www.Crossover-agm.de MANIFEST: Find A New Place
von rls

MANIFEST: Find A New Place   (Arkeyn Steel Records)

Der Titel ist Programm: Die Amis Manifest waren mit ihrem Sound schlicht und einfach zur falschen Zeit am falschen Ort, aber sie schafften es nicht, so lange durchzuhalten, bis ihnen der rechte Platz, den sie mit ihrem Können verdient hätten, zugewiesen werden konnte. Dabei hatten sie einen durchaus szenebekannten Mann in ihren Reihen: Bobby Hicks sang zuvor bzw. parallel für die im Underground hochangesehenen Progpowermetaller Mystic Force. Bereits in den 80ern hatte er zusammen mit Drummer Rob Koehler bei Xsiter gespielt, und ebenjener Rob Koehler brauchte 1994 einen Sänger für seine 1992 gegründete Band Paradox, nachdem Frank Duncan ausgestiegen war, mit dem Rob ebenfalls schon in den 80ern zusammengespielt hatte, und zwar bei Marshall Law, bevor Frank zu Hammers Rule wechselte. Hicks sagte zu, und da es in Deutschland schon eine Band namens Paradox gab, änderte man den Namen in Manifest (womit man freilich auch nicht ganz alleine dastand, selbst im USA-Maßstab nicht) und spielte 1994 den Sechstracker "Find A New Place" bzw. "Yes Or No" ein. Der ist heutzutage praktisch nicht mehr aufzutreiben - anno 1995 wurden 1000 CDs unter erstgenanntem und 1000 Kassetten unter zweitgenanntem Titel veröffentlicht und hauptsächlich im direkten Umfeld der Band verkauft. Promoaktivitäten fanden praktisch keine statt, Konzerte auch nicht, keines der Exemplare fand seinen Weg in den nationalen oder internationalen Rockjournalismus, das Internet war auch noch eher schwach dimensioniert, und so nahm überregional kaum jemand Notiz von der begabten Truppe. Das hätte sich in den letzten Jahren des alten Jahrtausends ändern sollen, aber der erste Gig, den die Band hätte spielen sollen, wurde abgesagt, und die Aufnahmen für das nächste Album, zu dem es bereits reichlich Songmaterial gab, fanden nie statt - 1999 lösten sich Manifest auf.
Arkeyn Steel Records haben nun auch diesen Schatz gehoben und in einer limitierten Auflage von abermals 1000 Exemplaren wieder zugänglich gemacht. Die Zeiten für traditionellen Progpowermetal haben sich im neuen Jahrtausend ja etwas gebessert, wenngleich diese Sorte von Metal immer ein Undergroundthema war und blieb, woran nicht mal der plötzliche kommerzielle Erfolg Dream Theaters mit "Pull Me Under" etwas geändert hatte. Ob nun gerade Manifest unter besseren strukturellen Rahmenbedingungen etwas hätten reißen können, wäre allerdings zu bezweifeln gewesen, denn dafür agierten sie nicht eingängig genug. Das ist noch kein Qualitätskriterium, aber beispielsweise in "Concrete City" hätte man sich durchaus eine bessere Refrainausarbeitung vorstellen können. Freilich entschädigt das generelle musikalische Bild für solche kleinen Schwächen problemlos. Einerseits sind alle Beteiligten natürlich technisch fit, andererseits haben sie einige emotional höchst ansprechende Passagen geschaffen. Kurioserweise eröffnen sie das Album allerdings mit "Woman Of The Night", einem relativ straighten Song in der Bauart alter Tokyo Blade, der zweifellos nicht schlecht ist, aber das wahre Können der Band nicht ansatzweise widerspiegelt. Mit "Find A New Place" geht es danach nämlich drei Stufen weiter oben zur Sache: Geschickt eingewobene Akustikpassagen transportieren eine gewisse Melancholie, gar Entrücktheit, und Hicks singt ein klein wenig wie Ronnie James Dio in dessen Black-Sabbath-Epen - ein kleines Meisterwerk ist Manifest da gelungen, und bis auf das eher durchschnittliche "Concrete City" schließen sich auf dem 1994er Material nur noch weitere solche an, gekrönt von der über achtminütigen Halbballade "War Of The Worlds", die man als Dio-Anhänger einfach lieben muß, obwohl Manifest den kleinen Mann und seine Bands keineswegs kopieren - sie arbeiten mit zwei Gitarren und sind deutlich in den Achtzigern, nicht in den Siebzigern verwurzelt. Und sie verstehen es in diesem wie in den anderen Songs, dem Hörer zu vermitteln, daß sie Breaks nicht um der Breaks willen, sondern wegen des kompositorischen Gesamtbildes einbauen. Zudem wissen sie sehr wohl um die Wirkung geradliniger Passagen und finden somit einen gelungenen Weg zwischen Anspruch und Eingängigkeit, der wie beschrieben eben nur noch hier und da eine Verfeinerung vertragen hätte. Ob bzw. in welchem Rahmen eine solche im neuen Songmaterial stattgefunden hätte, muß spekulativ bleiben, aber Andeutungen gibt es zumindest: Die dreiviertelstündige CD enthält noch zwei Aufnahmen aus dem Jahr 1998, die im Proberaum Manifests mitgeschnitten worden sind und als Pre-Production-Demos für das nächste Album hätten dienen sollen. Dabei fährt "Wrong Place Wrong Time" eine durchaus auf Eingängigkeit basierende Linie, und selbst den doppelläufigen Schlußteil des Hauptsolos kann man trotz harmonischer Eigenwilligkeiten problemlos nachvollziehen. "Desire Of The Unworthy" wird zwar von einem Spoken-Word-Part eingeleitet, bleibt dann aber instrumental, wobei die Frage, ob das auch in der Endversion so angelegt gewesen wäre, natürlich nicht beantwortet werden kann. Hier geht's rhythmisch dann wieder etwas komplizierter zur Sache, aber Manifest bleiben trotzdem jederzeit durchhörbar, wenn man nicht gerade zur ultrageradlinigen Fanschar zählt. Alle, die anspruchsvollen, aber nachvollziehbaren Progpowermetal hören wollen, dürfen sich gerne bei www.karthagorecords.de oder anderen gut sortierten Händlern umschauen, ob noch eines der 1000 Exemplare zu haben ist.
Kontakt: www.arkeynsteel.com

Tracklist:
Woman Of The Night
Find A New Place
Yes Or No
Rhelms Of Forgotten Love
Concrete City
War Of The Worlds
Wrong Place Wrong Time
Desire Of The Unworthy
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver