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HUBI MEISEL: Kailash
von rls

HUBI MEISEL: Kailash   (Lion Music)

Gewisse Passagen aus meinem Review zu Hubis Vorgängeralbum "EmOcean" könnte ich zeitsparend einfach kopieren, aber eine Anpassung an die Situation zwei Jahre später muß doch noch vorgenommen werden. So besteht Hubis Band zwar nach wie vor aus Musikern fünf verschiedener Nationalitäten, aber die Besetzung hat sich etwas geändert. Neben den beiden Köpfen Vivien Lalu (der französische Keyboarder schrieb die komplette Musik) und Hubi selbst (vom deutschen Sänger stammen Konzept und Lyrics) sind auch der holländische Gitarrist Marcel Coenen und der schwedische Drummer Daniel Flores wieder mit von der Partie. Letztgenannter hat aus seinem Land gleich noch den neuen Bassisten mitgebracht, nämlich Johan Niemann, den man sonst von Therion kennt. Und ein zweiter Gitarrist ist auch noch neu an Bord, nämlich der Spanier Jorge Salán, sonst bei Mägo de Oz in Lohn und Brot. Diese multieuropäische Besetzung hat erneut ein Konzeptalbum (Hintergründe kann man auf www.hubimeisel.com und vermutlich auch im Booklet nachlesen) erschaffen, allerdings eins, das diesmal auch räumlich weit von Europa entfernt angesiedelt ist. Wir erinnern uns: In "EmOcean" ging es um einen Mann, der scheinbar eher zufällig nach Atlantis verschlagen wird, dort den Grund für dessen Untergang erfährt (nämlich den unmäßigen Umgang mit den Ressourcen) und beauftragt wird, die restliche Menschheit darüber zu informieren und zur Besserung anzuregen, widrigenfalls ihr die Komplettvernichtung droht. Mit "Kailash" begeben wir uns nun (Geographiekenner ahnen es bereits) in den Himalaja, allerdings weniger zu alpinistischen Zwecken als vielmehr zu einem erneuten Suchvorstoß in Richtung von Weisheit und des großen schwammigen Gebildes, das als Wahrheit bezeichnet wird, wobei hier noch ein politisches Faktum eine Rolle spielt, nämlich der Konflikt der Chinesen mit den Tibetern. Nun steht da auf der tibetischen Seite des Himalaja der Kailash, ein Berg, der durch seine Höhe von gerade mal 6714 Metern in der ganzen Kette der Sieben- und Achttausender eigentlich gar nicht weiter auffallen würde, wenn es sich nicht dabei um einen heiligen Berg handeln würde, und zwar sowohl im Buddhismus als auch im Hinduismus. Fakt ist, daß man auch heute noch diesen Berg offiziell nicht besteigen darf, statt dessen kann man eine Trekkingrunde von 53 Kilometern Länge um ihn drehen, was ob der schwierigen Topographie eine Mehrtagestour darstellt, auf der man ob des kargen Geländes unweigerlich auf die Sinnfrage der Unmäßigkeit kommt. Das hat sich herumgesprochen, und so ist der Kailash mittlerweile ein recht beliebtes Ziel bei derjenigen Kategorie von Menschen, die mit Bergwandern bzw. -steigen (um von Nepal aus zum Kailash zu kommen, für Europäer die gebräuchlichste Variante, muß man allermindestens einen Fünftausenderpaß bezwingen) mehr verbinden als das Ziel (den Berg) selbst. Hubis Protagonist will (begleitet durch einen Schneelöwen, also ein mythologisches Tier, das der Zoologe nicht kennt - im Buddhismus handelt es sich um ein heiliges Tier, ein Symbol von Weisheit, Kraft und Tapferkeit) auch zum Kailash, allerdings aus anderen Gründen: Am Berg soll es eine Höhle geben, die ein wichtiges Geheimnis bereithält, hat ein Orakel im Potala-Palast in Lhasa (das ist der Palast, in dem über Jahrhunderte hinweg der jeweilige Dalai Lama wohnte) gesagt. Der Mann macht sich also auf den Weg, bekommt vom tanzenden multiarmigen Gott Shiva unterwegs weitere Informationen, klettert nach 13 Runden um den Berg dann doch hinauf (nach 13 Runden, so heißt es, habe man die nötige Reife erlangt, um an den Berg selbst gehen zu dürfen) - und er findet die