisiert, während frühere Alben der Band komplett in Englisch eingesungen waren) die JD-Buddel im Booklet geflissentlich ignoriert, also keinen lauten und dreckigen Feuerwasserrock zwischen AC/DC und Molly Hatchet auffährt, sondern im klassischen Akustikrock landet, dessen Härtegrad nicht über dem von Bruce Springsteen anzusiedeln wäre. "Jei, Tam!" wiederum holt ein fast grungeartiges Riff aus der Versenkung und kombiniert es mit verschleppten Drums, aber der Großteil des Songs landet dann doch wieder im AOR. Überhaupt ist man nach häufigerem Anhören der Scheibe fast gewillt, sie etwas näher am AOR als an Aerosmith zu verorten, aber andererseits hatten Aerosmith ja neben krachigen Songs auch immer wieder halbe und ganze Balladen am Start. Kochas Vocals allerdings haben mit Steven Tyler überhaupt nichts am Hut, er singt zwar auch etwas angerauht und mitunter leicht kreischig, aber generell deutlich tiefer als sein amerikanischer Kollege, in den balladeskeren Passagen auch klarer, die Melodielinien schärfer abgrenzend. Da ist halt generell weniger Blues drin, wenngleich ein Song sogar "Bljus Petschal" heißt - aber das ist europäisch geprägter Blues, cleaner Blues, AOR-lastiger Blues, dem zwar die rohe Authentizität abgeht, der aber trotzdem sehr gut anzuhören ist. Bisweilen entdeckt man auch die im Riermaierschen Osteuropa-Buch gezogenen Parallelen zu Guns'n'Roses, sowohl in der musikalischen Gestaltung als auch bei Kocha, der bedarfsweise tatsächlich seiner Stimme Färbungen verleihen kann, die W. Axl Rose etwas ähneln. "Baikerskaja" ließe vom Titel her logischerweise knatternden Bikerrock vermuten, aber letztlich landen wir auch hier eher in Aerosmith-Gefilden, durch die scheinbar echten Bläser im Mittelteil fast noch in die Ska-Rock-Richtung abdriftend. "Schisn W Prowodach" führt gar noch flötenartige Keyboards ein (nein, mit Jethro Tull hat das nichts zu tun), die "Ah-ah-ah"- und "Yeah-yeah-yeah"-Passagen in "Angel - Ekstremal" hätte Robert Plant auch nicht besser hinbekommen, "Moi Djen" holt das Banjo aus der Mottenkiste, und wenn man dann in "Ja Njenawischu" noch Ayreon-artige Spacekeyboards und in "Son" nochmal solche (wenngleich im Einzelfall völlig anders geartete) sowie bombastische Orgelklänge, die auch Manowar nicht von der Bettkante gestoßen hätten, entdeckt hat, kann man sich ein ungefähr rundes Bild von diesen 17 Songs, summiert übrigens mit über 77 Minuten die CD-Kapazität fast ausreizend, machen. Das für russische Verhältnisse ungewöhnlich umfangreiche Booklet enthält nicht nur alle Texte und Liner Notes, sondern auch noch reichlich Fotos, und somit gibt es für jeden Menschen, der sich vorstellen könnte, die beschriebenen Klänge zu mögen (um das Ganze griffig, wenn auch nicht ganz allumfassend zusammenzufassen: ein Mix aus Night Ranger und Aerosmith), einen ganzen Stapel triftiger Gründe, sich sofort auf die Suche nach diesem richtig starken Album zu machen und bei der Gelegenheit gleich mal anzuchecken, was die anderen Veröffentlichungen der aus St. Petersburg kommenden Band (es gab zum Zeitpunkt des Erscheinens von "Poka Ja Schiwu" noch fünf Studioalben und neben der eingangs erwähnten Best Of, die in Kürze hier auch noch rezensiert wird, noch zwei weitere Best Of-Scheiben, neun Videoclips und zwei Videomitschnitte von Konzerten, und in der Zwischenzeit sind im Jahrestakt noch weitere Alben erschienen) noch so zu bieten haben.
Kontakt: www.pushking.ru, www.pushking.eu
www.myspace.com/pushkingofficial
www.facebook.com/pages/PUSHKING/95032838279

Tracklist:
10 Ljet
Depressnjak
Baschka
Poka Ja Schiwu
Hey Jack
Jei, Tam!
Bljus Petschal
Baikerskaja
Schisn W Prowodach
Notschi Polnije
Angel - Ekstremal
Moi Djen
Ja Njenawischu
Bai
Son
Skolko ...
Gorod
 




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