www.Crossover-agm.de PILOT: Sodruschestwo
von rls

PILOT: Sodruschestwo   (Tempstar Records)

In siebzehn Jahren Bandexistenz haben es Pilot bisher auf ebensoviele Tonträgerveröffentlichungen gebracht - eine durchaus stolze Quote, auch wenn die Schlagzahl in der jüngeren Vergangenheit durchaus markant gesunken ist: "Sodruschestwo" ist das 15. dieser 17 Werke, Nr. 16 und 17 besitzt der Rezensent bisher nicht (das 17., anno 2013 erschienen, trägt übrigens genau den gleichen Titel "13" wie die Black-Sabbath-Veröffentlichung dieses Jahres), aber zwischen 15 und 16 sowie zwischen 16 und 17 liegen jeweils zwei Jahre. Der Status der Band in ihrer russischen Heimat scheint allerdings ungebrochen hoch zu sein - immerhin spielt man jeden Winter ein Geburtstagskonzert in einer sehr großen Halle in St. Petersburg, so auch 2014 wieder. Chef der Band ist eindeutig Sänger Ilja, während mit Bassist Stanislaw anno 2013 das letzte neben ihm verbliebene Gründungsmitglied von 1997 die Band verlassen hat, und auch der langjährige Drummer, der 2000 eingestiegen war, ist seit 2013 nicht mehr dabei. Auf "Sodruschestwo", 2009 erschienen, sind beide also noch zu hören. Die 58 Minuten entpuppen sich als Konzeptalbum in siebzehn Teilen, wobei reguläre Songs von Soundcollagen oder anderen Zwischenspielen, zu denen jeweils eine Textrezitation stattfindet, verbunden werden. Worum es genau geht, das erschließt sich nur dem Kenner der russischen Sprache, denn in dieser sind alle Texte gehalten - alle anderen sind auf Vermutungen angewiesen, die sich beispielsweise auf das Cover gründen könnten, das eine künstlerische Mixtur aus den Jahresringen einer Baumscheibe sowie den Linien von Nazca, die in der Prä-Astronautik eine wichtige Rolle spielen, darstellt. "Mixtur" ist auch musikalisch ein gutes Stichwort, denn Pilot entpuppen sich als Crossover-Band im ursprünglichen Sinne des Wortes, die zwischen den Stilen munter hin und her springt. Nehmen wir nur mal die ersten drei regulären Songs her: "Jedinoschdy Odin" versieht moderne Rockmusik mit einem folkigen Unterton, "Ljubow, Istina I Swjet" stellt Nu Metal der zugänglicheren Sorte dar, und "Nascha Sila" wildert im Melodic Rock, allerdings nicht der Achtziger-Prägung, sondern einer stärker durch Bands wie Nickelback beeinflußten Sorte. In welchem Rahmen die musikalische Ausrichtung jeweils durch die Story bedingt ist, erschließt sich logischerweise nur dem Detailversteher der letzteren, aber wer das Album einfach so durchhören will, sollte sich nicht gerade zur Fraktion der stilistisch Festgefahrenen zählen. Auch Iljas Gesang paßt sich dieser Vielfalt an - zumeist ertönt Klargesang, aber er kann's durchaus auch etwas rauher. Ob die gelegentlichen Folkelemente, die sich auch in der Gestaltung der Zwischenspiele wiederfinden, von Bandmitgliedern oder Gästen übernommen werden, läßt sich der vorliegenden Pressung des Albums, die der Rezensent 2011 in einem Plattenladen in Naltschik, der Hauptstadt der Kabardino-Balkarischen Autonomen Republik, erstanden hat, nicht entnehmen - sie besteht lediglich aus einer Covercard und der Inlaycard, und auf letzterer findet sich lediglich die Tracklist, während die Rückseite der Covercard einem Bandfoto gehört, das fünf Gestalten zeigt, die man eigentlich in einer Boygroup und nicht in einer Rock- oder gar Metalband vermuten würde. Zumindest "Odin Schag" legt die Existenz von Gastmusikern zwingend nahe, denn hier mischen Pilot in für ihre Verhältnisse sehr harten Metal plötzlich einen Kinderchor ein, eine klassische Idee von Clawfinger ("Do What I Say") auf geschickte Weise abwandelnd. "Prowoschatj" wiederum beginnt als reine Klavierballade, in die sich später noch eine schöne Leadgitarrenlinie einfügt und ganz zum Schluß auch noch ein kurzer Folkrockpart mit Geigendominanz hinzutritt - damit hätten Pilot auch in den Mainstreamcharts punkten können, und vielleicht haben sie das auch getan, wobei sie dann mit dem Mr.-Big-Effekt rechnen mußten (selbige Truppe war bekanntlich mit der Akustikballade "To Be With You" populär bekannt geworden, aber die Mainstreamhörerschaft reagierte auf ihren kernigen Hardrock, den sie üblicherweise zu spielen pflegte, eher irritiert), so daß vielleicht das wieder modern melodicrockende, aber auch ein wenig U2-Schlagseite besitzende "Sweri" die geeignetere Auskopplung gewesen wäre, das freilich einen bombastischen, aber von der Hauptmelodieführung irgendwie nicht so richtig mitreißenden Refrain besitzt, was den Song als solchen nicht schlechter, aber eben weniger zugänglich macht. In "Tschelowjek I Pjos" werfen Pilot dann alle Stilistika zusammen, addieren noch siebziger- und achtzigerkompatible Keyboardparts und landen nicht zwischen allen Stühlen, sondern erschaffen einen tatsächlich hochinteressanten Crossover-Sound, den sie im letzten regulären Song "My Jest To" in einem ganz anderen Mischungsverhältnis noch ein weiteres Mal evozieren, bevor sie das Outro "Probuschdenije" noch mit Klängen ausklingen lassen, die man in ähnlicher Form, nur mit einer anderen "Leadmelodie", von Anathemas "Dreaming: The Romance" in Erinnerung hat. "Sodruschestwo" ist jedenfalls auch unabhängig vom Verständnis des Konzeptes her ein interessantes Album für vielseitig interessierte Rockfans. Wer nicht gerade selber nach Rußland reisen will, um es oder eines der anderen sechzehn zu ergattern, findet auf der untenstehenden Homepage auch eine ganze Menge Material zum Download.
Kontakt: www.pilot.spb.ru

Tracklist:
Jestjestwo
Jedinoschdy Odin
Kolodjez
Ljubow, Istina I Swjet
Otlitschije I Pamjatj
Nascha Sila
Sjem Podsjemnych Koroljei
Odin Schag
Reka I Kamjen
Prowoschatj
Kikimory I Prinzessy
Sweri
Katscheli
Tschelowjet I Pjos
Diablero
My Jest To
Probuschdenije
 




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