Höhle des Einsiedlers Milarepa tatsächlich. Ich habe keine Ahnung, ob Hubi als Storyautor die Mythologie des Kaukasus kennt, aber seine Story ähnelt phasenweise der Entdeckung der Betlemi-Höhle am Kasbek im Jahre 1948, wo die Alpinisten-Archäologen zwar keine Wahrheit im spirituellen Sinne fanden (wobei der Fortgang von Hubis Story, der hier nicht verraten werden soll, auch für die Kaukasusregion segensreich wäre), aber dafür teilweise 1200 Jahre alte Kulturgegenstände, die wieder ein Stück der frühen kaukasischen Landesgeschichte aufhellen konnten. (Bleibt zu hoffen, daß der Teil der Gegenstände, der seinerzeit ins Museum übernommen wurde, die postsozialistischen Wirren überstanden hat und nicht in irgendwelche dunklen Kanäle abgeflossen ist oder gar bei den diversen Auseinandersetzungen einfach zerstört worden ist.)
Zurück zu Hubis Album: Rein stilistisch hat sich bis auf den storyimmanenten Einbau von einigen asiatischen Melodien und eingesampelten Instrumenten aus diesem Kulturkreis gar nicht so viel im Direktvergleich mit "EmOcean" geändert. Nach wie vor erklingt melodischer Progmetal, der im Vergleich zu vielen anderen Genreprotagonisten die Gitarren im Mix etwas weiter nach hinten stellt und die sehr vielschichtigen Keyboards dafür weiter nach vorne, wodurch wieder dieses charakteristische weiche Klangbild entsteht, zu dem auch Hubis Gesang nach wie vor sein Scherflein beiträgt. Allerdings ist der generelle Anteil von dynamischeren Gesangspassagen diesmal eh geringer, so daß Hubi einerseits besser seine stimmlichen Stärken (im entrückten, leisen, auch hohen Bereich liegend) ausspielen kann, die nach wie vor festzustellenden Schwächen in druckvolleren oder gar rauheren Parts aber noch stärker ins Gewicht fallen, weil sie durch ihre verhältnismäßige Seltenheit mehr herausstechen. Hier bleibt also nach wie vor ein Arbeitsfeld für den Sänger (das vielleicht auch durch den Einsatz eines Gastsängers umgangen werden könnte). Auch einige der Songs überzeugen diesmal nicht ganz, so das zwar tänzerisch gemeinte, aber leider eher zerrissen klingende "Shiva's Dance"; auch die Dramatik des Bergaufstiegs im Zehnminüter "Wheel Of Life" hätte man zweifellos noch ausdrucksstärker umsetzen können, wie es in der zweiten Hälfte dieses Songs dann auch geschehen ist. Denn natürlich wissen die Beteiligten, was sie tun, und so überwiegen eindeutig die gelungenen Momente auf "Kailash", zu denen beispielsweise der druckvolle Opener "Potala Palace", das großartige Baßsolo in "Kailash - Jewel Of Ice" oder das nach einem entrückten, den Fund der Höhle und das ungläubige Entdeckerstaunen ausdrückenden Beginn in kraftvollen Bombast umschlagende "Milarepa's Cave Of Miracles" zählen. Fragen bleiben wiederum hinsichtlich der Covergestaltung offen, da der Baustil der auf einem Felsen befindlichen Festung, hinter der sich ein scheinbar über den rechten Grat gar nicht so schwierig zu besteigender Schneegipfel im flammenden Abendlicht erhebt, irgendwie nicht so richtig in den Himalaja zu passen scheint. Auch der zweite der beiden Bonustracks der Digipackversion läßt die Frage offen, warum dort plötzlich die "Tigers Of Everest" aufkreuzen, wo unser Protagonist doch mit einem Löwen unterwegs war. Aber Schneetiger gibt's halt erst recht keine. Musikalisch indes bleiben wenig Fragen offen, und das Schlußplädoyer ist recht einfach: Wer "EmOcean" schätzte, wird auch "Kailash" mögen.
Kontakt: www.hubimeisel.com, www.lionmusic.com

Tracklist:
Potala Palace
Red Oracle
Snow Lion
Himalayan Sunset
Shiva's Dance
Kailash - Jewel Of Ice
Wheel Of Life
Milarepa's Cave Of Miracles
Merdeka
The Great Prayer (Monlam Chemno)
The Gentlemen Of Great Magic
Tigers Of Everest





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