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von rls

LIZZY BORDEN: Appointment With Death   (Metal Blade)

Nach sieben Jahren Abstinenz bezüglich der Veröffentlichung neuen Materials (okay, nicht ganz, denn da gab es so ein gewisses Nebenprojekt ...), in denen im Prinzip der komplette Backkatalog aus den Achtzigern wieder zugänglich gemacht wurde, nachdem das 2000er Comebackalbum "Deal With The Devil" über weite Strecken überraschend stark ausgefallen war, legt Lizzy Borden ein neues Album vor, und - das sei vorweggenommen - auch "Appointment With Death" reiht sich würdig in die Galerie der gutklassigen Traditionsmetalwerke des verpseudonymten Amerikaners ein. In den Achtzigern hatte er durch Konzeptalben sowohl zu Horrorthematiken als auch gesellschaftskritischer Natur (sein Pseudonym entstammt einem aufsehenerregenden Kriminalfall aus Massachussetts vom Ende des 19. Jahrhunderts) und entsprechende Showelemente auf sich aufmerksam gemacht, das neue Album ist auch ein Konzeptwerk, allerdings nicht an einer Handlung orientiert: Es behandelt verschiedene Aspekte rings um das Thema "Tod". "Episch, heavy, dunkel und melodisch" soll das knapp einstündige Album sein, behauptet das Infoblatt - "episch" mag ebenso wie "heavy" partiell zutreffen, wenngleich man da heutzutage an andere Dimensionen als in den Achtzigern denkt, wenn man diese Adjektive hört. Was "dunkel" sein soll (außer der generellen Thematik vielleicht), läßt sich indes auch bei öfterem Durchhören nicht feststellen, denn "Appointment With Death" enthält melodischen (jawohl, das vierte Attribut stimmt) und fast durchgängig eher aufgehellten Metal traditionellen Achtziger-Zuschnitts, wenn man vielleicht mal das leicht angedüsterte Intro zu "Under Your Skin" ausklammert, das sich dann aber auch in einen typischen Heavyrock-Stampfer verwandelt, vielleicht ein wenig an Lordi erinnernd und tatsächlich auch noch ein wenig finnische Melancholie mitschwingen lassend. Lizzys typischen Gesang erkennt man problemlos wieder, wobei die deutlichsten Parallelen erstaunlicherweise zu diversen Sängern neuzeitlicher japanischer Melodic Metal-Bands zu ziehen wären. Und noch ein Element fällt auf: Lizzy Borden hatte schon früher trotz enormer Personalfluktuation ein sehr gutes Händchen für die Anwerbung exzellenter Gitarristen, und das bleibt auch im neuen Jahrtausend so. Fest eingestiegen ist Ira Black, der auch schon in fast jeder Band tätig war, die an der amerikanischen Westküste Rang und Namen hatte und hat, dazu kommen dann noch diverse Gastgitarristen vom Kaliber eines George Lynch oder gar Erik Rutan (in dessen Studio der Mix erfolgt ist). Zwar kennt man diverse Riffs diffus von anderen Songs oder glaubt das zumindest (man nehme als Exempel das Einstiegsriff von "The Death Of Love" - dessen originaler Kontext ist dem Rezensenten bisher nicht eingefallen), aber das tut dem Hörspaß definitiv keinen Abbruch, wenn man auf solcherart Musik steht und nicht gleich bei jedweden höheren Anflügen des Gesanges die Flucht ergreift. Man höre beispielsweise nur mal das Hauptsolo von "Perfect World (I Don't Wanna Live)" - was für eine furiose, quicklebendige Gitarrenarbeit! Und davon gibt's etliche Beispiele auf der CD, auch in Songs wie eben "Perfect World (I Don't Wanna Live)", wo man das aufgrund der generell recht basisch-unauffälligen Anlage vielleicht gar nicht vermuten würde (wobei ein gewisser Verdachtsmoment schon besteht, wenn man das Hauptthema mit seinem klassischen Anstrich hört, das auch Vision Divine mit Kußhand auf ihr Debütalbum übernommen hätten). Bisweilen fließen auch andere Elemente in die Gitarrenarbeit ein, so im Hauptsolo von "Somethin's Crawlin'", das einen ganz leicht orientalischen Anstrich verpaßt bekommen hat, bevor die zweite Hälfte wieder in den typischen Gestus eines großen Metalsolos übergeht, ergänzt sogar noch durch uninnovative, aber coole "Ohoho"-Chöre unter Tempoverschärfung - fertig ist ein kleines Highlight im Song. Temposeitig reizt die vierköpfige Band das typische Traditionsmetalspektrum nahezu komplett aus, also vom flotten Speedopener "Abnormal" bis zum schleppenden "Somethin's Crawlin'", der nur im Refrain in marschierendes Midtempo hinaufschaltet und diese Grenze wie erwähnt im Hauptsolo mal kurz nach oben durchbricht. An den Drums sitzt übrigens mit Joey Scott ein Gründungsmitglied der Band aus dem Jahre 1983, Vierter im Bunde ist Marten Andersson, der am Baß unauffällige, aber solide Arbeit verrichtet, wenn man ihn denn mal hört - der Gesamtsound ist ganz klar auf Gesang und Gitarren ausgerichtet und übrigens für ein Album aus dem Jahre 2007 recht leise ausgefallen. Wenn ich mit "Appointment With Death" das gleiche Schallvolumen aus meinen Boxen holen will wie meinetwegen mit Nightwishs "Dark Passion Play", muß ich an meiner Stereoanlage zwei bis drei Lautstärkestufen höher drehen. Das soll kein Kritikpunkt sein (wie gesagt: der Sound ist gut), sondern lediglich eine Feststellung, die auch irgendwie zum konsequent rückwärtsgerichteten Bild der Formation paßt - rein musikalisch betrachtet bekommt man hier nichts zu hören, was auf eine Entstehungszeit in den 90ern oder gar seit der Jahrtausendwende hindeuten würde. Andererseits erhält auch die bekannte 70ies-Affinität Lizzys mit diesem Album nur äußerst eingeschränkt neue Nahrung - "Appointment With Death" ist 80er-Metal durch und durch, kaum durch herausragende Songs glänzend, aber auf durchweg gutklassigem Niveau, und das ist ja heutzutage auch schon was wert. Gitarrenfetischisten müssen allerdings unbedingt zuschlagen, um Preziosen wie das brillante Schlußsolo in "The Darker Side" nicht zu verpassen. Track 12 schließt das Album mit einer hübschen Akustikversion von "Tomorrow Never Comes" ab - damit hätte man in den Achtzigern sogar Airplay erreichen können, und selbst heutzutage stellt das eine Nummer dar, die man auf den 14-bis-49-Formatsendern problemlos über den Äther schicken könnte, wenn dort ein wenig mehr Experimentiergeist herrschen würde, den Hörern auch mal Neuentdeckungen zu ermöglichen. Aber das wird ein Traum bleiben ...
Kontakt: www.lizzyborden.com, www.metalblade.de

Tracklist:
Abnormal
Appointment With Death
Live Forever
Bloody Tears
The Death Of Love
Tomorrow Never Comes
Under Your Skin
Perfect World (I Don't Wanna Live)
Somethin's Crawlin'
(We Are) The Only Ones
The Darker Side
Tomorrow Never Comes (Acoustic)
 




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