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KONG: Mute Poet Vocalizer
von rls

KONG: Mute Poet Vocalizer   (KonGenial Records)

"Mute Poet Vocalizer" war anno 1990 das Kong-Debütalbum, das die Szene gehörig überraschte: Instrumentale Rockmusik besaß damals allenfalls eine Außenseiterrolle, und live entfaltete die Musik, da das Quartett nach Möglichkeit quadrophonisch spielte, noch einmal einen speziellen Reiz. Schon damals konnte man erkennen, daß hier eine Band heranreifte, die sich um gängige rockmusikalische Konventionen einen Dreck scherte: Klassikeinflüsse etwa hatte man selten so organisch verarbeitet gehört wie in "P.R.O.K.O.V.", "7/8" spielt nicht zufällig mit einer Jazzrhythmik, "200 Max" mündet in einem großen Bombastpart, der, abgesehen vom fast hektisch anmutenden Drumming Rob Smits', fast zu den etliche Jahre später auftauchenden Landsleuten Within Temptation gepaßt hätte, und obwohl "Mute Poet Vocalizer" generell noch rock- bzw. metallastiger ausfällt als die späteren Kong-Alben, so ist die Vielfalt der verarbeiteten Einflüsse doch auch in diesem Frühstadium bereits beeindruckend, zumal wenn man weiß, daß die elf Songs allesamt live im Studio eingezimmert wurden. Am Werk war hier übrigens noch die Frühbesetzung mit Aldo Sprenger an der zweiten Gitarre, der später durch Marieke Verdonk ersetzt wurde. Als Instrumentalband gönnten sich Kong natürlich auch den Luxus, ihre Songs originell zu benennen, auch wenn "2:14" in der vorliegenden Re-Release-Fassung drei Sekunden kürzer ausgefallen ist als sein Titel. Selbiger Re-Release ist aus Anlaß des 25jährigen Jubiläums dieses wegweisenden Debütalbums entstanden, und Kong haben sich nicht nur damit begnügt, die alte, längst nicht mehr erhältliche Albumfassung von Vile Music einfach neu zu veröffentlichen und um den Bonustrack "Nieuw" (ein gothicrockverdächtiges Intro wandelt sich in einen klassischen Kong-Rocker, der allerdings immer wieder mit gothicrockverdächtigen Passagen ausgestattet wird) zu erweitern: Bassist Mark Drillich und Gitarrist/Sample-Experte Dirk de Vries (letztgenannter aktuell zwar kein Kong-Bandmitglied mehr, aber über die Studioarbeit immer noch intensiv mit der Kong-Familie verbunden) nahmen sich die Originalspuren noch einmal vor und mischten sie neu. Der Rezensent besitzt die Originalaufnahme nicht und kann daher nicht entscheiden, was konkret am neuen Klang anders ist - aber daß er prima in den 2016er Zeitgeist hineinpaßt, daran besteht kein Zweifel, und wäre er hier und da noch ein bißchen verfreakter und stärker mit elektronischen Elementen ausgestattet, man könnte ihn fast für ein neues, wenngleich natürlich etwas "back to the roots" gehendes Studioalbum Kongs ausgeben. Und eine Nummer wie "Cramp" läßt durchaus ahnen, was die Holländer im tanzbaren Bereich später noch abliefern würden, wobei man freilich auch hier, sobald man die Tempowechsel alle intus hat, problemlos von der ersten bis zur letzten Sekunde in der Lage wäre, das Tanzbein zu schwingen. Zudem liebten Kong wie jede vernünftige Instrumentalrockband offensichtlich Pink Floyd: "Quiet!" etwa mutet keineswegs nur wegen seines simulierten Uhrtickens wie eine modernisierte Version der großen Briten an - "modernisiert" u.a. deshalb, weil Smits auch hier Rhythmen spielt, auf die Nick Mason nie gekommen wäre, und weil um Minute 3 herum eine schräg-noisige E-Gitarre lärmt, wie David Gilmour sie wohl kaum je zum Einsatz gebracht hätte. Auch die Klanglandschaften der ersten drei Minuten von "Base" könnte man in Verbindung mit Pink Floyd bringen, den harten Folgepart dann wiederum nicht. Daß Track 9 auf den Titel "Cows" hört, darf dennoch als Zufall gewertet werden, denn erstens kamen auf "Animals" gar keine Kühe vor (nur auf dem Cover von "Atom Heart Mother" sah man ein solches Tier), und zweitens hat nun gerade dieser Song nicht so sehr viele Floyd-Anklänge gebunkert, sieht man vielleicht vom klingelnden perkussiven Element ab, das seinen Weg durchaus auch auf ein Floyd-Album hätte finden können (man höre hier zudem mal genau auf Drillichs Baßarbeit!). Aber generell waren Kong schon mit diesem Debütalbum hochgradig eigenständig und konnten die "Anything goes"-Neunziger auf dieser Basis kongenial für sich nutzen, was ihnen zwar keine gigantischen Reichtümer, aber zumindest einen unangreifbaren Szenestatus samt Pioniercharakter gesichert hat. Extreme Puristen werden übrigens feststellen, daß "Mute Poet Vocalizer" gar keine reine Instrumentalplatte ist, da im abschließenden "Hop" ein paar Gangshouts eingesampelt wurden. Aber wer sich davon stören läßt, ist selber schuld. Die knapp 57 Minuten Musik des Re-Releases gibt es übrigens nicht als physischen Tonträger, sondern nur in Downloadform.
Kontakt: www.kong.nl

Tracklist:
Hok
Fair
P.R.O.K.O.V.
7/8
200 Max
Cramp
Quiet!
2:14
Cows
Base
Hop
Nieuw



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