www.Crossover-agm.de WILFRIED MENGS: Jahreszeiten
von rls

WILFRIED MENGS: Jahreszeiten   (Laura Records)

Man kann Vivaldi heißen, um das Thema "Wechsel der vier Jahreszeiten" zu behandeln. Man kann auch Evereve heißen. Oder eben Wilfried Mengs. Letztgenannter zieht das Konzept allerdings nicht strikt durch, sondern hat auch einige Songs geschrieben, die zu fast jedem Monat passen würden, den logischen Fluß aber nirgendwo unterbrechen. Prächtigstes Exempel für diese Kategorie von Songs ist das VW-Lied "Autoclub St. Christophorus", das an dritter Stelle mitten im Frühling seinen Reiz entfaltet (man kennt ja die ganzen Tiefergelegten, die erst nach der Schneeschmelze wieder fahren können, weil sie sonst in jeder 2 cm hohen Schneedecke oder Streumaterialschicht steckenbleiben würden), aber genauso in den Sommer (bei Aquaplaning nach einem marienbergisch-pockauischen Gewitter) oder in den Herbst (wenn die Straße mit zentimeterdickem nassem Fallaub bedeckt ist und man im Nebel die eigene Hand nicht mehr vor Augen sieht) passen würde. Die 14 Tracks funktionieren also sowohl als konzeptuales Ganzes als auch jeder für sich alleine.
Musikalisch deckt Mengs das komplette Spektrum ab, das der gemeine Liedermacher von heute in petto hat, also vom klassischen Singer-/Songwriter-Stoff, wo der gelegentliche Einsatz von Piano oder Guitarre lediglich untermalende Funktion hat, über fast moritatenähnliche, halb gesprochene, rezitativen Charakter besitzenden Songs bis hin zu angepopptem Material mit Drums und Synthies. Apropos Drums: Die sind bei Mengs ausschließlich natürlichen Ursprungs (Co-Produzent Johannes Pöhlmann steuerte den Löwenanteil bei), was ein eindeutiger Pluspunkt gegenüber Wolfgang Tosts neuem Werk ist. Überhaupt werde ich phasenweise das Gefühl nicht los, daß ich mir so ähnlich das Tostsche "Gib Gott eine Chance" vorgestellt bzw. gewünscht hatte (man vergleiche einmal "Verstehen" mit dem Mengsschen "Die Tauben verstehen" - das geht, obwohl die behandelten Szenarien etwas voneinander abweichen -, hier hat Mengs in puncto Empathie und Tiefe ganz klar die Nase vorn; überhaupt fehlt bei Mengs dieses Gefühl der Sterilität, was wohl an den sehr natürlich gehaltenen Arrangements, zu denen auch PROJOE, Stephan Dieckmann und Ulf Wilke ihr Scherflein beitrugen, liegt). Zwar kopiert natürlich keiner den anderen, aber Mengs beweist, daß er ein unheimlich gutes Gefühl hat, wie man einen ganz bestimmten Song umsetzen muß. Nur einmal scheitert er, und das ausgerechnet beim textlich kultigsten Song der ganzen Scheibe, "Willi der Barde": Wenn Willi schon als Harfenspieler konzipiert wurde (der erst einen Drachen zur Strecke bringt und dann via Handy Schlaflieder für sein Kind singt), dann gehören da auch Harfen- und keine Gitarrenklänge drunter (der eine Harfenist hätte die riesige Gastmusikerliste nun auch nicht mehr entscheidend verlängert).
Rein textlich ist Mengs irgendwie positiver gelaunt als früher (obwohl natürlich ein Track wie "Herbstlied" keine freudesprühenden Lyrics aufweisen darf, was Mengs denn auch tunlichst vermeidet), was vor allem am gesteigerten Humorlevel einiger Songs deutlich wird (das genannte "Willi der Barde" ist da nur die Spitze des Eisbergs). Ansonsten schafft es der Eisenberger aber, jedwede Sorte von Emotionen passend zu verarbeiten (hört euch nur mal den einzigen religiös angehauchten Song der Scheibe, das sechseinhalbminütige "Das Bild", an, in den man bereits von den einleitenden Soundeffekten, scheinbar so 'ne Art ineinandergemischte Röhrenglocken mit einem extrem eigentümlichen Sound, förmlich hineingesogen wird), und auf den zweiten Blick entfaltet dann auch das Artwork auf Cover und Backcover seine Wirkung. Auch für einige Songs braucht man mehr als einen Durchlauf, um die Antworten auf die Fragen "Warum wurde genau dieser Part genau so umgesetzt?" zu finden. Und das lohnt sich. Versprochen.
Zu erwerben ist der Mengssche Spaziergang durch die zwölf Monate (bei dem er sich netterweise ein Weihnachtslied verkniffen hat) bei Laura Records, Gartenstraße 2, 07607 Eisenberg, Tel. 036691-43426, Fax 036691-61824, Email info@laurarecords.de, Homepage www.laurarecords.de
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver