www.Crossover-agm.de PUSHKING: Lutschscheje
von rls

PUSHKING: Lutschscheje   (Swuk)

Diese Best Of beleuchtet die ersten zehn Jahre des Schaffens von Pushking aus St. Petersburg aus Anlaß eben des zehnjährigen Jubiläums der Band. Sechs Studioalben, zwei Best Ofs (bereits in einem sehr frühen Stadium anno 1999 herausgebracht) und zwei Videos standen bis dahin auf der Habenseite der Band um Konstantin "Kocha" Schustarjew (seither ist der Ausstoß neuer Alben kontinuierlich weitergegangen). "Lutschscheje" nun widmet sich ausschließlich dem russischsprachigen Werk der Band (es gibt Alben in englischer und welche in russischer Sprache) und kommt mit 16 Songs auf 78 Minuten Spielzeit, nach deren Hören einem bewußt wird, daß die Vielseitigkeit des 2005er Studioalbums "Poka Ja Schiwu" den früheren Alben noch abgeht und von der dort beschriebenen Mixtur aus Aerosmith und Night Ranger eine Komponente nahezu völlig fehlt, nämlich der Aerosmith-Bluesrock. Den gibt es hier neben Anflügen z.B. in "Manija" (wo die Band gegen Ende hin für ihre Verhältnisse geradezu einen Spielrausch erzeugt) fast nur in "Baschka" zu hören, und das ist der einzige Beitrag von "Poka Ja Schiwu", der es auf diese Best Of geschafft hat. Mit dem Blues ist auch gleich ein großer Teil des Rockfaktors flötengegangen, denn große Teile des Materials klingen recht entspannt (um nicht negativ beladene Termini wie "stromlinienförmig" oder das im Riermaierschen Osteuropa-Lexikon zu lesende "glattgebügelt" zu verwenden, die den Sachverhalt aber auch treffen). Es spricht allerdings für die Band, daß sie es schafft, die Tendenzen des Abkippens ins reine Schlagerfach zu erkennen und noch im richtigen Moment gegenzusteuern. "Siluet" etwa macht bisweilen eher den Eindruck, als stamme es aus dem Songfundus von Roger Cicero (das ist in diesem Kontext nicht als Kompliment zu werten), bekommt aber dann doch noch eine gewisse Tiefe verpaßt, wenngleich die "Nanana"-Gesänge Zeiten des deutschen Schlagers heraufbeschwören, die man im positiven Sinne schon vergessen glaubte. Generell arbeitet die Band viel mit akustischen oder halbakustischen Gitarren, was einem Song wie "Baschmaki" dann fast einen Country-Touch verpaßt und Pushking statt Night Ranger plötzlich Texas Lightning als Sparringspartner beschert. Wenigstens entscheiden die Petersburger dieses Duell für sich, aber auch in der Folge bleiben sie eher beim sanften Westcoastsound, als in den kernigeren Melodic Rock der Marke Night Ranger oder auch Y&T überzuwechseln, wie sie es dann auf "Poka Ja Schiwu" getan haben, dort dann wie erwähnt noch um Bluesrock und zahllose andere Einflüsse erweitert, die man in der zugehörigen Albumrezension nachlesen kann. "Lutschscheje" dagegen ist über weite Strecken eher was fürs Relaxen und könnte in seiner vorliegenden Form problemlos auf jedem dieser 14-49-Formatradiosender laufen, ohne daß ein Hörer frustriert wegen zu hohen Anspruchs abschalten würde - allenfalls erstaunte Anrufe ob der russischen Sprache dürften zu vermelden sein. Wenigstens wird das Interesse des eher härtere Sachen gewohnten Hörers noch durch ein paar Rätselstellen wachgehalten, woher man bestimmte Elemente kennt. Bei Kochas Gesang ist im Direktvergleich zu "Poka Ja Schiwu" keine grundsätzliche Änderung festzustellen, wenngleich die Anpassung an die zurückhaltenderen Klänge unüberhörbar bleibt und die etwas kreischigeren Töne als zweite Stimme in den Hintergrund verbannt wurden (schön zu hören in "Dumka", das zugleich musikalisch einen möglichen Einfluß offenbart: Soul Asylum zu "Runaway Train"-Zeiten). Aber wo die hier in den Keyboards erklingende Tonfolge, die nach Minute drei in den Refrain von "Bai Bai Leningrad" einzutreten beginnt, schon einmal erklungen ist, das knobelt der Rezensent schon länger, und es ist ihm bisher noch nicht eingefallen. "Njet Njet Njet" dagegen läßt sich leichter als etwas aufgeweichte und mit ein paar Orchesterzusätzen aufgepeppte Aerosmith-Ballade der "Get A Grip"-Ära identifizieren. Zu knobeln hat der Rezensent auch noch in "Rasotscharowanije" und in "Pesnja Bjes Slow" (nein, letztgenanntes hat wohl nichts mit Robert Schumanns "Liedern ohne Worte" zu tun). Der erste "richtige" Rocksong nach langer Zeit ist "Kukarratscha", fettes Midtempo mit leichtem Bombastfaktor, zum Schluß die Schlagzahl nochmal verdoppelnd und richtig Begeisterung beim rocksozialisierten Hörer entfachend (plötzlich gibt's da gar noch ein Drumsolo als "Kadenz"), was Pushking mit dem restlichen Material der CD bei dieser Zielgruppe leider nur in überschaubarem Maße gelingt. Dafür freuen sich Jazzer eventuell über die ausgedehnten Saxophonsoli im wieder mal recht relaxten "Bjelaja Pesnja", und einen ganz komischen Zielgruppenspagat schafft vielleicht "Strana Sljepych", denn hierfür könnten sich vielleicht auch Modern Rock-Anhänger (wegen des Schleppgrooves) oder gar gemäßigte Proggies begeistern, letztere allein schon wegen der eingesampelten Kinderstimmen im Refrain, wenngleich die abstruse Genialität von Clawfinger in "Do What I Say" hier nicht erreicht wird (das Saxophon ist hier auch wieder da). Komischerweise ist "Romantitscheskaja" trotz des geringen Energiegehalts weiter Teile der CD die einzige richtige Ballade neben "Njet Njet Njet" und der bis auf kurze Zwischenspiele reinen Akustiknummer "Kolybjelnaja", allerdings wegen der teils verzerrten Vocals in den Strophen auch etwas gewöhnungsbedürftig, wobei der bombastische Refrain wieder einiges herausholt. Unterm Strich bleibt eine eigentümliche Scheibe, die irgendwie weder Fisch noch Fleisch darstellt und bei der man eigentlich gar nicht weiß, wem man sie empfehlen soll - viele Zielgruppen könnten interessante Einzelelemente oder -songs entdecken, aber von anderen Parts eher abgeschreckt werden. Rockfans jedenfalls greifen besser zu "Poka Ja Schiwu", Popanhänger sind vielleicht mit "Lutschscheje" besser bedient.
Kontakt: www.pushking.ru, www.pushking.eu
www.myspace.com/pushkingofficial
www.facebook.com/pages/PUSHKING/95032838279

Tracklist:
Mama
Baschka
Siluet
Baschmaki
Bai Bai Leningrad
Dumka
Njet Njet Njet
Rasotscharowanije
Pesnja Bjes Slow
Brat
Kukarratscha
Bjelaja Pesnja
Strana Sljepych
Romantitscheskaja
Manija
Kolybjelnaja
 




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