www.Crossover-agm.de NECROMANCE: Tribulation Force
von rls

NECROMANCE: Tribulation Force   (Pleitegeier Records)

Runhardt Scheffler und seine auf zwei Positionen umbesetzte Hintermannschaft holen zum dritten CD-Streich aus (nachdem bereits Gerüchte kursierten, man habe die Band in einem Felsengrab zur ewigen Ruhe gebettet, ohne an eine Auferstehung gedacht zu haben). Wer angesichts des Wechsels an der Drumposition entscheidende "Back to the roots"-Anwandlungen vermutet, liegt definitiv falsch. Zwar ist Jean Schulze wieder dabei (der in der deathmetallischen Frühphase schon einmal zur Band gehörte) und verbannt Murd Retupmoc damit in den Ruhestand, aber er hat sich dessen Drumsound zu Herzen genommen, und somit klingt das Schlagzeug auf den zehn Songs von "Tribulation Force" an vielen Stellen recht steril, was wirkungsvoll mit der stilistischen Ausrichtung eines Teils der Scheibe korrespondiert. Industrialbeeinflußter Gothic kommt beispielsweise im Titelsong nach wie vor zum Tragen, wurde aber im Vergleich zum 18minütigen "Wiederkehr der Schmerzen" bedeutend nachvollziehbarer gehalten, ohne deshalb gar zu lieblich zu werden. Für letztgenannten Zweck gibt's ja auch die romantische Seite der Band, die sich (trotz des effektgeladenen Unterbaus und gar nicht so geringer Tempi außerhalb der Strophen) am deutlichsten im sechsminütigen "Eternal Life" manifestiert, den bereits aus Tracks wie "Genezareth" bekannten harmonischen Gitarren phasenweise eine wohlige Wärme entlockend, die der weibliche Gesang mit Johannes 3.16 "For God so loved the world that he gives his one and only son that who ever believes in him shall not perish but have eternal life" als Refrain nur noch verstärken kann (als Kontrast steht das bitterkalte Instrumental "Schwarze Sonne" gleich hintendran, und die insgesamt knapp 16 Minuten umspannenden Songs "The Beast", "He Is Risen" und "Der Schläfer" am Stück durchzuhören erfordert ebenfalls Nervenkraft). Selbiger weiblicher Gesang markiert übrigens die zweite Umbesetzung, denn anstelle von Sandra Bogdan ist nun Raphaela Poltermann mit von der Partie, die dankenswerterweise ihrem Nachnamen keine Ehre macht, sondern eher im Stile von Liv Kristine Espenaes auf den frühen Alben von Theatre Of Tragedy agiert. Textlich dagegen hat sich nicht viel geändert - ein Teil der mal englischen, mal deutschen und größtenteils auch übersetzten Lyrics stammt immer noch direkt aus der Bibel, und der Rest zeugt von intensiver Auseinandersetzung speziell mit der Offenbarung, verkneift sich aber auch ganz leise gesellschaftskritische Anflüge nicht, wofür der sehr kurze Text des Closers "Under The Sign Of The Pyramid" als Exempel dienen mag: "Prepared is war / Unavoidable is war / Profitable is war / Right and justified - the war!" Läßt sich auf verschiedenste Situationen der heutigen Weltsituation trefflich anwenden, nicht wahr? Und dabei wurde der Track lange vor dem 11. September 2001 geschrieben, eingespielt und veröffentlicht ("Tribulation Force" ist bereits seit der ersten Jahreshälfte 2001 erhältlich). Zwei entscheidende Fortschritte können sich Necromance mit dieser CD allerdings dick auf ihrem Pluspunktkonto gutschreiben lassen. Zum ersten hat Lutz Demmler (Umbra Et Imago) produziert (UEI-Mozart soll auch seine Finger mit im Spiel gehabt haben, was dem Material dankenswerterweise aber nicht geschadet hat, so dem so ist - im Infoblatt steht's, auf der CD ist er aber nicht mit vermerkt), was zu einem gut ausbalancierten Sound geführt hat, der dem von "White Gothic" und "Wiederkehr der Schmerzen" ein beträchtliches Stück überlegen ist (auch wenn ich die Soundverhältnisse dieser CDs keineswegs schlecht finde, nur etwas zu höhenlastig). Diese Investition darf sich auf jeden Fall das Prädikat "hat sich gelohnt" umhängen. Und dann punkten Necromance diesmal auch entscheidend im Gothic Metal-Genre, nachdem sie ja schon immer ein wenig in diese Richtung geschielt haben (höre exemplarisch "The Year Of Our Lord" von "Wiederkehr der Schmerzen"). Aber heuer haben sie drei richtige Hits geschrieben: den sechsminütigen Opener "Wohl angetan von dieser Welt" (kapitaler Refrain!), das anderthalb Minuten kürzere, aber ansonsten analogen Prinzipien gehorchende "The Beyond" und der einzige nicht von Chefe Runhardt, sondern von Keyboarder René Schwulera geschriebene Song "I Believe" mit einer wunderbaren warmen Baßlinie, Kirchenorgelimitationen und wiederum einem prächtigen, weiblich ausgeprägten Refrain: "I believe you are the Christ, the son of God who was to come into this world". Manchem wird diese Facette des Schaffens von Necromance fast schon zu massenkompatibel vorkommen, aber andererseits hätten die Spremberger hier die Chance, richtige Hits zu landen und vielen Leuten ihre Botschaft weiterzugeben. Und es ist doch besser, wenn das Publikum "I believe you are the Christ" mitsingt als irgendwelchen Finsterquatsch. Angesichts der geringen Marktmacht von Pleitegeier Records wird das Knacken eines größeren Marktes zwar sehr schwierig, aber im Prinzip müßten Necromance nur mal auf dem Wave Gotik Treffen an etwas auffälligerer Position spielen. Gönnen würd' ich's ihnen jedenfalls von ganzem Herzen. "Tribulation Force" ist ein Pflichtkauf für jeden, der bereits die Vorgängeralben sein eigen nennt, und sollte darüber hinaus mal von jedem Gothic-, Industrial- und/oder Düstermetalanhänger angetestet werden.
Kontakt: Pleitegeier Records, Hirschstraße 19, 76133 Karlsruhe, www.pleitegeier.com oder direkt über Runhardt Scheffler unter Tel. 035751-20398, http://members.tripod.de/necromance/



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