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von rls

MÜNCHENER FREIHEIT: Music & Video Stars   (Sony)

Lange keine Münchener-Freiheit-Best-Of-CD in der Hand gehabt ... Der CrossOver-Stammleser kennt diese Einleitung natürlich schon, denn sie stammen aus der Rezension zur 2011 erschienenen und schlicht "Best Of" betitelten CD, die Sony noch etwas Kapitalzufluß im Zuge der 30jährigen Jubiläumsfeierlichkeiten der Band bescheren sollte. Der Kauf ebenjener CD wird mit "Music & Video Stars" nun allerdings obsolet (sofern er das nicht von vornherein schon war - über die Gründe lese man in der zugehörigen Rezension nach), denn der CD-Teil dieses Doppelscheibenpackages ist exakt mit der besagten 2011er CD identisch. Wer sich jetzt also gezwungen sieht, die neue Doppelscheibe zu kaufen, kann die 2011er Scheibe bei Ebay versteigern oder sie an Menschen des Umfeldes, deren guter musikalischer Geschmack einer Verschüttung zu unterliegen drohte, weiterverschenken (über die möglichen Gründe für den eingeschobenen Nebensatz kann man gleichfalls Gedanken im erwähnten Review finden).
Das Interessante am Doppelpackage sind nämlich die 85 Minuten der zweiten Scheibe, einer DVD mit 25 Fernsehmitschnitten aus den Jahren 1984 bis 1999. Mit so etwas wie einem Menü oder Untertiteln haben sich die Macher bei Sony gar nicht erst aufgehalten, sondern einfach nur die 25 Clips nacheinander auf die DVD gepackt, und wenn Einblendungen kommen, dann sind das die originalen aus den damaligen Sendungen. Die ZDF-Hitparade ist mit sieben Clips am stärksten vertreten, dicht gefolgt von Formel eins mit sechs Filmen, aber es finden sich auch Obskuritäten wie der ZDF-Wintergarten oder Kultklassiker wie Peter's Pop-Show oder Die Pyramide, die jeweils einmal zum Zuge kommen. Geordnet sind die Clips chronologisch, beginnend mit "Oh Baby" aus der Hitparade vom 25. August 1984 (da ist wie auf dem zugehörigen Drittwerk "Herzschlag einer Stadt" schon die Besetzung mit Michael Kunzi am Baß und Alex Grünwald an den Keyboards am Werkeln - es gibt also keine Aufnahmen mit Bassist Freddie Erdmann oder gar Drummer Günter Stolz aus der Embryonalzeit der Band) und endend mit "Schuld war wieder die Nacht", ebenfalls aus der Hitparade, allerdings vierzehneinhalb Jahre später, nämlich am 20. Februar 1999. Und es macht für den Anhänger der Band einen Riesenspaß, die Entwicklung zu verfolgen. Exzellente Musiker waren sie ja schon immer, aber die optische Präsentation war über die Jahrzehnte hinweg doch manch Änderungen unterworfen, abgesehen davon, daß die natürlichen Alterungsprozesse auch an einer erfolgreichen Poprockband nicht vorübergehen (spätestens in "Dann versinkt die Welt in Schweigen" von 1998 werden die ersten grauen Haare bei Zauner und Kunzi unübersehbar). Und die modischen Sünden der Achtziger bekommt man hier quasi in kompletter Geballtheit vorgesetzt, nicht nur von den Musikern selber, sondern beispielsweise auch in Gestalt von Viktor Worms' buntem Pullover in der Anmoderation zu "S.O.S." anno 1985. Auch über die Frisurenmode kann man wunderbare Analysen anfertigen: Drummer Rennie Hatzke über die Jahrzehnte hinweg fast ohne jegliche Veränderung, Kunzi kürzer werdend (und die Achtziger-Stilelemente als letzter ablegend), Gitarrist Aron Strobel dafür immer länger, Sänger Stefan Zauner schrittweise "gerundeter" und Grünwald schließlich auch schrittweise immer kürzer, dafür in den letzten Clips aus den Spätneunzigern aber plötzlich deutlich blondiert. (Nebenbemerkung: Stefanie Tücking sieht auch aus wie eine Kreuzung von Tina Turner und Tamara Danz an einem ganz schlechten Tag.) Und dann wäre da noch die Sammlung der Bühnenaufbauten, bei denen man sich hier und da schon fragt, was die Kreativabteilung vorher geraucht hat, etwa bei den gelben Schläuchen in "Einfach wahr" oder der roten Treppe, auf der Kunzi plaziert wurde, in "Schenk mir eine Nacht", während die vielen rotierenden Elemente in "Diana" oder "Liebe auf den ersten Blick" durchaus zeittypische Fortschrittsgläubigkeit der Technikfraktion widerspiegeln können, bevor diese dann spätestens in den Neunzigern einer gewissen Ernüchterung wich. Aber über Einzelelemente wie das eine Auge im Hintergrund von "Liebe auf den ersten Blick" darf man lange philosophieren. Wer sich statt dessen lieber Gedanken macht, wo Gesang vom Band kommt und wo live gesungen wird, der findet hier viel Studienmaterial (man höre vor allem in den frühen Hitparaden-Aufnahmen nach, etwa in "S.O.S." und "Herzschlag einer Stadt"). "Oh Baby" enthält als einziger der Clips eine Gastmusikerin, nämlich eine Saxophonistin, die allerdings eher durch optische als durch musikalische Komponenten auf sich aufmerksam macht. Später hat Grünwald gelegentlich ein Saxophon bei sich, auch in Songs, wo es in den gewählten Ausschnitten gar nicht zum Einsatz kommt. Apropos Ausschnitte: Die meisten Songs sind auf ein Drei- bis Dreieinhalbminutenformat zusammengestrichen (die Angabe "5:55" bei "Es gibt kein nächstes Mal" stellt sich als Druckfehler heraus), während als eines der wenigen Gegenbeispiele "Ihr kommt zu spät" in voller Ausspielung mit Intro und Outro erklingt. Die meisten Songs sind von den Studioalben hinreichend bekannt, aber es gibt zumindest zwei Raritäten zu hören: "Komm zurück" erschien zwar als Studiofassung auf einer Single, um das 1991er Livealbum zu promoten, schaffte es aber auf kein Studioalbum, und "Viel zu weit", mit dem die Band 1993 beim Grand Prix antrat, blieb für das Folgealbum "Energie" unberücksichtigt, wohl aufgrund des eher mäßigen Erfolgs beim Wettbewerb. Zu diesem gibt es noch ein interessantes Interview, das nach der Darbietung des Songs (in kammermusikalischem Kontext mit Grand Piano und fünf Streichern) noch live auf der Bühne geführt und vier Wochen vor dem Wettbewerb in "Menschen 1993" gesendet wurde (also ungewöhnlicherweise im April - normalerweise kommen solche Sendungen ja als Jahresrückblicke). Und ansonsten darf man sich noch auf die Suche nach ein paar Kuriositäten machen. Da sitzt in "Du weißt es, ich weiß es" eine völlig außertaktmäßig mitklatschende Dame rechts neben der Bühne, da kriechen im ZDF-Wintergarten links hinten ein paar Leute durch die Absperrung in der Weihnachtsbaumplantage, da steht Hatzke in den Fills in "Dann versinkt die Welt in Schweigen" auch schon mal auf, da spielt Kunzi in "Verlieben Verlieren" einen eigenartig designten Stehbaß, da ignoriert der Hitparaden-Regisseur in "Liebe, Lust und Leidenschaft" den wilde Keyboardläufe einwerfenden Grünwald fast völlig, da inszeniert der gleiche Posteninhaber vor "Verlieben Verlieren" einen Autounfall (!) im Studio (!!) zwischen Kai Böcking und der Band, da spielt Strobel in den Achtzigern diverse sehr gewagte Gitarrenmodelle, u.a. ein gezacktes, vor dem selbst die diversen Achtziger-Metaller zurückgeschreckt wären, da winkt Hatzke während des Interviews nach "Viel zu weit" fröhlich in die Kamera, und wer auf schwitzende Männer steht, wird an dieser Stelle ganz besonders glücklich ... Die DVD ist also ein kulturhistorisches Erlebnis, und daß die Musik sowieso für sich selbst spricht, muß sicherlich nicht extra betont werden. Und wer noch mehr Modesünden der 80er sucht, wird sicherlich bei Modern Talking fündig, von denen es ein gleichartiges Package gibt (des weiteren noch im Sortiment: Boney M., Wolfgang Petry, Roland Kaiser, Nena, Juliane Werding, Peter Alexander, Die Flippers und last but not least Roger Whittaker).
Kontakt: www.muenchener-freiheit.info, www.sonymusic.de

Tracklist:
CD:
Oh Baby
Ohne dich (schlaf' ich heut' nacht nicht ein)
Tausendmal du
Es gibt kein nächstes Mal
Herz aus Glas
Ich steh' auf Licht
Herzschlag ist der Takt
Everytime
S.O.S.
Rumpelstilzchen
Aus und vorbei
Ohne dich (schlaf' ich heut' nacht nicht ein) - Maxi Version
Hit-Mix - Extended Version

DVD:
Oh Baby
S.O.S.
Herzschlag ist der Takt
Ohne dich
Tausendmal du
Es gibt kein nächstes Mal
Herz aus Glas
So lang' man Träume noch leben kann
Bis wir uns wiederseh'n
So heiß
Diana
Verlieben Verlieren
Ich will dich nochmal
Ihr kommt zu spät
Komm zurück
Liebe auf den ersten Blick
Einfach wahr
Viel zu weit
Du bist Energie für mich
Du weißt es, ich weiß es
Schenk mir eine Nacht
Komm doch zu mir
Liebe, Lust und Leidenschaft
Dann versinkt die Welt in Schweigen
Schuld war wieder die Nacht



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