www.Crossover-agm.de POWERSURGE: Aftermath
von rls

POWERSURGE: Aftermath   (Battle Cry Records)

Hier nun also Teil 2 der Vergangenheitsbewältigung der Florida-Metaller Powersurge, deren erster Teil auf den Namen "Eye Of The Storm" hörte, kurioserweise bereits den Quasi-Titeltrack des zweiten Teiles, nämlich "Club Aftermath" enthielt und mit "Burning Revenge" schon einen ersten Song der 1989er Studiosessions beinhaltete. Zehn weitere Songs aus dieser Session bilden die erste Hälfte der "Aftermath"-CD - da es insgesamt 19 waren, müssen folglich noch acht fehlen. Einige von denen werden aber mit der zweiten Hälfte der CD noch nachgereicht, denn die enthält neun Songs, die der Ansage nach 1991 bei der Record Release-Party des einzigen zu "Lebzeiten" der Band erschienenen Albums, des selbstbetitelten "Powersurge", mitgeschnitten wurden. Daß es sich hierbei um Liveversionen handelt, dürfte nicht zu bezweifeln sein, aber wenn der Applaus da komplett echt ist, verspeise ich das berühmte Reiningungsgerät, und das aus zwei Gründen. Erstens klingt das Ganze vom Raumfaktor her nicht nach "Club in Tampa", sondern eher nach "mittelgroße Konzerthallhallhalle", und zweitens fällt ein starker Gleichklang des Applauses an verschiedenen Stellen, was beispielsweise Intensitätsschwankungen, Tonhöhe etc. angeht, auf, so daß zu vermuten ist, daß hier ein wenig nachgebessert wurde. Rein musikalisch nimmt der Unterschied zum Studiomaterial allerdings in der Tat keine hohen Werte an, denn dieses wurde ja auch schon "live in the studio" im Morrisound eingezimmert. Daß sich in der stilistischen Ausrichtung über die wenigen Jahre der Bandexistenz hin größere Änderungen ergeben hätten, kann man nicht behaupten, auch wenn man beim ersten Einwerfen der "Aftermath"-CD diesen Gedanken haben könnte, den mit "Snow God" und "Pedal To The Metal" stehen zwei der schnellsten Songs des Bandschaffens gleich am Anfang hintereinander. Aber bald wird klar, daß diese Aufflackerungen nur kleine Ballungen im Rahmen des typischen US-Power Metals der Band darstellen, der zumeist im Midtempo mit gelegentlichen Ausflügen nach oben daherkommt, starke Leadgitarren beinhaltet (man höre mal das auch knapp 20 Jahre nach Entstehung noch coole Solo von "Bullet For A Bad Man") und mit James Marra einen Könner am Mikro weiß, der, wenn man genau hinhört, über die Jahre hinweg ein klein wenig an Spitzenhöhe eingebüßt hat, aber auch unter diesen Bedingungen immer noch eine sehr gute Leistung vollbringt. Neben gelegentlich Iced Earth und Savatage taugen an manchen Stellen auch die legendären Tension mit ihrem "Breaking Point"-Album zum Vergleich - so hätte "One's Nation Revenge" zweifellos auch ins Schaffen von Tom Gattis & Co. gepaßt (und das nicht nur wegen eines Tension-Titels namens "One Nation Underground"). Wir haben also mit Powersurge eine Band vor uns, deren Schaffen als geradezu exemplaisch für eine komplette Szene angesehen werden kann, die sich 1991, als letztlich das einzige Album erschien, schon langsam in den Tiefschlaf verabschiedet hatte und außer von Iced Earth, Savatage, Metal Church und Vicious Rumors nur noch von Europa aus am Leben gehalten wurde, bevor aus dem Underground eine neue traditionsorientierte kraftvolle US-Metal-Bewegung erwuchs, deren Blüte bis heute anhält und dafür mitverantwortlich ist, daß auch die Tondokumente von Powersurge aus der Versenkung geholt wurden. Ob das selbstbetitelte Album noch erhältlich ist, entzieht sich der Kenntnis des Rezensenten, aber sieben seiner zehn Songs kann man im Liveteil