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TORSTEN MAXARA: Immer die Gleichen
von rls

TORSTEN MAXARA: Immer die Gleichen   (Laura Records)

Anno 2000 erschien mit "Das musikalisch-anekdotische Programm" ein Livemitschnitt des zweiten Soloprogramms von Torsten Maxara, der, wie der Titel schon suggeriert, aus einer Musik-Text-Kombination bestand und ein Meisterwerk des kabarettistisch angehauchten Liedermacherschaffens darstellt, das man ob seiner erstaunlichen Zeitlosigkeit (keine Selbstverständlichkeit in diesen Kreisen), seiner Skurrilität und seines Witzes auch Jahre später immer noch mit Genuß auflegen kann. Das dritte Soloprogramm "weiterSingen - weiterSagen", das ebenfalls auf Silberling konserviert wurde, habe ich irgendwie verpaßt, aber nun liegt der Viertling "Immer die Gleichen" vor bzw. nicht nur vor, sondern auch immer mal im Player. Erste Auffälligkeit: Es ist kein Livemitschnitt, sondern eine Studioaufnahme. Zweite Auffälligkeit: Es ist keine Musik-Text-Kombination, sondern eine reine Lied-CD. Dritte Auffälligkeit: Mit 12 Tracks plus einem Bonustrack kommt Torsten Maxara auf die liedermacherunübliche Spielzeit von über einer Stunde. Vierte Auffälligkeit: Trotz der genannten "Abweichungen" macht die CD beinahe nicht weniger Hörspaß als der Zweitling - "beinahe" deshalb, weil sich unter den Tracks auch der eine oder andere eingeschlichen hat, der nicht so richtig zünden will, etwa "Anne, oh Anne", dessen Stimmverzerrer-Versuche irgendwie ins Leere gehen und dessen zyklischer Text an manchen Stellen auch eher um die zyklische Strukturwahrung bemüht erscheint als um eine sinnvolle Aussage. Aber eine Handvoll Highlights kompensiert solche leichten Schwächeanfälle locker, wobei sich die Wertung für den einen oder anderen Song mit zunehmender Durchlaufanzahl durchaus wandelt, etwa "Einer wird bleiben bei dir", bei dem man lange braucht, um sich in den variantenreichen Metrumskombinationen des Textes zurechtzufinden und die bisweilen schräge Flöte als integralen Songbestandteil zu akzeptieren. Deutlich schneller verläuft der Gewöhnungsprozeß bei der häufig eingesetzten Hammondorgel von Rainer Schön, die sowohl Teppiche auszulegen als auch kleine farbige Licks einzustreuen vermag und die ansonsten nicht so sehr variantenreiche Gitarrenarbeit sinnvoll ergänzt, wenngleich Maxara die Gitarre schon für mehr einsetzt als nur im Dienste einer rhythmischen Strukturierung der Tracks. Daß letztgenannte Funktion trotzdem dominant bleibt, liegt in der Natur des liedermachenden Genres, und auch hier erweist sich der Thüringer als Könner seines Faches, etwa wenn man mal das starke Riff in "Viel zu normal" hernimmt. "Dann tanz ..." könnte in einer hypothetischen Rockversion auch von 50 Hertz stammen, was als großes Kompliment zu verstehen ist, und der luftige Titeltrack (mit großem Refrain - Festnahme wegen Hymnenverdachtes!) hat dem Künstler offenbar so gut gefallen, daß er ihn als Bonustrack noch einmal in einer E-Piano-Version einspielte, die sich allerdings gar nicht so sehr vom Original unterscheidet. Noch einen anderen Track gibt's doppelt, nämlich "Bis nach Tasmanien", der in einer englischen Version namens "Way To Tasmania" den regulären Teil des Albums beschließt (was seine Erklärung in der Widmungsstruktur des Songs findet). Der Opener "Nochmal schnell" wiederum ist einer der Tracks, der nahtlos an die Musikwerke des zweiten Albums anknüpft, das für Genreverhältnisse recht "harte" "Viel zu normal" markiert das extreme Ende des Albums, "Flüchtig dein Bleiben" wiederum seinen epischen Höhepunkt, dem Peter Sarkars Cello das Tüpfelchen aufs i setzt. Daß Maxara nicht von heute auf morgen die glückliche Hand für interessante sprachliche Bilder verlieren würde, war abzusehen, wenngleich ihre Dichte nicht ganz die außerordentliche Höhe des zweiten Albums erreicht und er beispielsweise auch die Chance ausläßt, die interessante mögliche Doppelkonstruktion "Flüchtig dein Bleiben/Flüchtig dein bleiben" auszuwerten. Dafür widmet er sich in "Sommerhaus, später", dem mit sechseinhalb Minuten längsten Einzelsong der CD, einem Erzählband von Judith Hermann und weckt damit akute Urlaubssehnsucht beim Hörer, indem er ihn in eine idyllische Landschaft fern von all den scheinbaren Segnungen und realen Fesseln der Urbanität versetzt, wo die Uhren anders gehen und man beim Blick aus dem Fenster nicht die vorbeiratternde Straßenbahn oder den nächsten Neubaublock sieht, sondern die Sperlinge im Holunderbusch und eine Pflaumenbaumallee. Nicht jeder der Songs erreicht diese eskapistischen Qualitäten (mit "Way To Tasmania" kommt allerdings gleich noch einer hinterher, trotz oder gerade auch wegen des lässigen und sich nicht um aussprachliche Konventionen scherenden Englisch), und über manches ungerade Metrum, manche melodische Abweichung von der scheinbaren Ideallinie stolpert man auch nach etlichen Durchläufen noch. Aber das verdeutlicht nur den prozeßhaften Charakter beim Erschließen selbst eines solchen mit vergleichsweise simplen Mitteln zusammengebastelten Albums - ein lohnender Vorgang, zweifellos, wenngleich sich an dem Verdikt, daß es sich um ein starkes Album, das aber nicht ganz an "Das musikalisch-anekdotische Programm" heranreicht, handelt, sicher nichts mehr ändern wird. Besagter Zweitling sei also als Einstieg empfohlen, während "Immer die Gleichen" dem Anhänger Maxaras und dem Freund gediegener liedermachender Kunst ohne Purismusanspruch ebenfalls bedenkenlos ans Herz gelegt werden kann. Da die Wahrscheinlichkeit, der CD im Laden zu begegnen, eher gering ist und man Maxara momentan eher selten live zu Gesicht bekommt, dürfte ein Erwerb via www.laurarecords.de die einfachste Variante sein, sich ihr zu bemächtigen.
Kontakt: Torsten Maxara, J.-S.-Bach-Straße 4, 99423 Weimar, torsten.maxara@web.de

Tracklist:
Nochmal schnell
Immer die Gleichen
W. S. W. H.
Bis nach Tasmanien
Viel zu normal
Einer wird bleiben bei dir
Dann tanz ...
Reinen Tisch
Anne, oh Anne
Flüchtig dein Bleiben
Sommerhaus, später
Way To Tasmania
Bonustrack: Immer die Gleichen (E-Piano-Version)



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