www.Crossover-agm.de ODIOUS: Mirror Of Vibrations
von rls

ODIOUS: Mirror Of Vibrations   (Sleaszy Rider Records)

Und wieder eine Länderlücke sowohl in der eigenen CD-Sammlung als auch bei den CD-Reviews von CrossOver gefüllt: Diese Odious hier, nicht zu verwechseln mit einer gleichnamigen deutschen Band, kommen - Tusch! - aus Ägypten, also einem Land, das als eines der fortschrittlicheren der arabischen Welt gilt, in dem man als einheimischer Metalfan oder gar -musiker aber trotzdem nichts zu lachen hat, wenn man in der Öffentlichkeit als solcher erkennbar ist. Davon lassen sich Odious allerdings offensichtlich nicht beeindrucken, und nach zwei Demos liegt nun auf einem griechischen Label das Debütalbum "Mirror Of Vibrations" vor, das gegenüber den früheren Klängen etwas gewandelt herüberkommt: Das Quintett hat als Doom Metal-Band begonnen, ist mittlerweile aber im melodisch-sinfonischen Black Metal gelandet. Daß einer der Musiker auf dem Bandfoto ein Dimmu Borgir-Shirt trägt, ist also durchaus programmatisch zu verstehen; das Bandlogo auf dem Shirt eines zweiten Musikers ist nicht zu entziffern, dürfte aber typographisch betrachtet durchaus in eine ähnliche Richtung weisen. Nun nehmen Odious aber nicht nur einfach eine nordeuropäische Vorlage her und kopieren diese, sondern gehen einen ähnlichen Weg wie Orphaned Land: Sie kombinieren die metallische Komponente mit Elementen arabischer Musik und erschaffen daraus einen höchst eigenwilligen, eigenständigen und originellen Klangkosmos. In der Endabrechnung dominiert der Metal zwar, aber seine Melodien beispielsweise sind deutlich an arabische Skalen angelehnt, und immer wieder streuen die Musiker Passagen auf traditionellen Instrumenten ein. Das betrifft einerseits die orientalische Percussion, für die Drummer Rami Magdi mit verantwortlich zeichnet, andererseits aber auch der Oud, also die orientalische Kurzhalslaute, von Leadgitarrist Mohamed Hassan mit nicht weniger großer Meisterschaft als die Leadgitarre gespielt. Das ergibt dann beispielsweise Passagen wie in "Deaf And Blind Witness", dort relativ ausgedehnt zu hören: Magdi spielt orientalische Percussion und Hassan Oud, Rhythmusgitarrist Mohamed Lameen und Bassist Alfi Hyati addieren dazu ihre Instrumente, und Bassem Fakhri legt seinen typischen Kreischgesang darüber. Die Mixtur ist sicherlich gewöhnungsbedürftig und bedarf zur Erschließung mehrerer bis vieler Hördurchläufe, aber im Zeitalter des "anything goes" sollte das kein entscheidendes Problem mehr sein, und gerade der Personenkreis, der sich im Metal immer beklagt, daß alles gleich klinge und es keine Innovationen mehr gäbe, sollte sich der Mixtur von Odious mit offenen Ohren nähern. Freilich, innovativ ist das Gemisch der Band auch nicht mehr so ganz hundertprozentig, denn die Ägypter können zweifellos auf die Pionierarbeiten der Türken Pentagram/Mezarkabul und der Israelis Orphaned Land bauen, und gerade letztgenannte haben, von der metallischen Basis ausgehend, diese ja schrittweise zu verlassen begonnen und völlig eigenständige Klangkosmen aufgebaut - ein Weg, auf dem Odious, wenn sie ihn ebenfalls gehen wollen, noch am Anfang stehen. Aber für ein Debütalbum sind die fünf Ägypter schon erstaunlich weit, und Ideen für die knapp 52 Minuten flogen ihnen offensichtlich zu wie die berühmten Tauben im Schlaraffenland. Bei der Kanalisierung legten sie allerdings großen Wert auf logische Strukturierung und Nachvollziehbarkeit. Wenn es in einem Song eines geradlinigen Metalparts ohne jeglichen arabischen Einfluß bedurfte, dann wurde der eben eingebaut, beispielsweise als Hauptstrukturelement des in den Strophen dann wieder die Oud auspackenden "Invitation To Chaotic Revelation". Einzelne Songs herauszuheben fällt allerdings schwer - "Hits" des extremeren Metal haben Odious nicht geschrieben, aber das war scheinbar auch nicht ihr Ziel. Auch von Zutaten wie Klargesang, hymnischen Refrains etc. halten sie sich konsequent fern. Vielleicht kommt sowas auf Folgealben zum Zuge - die Entwicklung dieser Band sollte der an abwechslungsreichen Klangwelten interessierte Metaller jedenfalls im Auge behalten. Ihre Heimatverbundenheit bringen Odious auch mit dem Artwork zum Ausdruck, in dem heimische Wandverzierungen eine strukturdeterminierende Rolle spielen, und der Spruch "Guardians of the oriental flame" ist in diesem Zusammenhang nicht als bloßes Lippenbekenntnis zu werten - Odious sind so eine Art Kulturbotschafter ihres Landes, auch wenn die Offiziellen ihres Landes das wohl eher nicht so gern sähen, wenn sie davon nähere Kenntnis besäßen. Die Dankesliste enthält an erster Stelle übrigens in Großbuchstaben Gott, wobei hier sicherlich dessen orientalischer Stellvertreter Allah gemeint sein dürfte. So entfaltet sich ein interessanter musikalischer Kosmos, von der Band selbst im heimischen Alexandria professionell produziert und dank des griechischen Labels auch problemlos in mitteleuropäischen Breiten erhältlich, ohne daß man den Untergrund Ägyptens durchgraben müßte. Empfehlung!
Kontakt: www.myspace.com/odiousegypt, www.sleaszyrider.com

Tracklist:
Silver Sea
Poems Hidden On Black Walls
Deaf And Blind Witness
For The Unknown Is Horrid
Invitation To Chaotic Revelation
Smile In Vacuum Warnings
Split Punishment
Upon The Broken Wing
Dilemma
 




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