von "Aftermath" nachhören, und "Tear Up The Pavement" und "Burning Revenge" stehen in ihren 1986er bzw. 1989er Morrisound-Versionen auf "Eye Of The Storm". So bleibt als einziger Song "Battle Call" außen vor und macht diese CD dummerweise unvollständig - man hätte statt dessen gern auf das sowohl als Studio- als auch als Liveversion vertretene "Wall Of Power" in einer seiner Ausprägungen verzichtet und dafür mit "Battle Call" das Fast-Gesamtschaffen der Band verewigt gesehen. Daß das prinzipiell möglich gewesen wäre, zeigt die Ursprungsreleaseplanung, die man auf der Powersurge-Homepage noch 2007 nachlesen konnte und die "Burning Revenge" und "Battle Call" als Liveversionen beinhaltete. Dafür fehlten dort zwei andere Songs, die man nun in der letztlich realisierten CD-Variante noch zusätzlich zu hören bekommt und von denen es keine Studioversionen gibt: "Things Are Never What They Seem" und "Dirty Little Toy", die sich nahtlos ins Schaffen der Band einreihen. Trotzdem wäre auch mit diesen beiden Songs unter Weglassung von "Wall Of Power" und Hinzunahme von "Battle Call" (die Liveversion von "Burning Revenge" hätte ja auch entfallen können, da es diesen Song auch schon als Studioversion zu hören gab) die Herstellung der Gesamtedition beinahe möglich gewesen. "Beinahe" deswegen, weil es noch einen anderen fehlenden Song geben muß. Insgesamt 37 Songs wurden 1986 bzw. 1989 im Studio eingespielt, dazu kommen die beiden neuen aus dem insgesamt 15 Tracks umfassenden Liveset - das Gesamtschaffen der Band besteht also aus 39 Songs; die beiden CDs enthalten aber summiert nur 38 Tracks, davon "Wall Of Power" in zwei Versionen, folglich 37 Songs. Was da außer "Battle Call" noch fehlt, ist mir nicht bekannt und wäre mal wieder eine Aufgabe für Metalhistoriker (oder für Menschen, die die Releases von OPM Records besitzen und dort nachschauen können, ob sich der "verlorene Sohn" noch findet). Dieser Zunft sei der Erwerb von "Aftermath" ausdrücklich empfohlen, aber man kann auch ohne explizit historische Herangehensweise Gefallen am Material von Powersurge finden, wobei "Aftermath" von den beiden CDs mehr Hörspaß macht, da erstens die musikalische Spannweite einen ganz kleinen Tick breiter geworden ist (man suche mal die kleinen versteckten Blueslicks in der Gitarrenarbeit von "Voltage Rider" und dem programmatisch betitelten "Heavy Metal Blues"!) und zweitens die Liveversionen einen guten Eindruck vom Spielspaß vermitteln, den diese Truppe auf der Bühne hatte (die unechte Atmosphäre kann man außer in der schönen Halbballade "Call Me", wo sie wirklich rapide stört, gedanklich problemlos ausblenden). Das Booklet ist bis auf die Songtexte übrigens mit dem in "Eye Of The Storm" identisch - das hätte man dann doch noch etwas eleganter lösen können, z.B. mit detaillierteren Herkunftsangaben der Songs (man erinnere sich an die archäologische Arbeit, die der Rezensent im Review zu "Eye Of The Storm" leisten mußte), wenngleich das Interview mit Bassist Todd Dyer natürlich kaum teilbar ist. Trotzdem: Die Zielgruppe weiß, was zu tun ist, und auch außerhalb der Zielgruppe darf man "Aftermath" gern mal antesten.
Kontakt: www.battlecryrecords.de, www.powersurgemusic.com

Tracklist:
Snow God
Pedal To The Metal
Flying Tigers
Free Base
Stepping Stone
Bullet For A Bad Man
One Nation's Revenge
Fate
Voltage Rider
Heavy Metal Blues
Wall Of Power
Words
Shockwave
Stress Attack
Call Me
Engine Rail
Things Are Never What They Seem
Pulled Over
Dirty Little Toy



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