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LOCH VOSTOK: Destruction Time Again
von ta

LOCH VOSTOK: Destruction Time Again   (Escapi Music)

Die Überraschung des Monats kommt von Loch Vostok aus Uppsala. Der Bandname von einem unterirdischen See in der Antarktis, die Musik gleichermaßen von einer Band wie Lanfear wie von Cynic beeinflusst. Das Ganze ist am Ende ein Mischmasch aus Power Metal, schwedisch-melodischem Death Metal ("Humanitix" etwa könnte in seinen Strophen auch von Dark Tranquillity sein), Prog Metal und auch etwas elitärem Black Metal. Der Einfluss von bzw. die stilistische Nähe zu den Power/Prog Metallern Lanfear schlägt am offensivsten durch in den Refrains. Nicht nur der angenehme, leidenschaftliche Gesang von Teddy Möller, besonders das hymnische Flair erinnern stark an Lanfear zu "The Art Effect"-Zeiten. Der Opener "Humanitix" sei hier als Beispiel (im ansonsten schwedischem Riffkontext) genannt, auch in einem eher sperrigen Track wie dem dynamischen, zerrissenen Closer "Gestalt" wurde der eingängige Chorus nicht vergessen, der energische Midtempohammer "Autumn Lord" könnte abgesehen von einigen Technikkinkerlitzchen und Schreiereien sogar vollständig von Lanfear stammen.
Damit ist ein weiteres Charakteristikum von Loch Vostok bereits genannt: Möller singt nicht nur toll, sondern kreischgrollt auch souverän und das beinahe in jedem Song. Das passt natürlich erst einmal hervorragend zu Blastbeats, die im besten Falle auch noch mit flirrendem Emperor-Riffing gekoppelt werden, so im sehr skurrilen "Xerox Nation" (und leider in keinem anderen Song). Die Skurrilität des genannten Songs rührt daher, dass er ansonsten mit seinen flotten Keyboardsoli eher an klassischen Prog Rock/Metal der Rainbow-Schule erinnert. Und als ob das nicht reicht, wird das Ergebnis im Mittelteil gleich noch um fettes Thrash-Riffing mit entsprechendem Ufta-Beat angereichert. Noch abgefahrener geht es im Titeltrack "Destruction Time Again" zu: Emperor meets Italo-Power Metal meets Voivod-Tritonus-Riffs, völlig kaputt, leider auch (wie schon "Xerox Nation") nicht sehr flüssig, spätestens der Refrain wirkt wie beliebig reingewürfelt. Hieran, d.h. an den Arrangements, muss noch dringend gearbeitet werden, um den Eindruck der Willkür zu mindern. Das ist übrigens der einzige starke Kritikpunkt, den ich habe. Ansonsten ist Loch Vostoks Erstling nämlich gnadenlos geil. Abgepfiffen z.B. "Symbiosis", das leicht schwermütigen Prog Metal mit Frickel-Licks bietet, der sogar in seinen Uptempo-Teilen nicht Power im klassischen Sinne entfaltet, sondern immer zurückhaltend wirkt. Uptempo steht der Band insgesamt übrigens sehr gut zu Gesicht und kaum ein Song kommt ohne Thrash-Beats oder schnelle Riffs derselben Sparte aus. Richtig klasse ist mit "Jonestown Slumber Party" aber auch der langsamste Song der Platte: Hier wird ein einziges Riff auf immer wieder neue Weisen durch den Rhythmus- und Spieltechnikwolf gedreht, nimmt damit jedes Mal einen anderen Charakter an, ist mal episch, mal hart-abgehackt, mal breit-harmonisch und mal völlig abgefreakt. Das Merkmal, das die Band aber endgültig zu Pflicht für alle Freunde experimenteller und dabei einigermaßen songdienlicher Metal-Kost macht, ist die Melodieverliebtheit aller Beteiligten, besonders Sänger Möllers. Die (bereits weiter oben in anderem Zusammenhang erwähnten) hymnischen Refrains gehen einem nach drei Durchläufen nicht mehr aus dem Kopf, mit "Talk" ist ein Killer auf dem Album, dessen Chorus sich als derart erhaben und breitwandig zeigt, dass man nicht umhinkommt, ergriffen mitzuschmettern. Und die Hookline von "Rebound" ist der Hammer, von einer spielerischen Melancholie, wie sie auch die jüngste (und geniale) Arcturus-Scheibe "Sideshow Symphonies" kennzeichnete. Und das auch noch derartig genial verwandelt: Ein wieselflinkes Power-Riff leitet den Song ein, die erste Strophe ertönt mit erhebendem Gesang, Hall ohne Ende und spätestens in der zweiten Strophe, die plötzlich von einer Sängerin perfekt und frei von allem Kitsch performt wird, ist man in ganz anderen Sphären. Leider fallen dagegen Chorus wie auch Soloteil gnadenlos ab. Aber man kann ja nicht alles haben.
Mit "Destruction Time Again" ist Loch Vostok in der Gesamtschau ein gutes, mutiges, auch witziges Album gelungen, das vielschichtig und abwechslungsreich, aber auch fokussiert und eingängig ausfällt. Spielerische und produktionstechnische Schwächen gibt es keine zu vermelden, allein die Arrangements der Stücke vertragen noch viel Ausfeilung. Aber dafür gibt's ja das zweite Album. Und bis dahin sei jedem Freund der genannten Referenzen schon der Erstling "Destruction Time Again" mehr oder weniger vorbehaltlos empfohlen.
Kontakt: www.escapimusic.com

Tracklist:
1. Humanitix
2. Rebound
3. Jonestown Slumber Party
4. Xerox Nation
5. Autumn Lord
6. Destruction Time Again
7. Symbiosis
8. Falself
9. Talk
10. True Deceiver
11. Gestalt



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