www.Crossover-agm.de WILFRIED MENGS: Alles Liebe
von rls

WILFRIED MENGS: Alles Liebe   (Laura Records)

Eine Art Best-Of? Vielleicht - aber eine, die einem Konzept unterliegt, das der Titel schon klarmacht: Liebe, was durchaus auch deren Fehlen einschließt ("Kindersoldat") und eine umfangreiche Bandbreite von Herangehensweisen ermöglicht: romantisch, skurril, resignativ, optimistisch-kraftvoll ... ich denke, ich kann mir weitere Attribute ersparen. Mengs hat tief im Archiv gewühlt, die 14 Tracks aber offenbar allesamt oder zumindest größtenteils neu eingespielt (ob einige von ihnen schon auf seinen frühen Tonträgern veröffentlicht wurden, habe ich gerade nicht im Überblick - von "Jahreszeiten" und "Ballonfahrt" jedenfalls ist auf "Alles Liebe" nichts vertreten, obwohl sich auf erstgenannter Scheibe mit "Willi der Barde" oder dem programmatisch betitelten "Ein Liebeslied (Mein Sohn)" durchaus aussichtsreiche Kandidaten befinden). "Sadako" ist mit seiner Entstehungszeit 1982 der älteste vertretene Song, zugleich ein Beispiel, wie man sich als Liedermacher in der DDR eine gewisse Nische samt des entsprechenden Freiraumes verschaffen konnte, denn gegen die japanische Friedensbewegung und die Ächtung der Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki konnte staatlicherseits nun wirklich niemand etwas einzuwenden haben - "Sadako" besetzt diese Nische eindrucksvoll und verrät doch nichts von etwaigem Kalkül, spricht vielmehr von ehrlicher Anteilnahme am Schicksal des strahlenkranken Mädchens, das im Krankenbett 1000 Papierkraniche als Zeichen der Hoffnung falten wollte (sie hat es nicht mehr geschafft, diese Aufgabe zu vollenden). "Kleiner Kamerad Kindersoldat" und "Lebenslohn", beide erst im 21. Jahrhundert entstanden und in der Tracklist unmittelbar nacheinander plaziert, schlagen thematisch ebenfalls in die Friedensbewegungskerbe, ohne aber plumpe Anbiederungsversuche zu unternehmen - beide sind auch schöne Eckpunkte für Mengs' Herangehensweise an die Sujets, nämlich mal sehr metaphorisch ("Lebenslohn"), mal mit einer überdeutlichen und konkreten Aussage ("Kleiner Kamerad Kindersoldat" - übrigens auch musikalisch durch die Divergenz zwischen der martialischen Strophe und dem harmoniebedürftigen Refrain erstklassig umgesetzt). "Unbekannte Liebe", ebenfalls ein sehr alter Song (1983), läßt ganz leichte Anklänge an das historische Bardenwesen durchschimmern (mit "Willi der Barde" hat Mengs zwischenzeitlich ja auch schon die komischen Seiten dieser Ausrichtung ausgelotet, hier geht's noch eher romantisch zu), während der "Handykiller" 1983 noch nicht entstehen konnte, weil damals niemand wußte, was ein Handy eigentlich ist (in der DDR schon gar nicht - zu der Zeit hatte der VEB Robotron noch ganz andere Sachen zu entwickeln). Der Song könnte sich durchaus zur unverzichtbaren Livehymne entwickeln (da ließen sich auch schöne Showeffekte einbasteln, wenn der besungene Hammer auf das Handy niedersaust). "Aufbruch (Ich liebe Dich)" ist eine der schönsten Liebeserklärungen an den Partner, mit dem man seit x Jahren gemeinsam durchs Leben geht, und "Lisa und der Clown" sollte ein Paradebeispiel für die Kinderkliniken dieser Welt sein, wie man unkonventionelle Heilungsunterstützungsmethoden einsetzen kann (das Lied ist dem Klinikclown der Kinderkrebsstation der Kinderklinik Jena gewidmet - Mengs' Tochter Laura befand sich selbst mal in einer analogen Situation). Angesichts so viel musikalischen und inhaltlichen Lichts sollte man auch den leichten Schatten nicht verschweigen (monotoner Sprechgesang samt entsprechender musikalischer Untermalung ist nicht Mengs' Stärke, wie "Du musst nur ehrlich sein" beweist, und "Frühlingsgewitter" verliert vor textlichen Bildern ein wenig die Orientierung, wenngleich gerade ich das Szenario durchaus nachvollziehen kann). Musikalisch war Mengs bekanntlich noch nie ein Verfechter der simplifizierten Liedermachermethode Gesang plus Gitarre - Drummer/Percussionist Johannes Pöhlmann als Dauerpartner von Mengs trägt ebenfalls viel zum Gelingen der Songs bei, und eine Kohorte anderer Gastmusiker sorgt bei einzelnen Songs für besondere Klangfarben, wie etwa Mengs' Tochter Sarah mit traumhafter Flötenarbeit in "Sadako" (dummerweise ist die Trackzuordnung in der Liste ein wenig durcheinandergeraten); daß der Schalmeispieler ausgerechnet auf den Namen Jörg Pfeifenbring hört, mag skurriler Zufall sein. Daß einige wenige Reime ebenfalls (meist wohl ungewollte) skurrile Elemente beinhalten, ist man von Mengs gleichfalls gewöhnt (wobei diese Passagen in "Lisa und der Clown" Absicht sein dürften), aber ein Klasseblues wie "Gefundene Liebe (Der Fetzen deines Kleides)" oder der traumhaft eskapistische Closer "Silbermond" machen alle diesbezüglichen kleinen Umfaller locker wieder wett, und so zementiert der Thüringer auch mit "Alles Liebe" (simples, aber ausdrucksstarkes Cover übrigens) seinen Status als wichtiger Bestandteil der deutschen Liedkultur.
Kontakt: www.wilfried-mengs.de, www.laurarecords.de

Tracklist:
Auf weißen Schwingen
Unbekannte Liebe
Handykiller
Lieb mich wie ein warmer, weicher Wind
Kleiner Kamerad Kindersoldat
Lebenslohn
Aufbruch (Ich liebe Dich)
Du musst nur ehrlich sein
Lisa und der Clown
Frühlingsgewitter
Frauenquelle
Sadako
Gefundene Liebe (Der Fetzen deines Kleides)
Silbermond
 




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