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KONG: Merchants Of Air
von rls

KONG: Merchants Of Air   (KonGenial Records)

Nachdem das erste Album der neuen Kong-Besetzung, "What It Seems Is What You Get" (exzellentes Wortspiel übrigens und im Kontext dieses Albums mit einer nicht verkennbaren Wahrheit behaftet), auf gute Resonanzen gestoßen war, was bekanntermaßen nicht bei allen Tonzeugnissen reunierter Bands der Fall ist, hier aber einen speziellen strukturellen Aspekt beinhaltet, da Kong während ihrer ersten Aktivitätsphase quasi ihrer Zeit voraus waren und den Boden bereitet hatten, den dann andere weiter beackerten, so daß die reunierten Niederländer ein gut bestelltes Feld vorfanden, versuchen sie jetzt mit dem neuen Album die Ernte einzufahren, und die Chancen stehen nicht schlecht, daß ihnen das auch gelingen könnte, zumal sie wieder einen Tick geradliniger zu Werke gehen als auf dem genannten Vorgänger, ohne freilich ihren progressiven Anspruch einzubüßen. Der kann selbstredend nicht mehr darin bestehen, komplett neue Stilistika und Wiedergabeformen zu entwickeln (immerhin sind in den zwei Dekaden seit den revolutionären Kong-Taten der ersten Aktivitätsperiode Myriaden von Bands mit allen möglichen und unmöglichen Stilmixturen auf den Plan getreten), aber Kong bewahren sich doch ihren Hang zur eigenständigen Herangehensweise. Wenn sie beispielsweise in "Astral Calls" Orchestersamples einsetzen, dann tun sie das nicht im großen spätromantisch-bombastischen Sinne, wie das sonst gemeinhin der Fall ist, wenn Rock- oder Metalbands solche Elemente einbauen, sondern erschaffen eine eigentümlich spröde Klangwelt, die eher ins weiter fortschreitende 20. Jahrhundert gehört als an die Wende vom 19. zum 20., wo die üblichen Verdächtigen hausen. Oder man nehme "The Gates Of Exception" her: Hier nähern sich Kong dem Doom an, aber auch das tun sie wieder auf ganz originelle Weise, nämlich einerseits mit psychedelischen Effekten, andererseits mit nervösem Drumming Mandy Hopmans, wodurch ein Klangbild entsteht, das man allenfalls mit diversen Bands des Hellhound-Labels kurz vor dessen Kollaps in den Mittneunzigern vergleichen könnte - die Welt war selbst in den "Anything goes"-Neunzigern für diese Mixtur noch nicht reif. Um etwaige Zugänglichkeitsprobleme der Hörer abzumildern, setzen Kong auf "Merchants Of Air" mit "El Pilar" allerdings gleich einen mit einem sehr eingängigen Gitarrenthema ausgestatteten Song an den Anfang, und auch danach mischen sie munter "konventionellere" mit ungewöhnlichen Tracks. Die Anführungszeichen haben durchaus ihren inhaltlichen Sinn: "Same Meaning Different Worlds" etwa beinhaltet Spacerock der durchaus eingängigen Sorte, der zudem auch nicht zwingend von Kong stammen muß, sondern durchaus auch von den Landsleuten The Gathering hätte geschrieben werden können, und zwar in der Phase von oder nach "How To Measure A Planet", ohne daß damit einer der beiden Bands blinder Kopismus nachgesagt werden muß. "Wahnsinn, Baby" klingt zwar keineswegs wahnsinnig, aber wie "Stug" fast eingängig-entspannte Gitarrenmelodien (freilich wieder auf nicht ganz so geradlinigem Drumming ...) mit hart-schrägen Einwürfen kombiniert und im Finale dann auch über den eingängigen Part noch jaulende Gitarren legt, das hat zweifellos Charme und zeugt auch von großem kompositorischem Können, welches das neue Kong-Quartett in gleicher Weise auszeichnet wie das alte (von dem bekanntlich nur Bassist Mark Drillich zur neuen Besetzung gehört, wobei allerdings der alte Gitarrist Dirk de Vries als Mixer und Co-Produzent von "Merchants Of Air" fungiert). Als Instrumentalband kann man darüber hinaus einige Kreativität in die Songbenennung investieren - Kong machen da keine Ausnahme, auch wenn sie nicht ihren zentralen Fokus darauf legen. Aber "Wahnsinn, Baby" spricht schon Bände, und dann kommt auch noch "No Strings Attached", das ironischerweise Luca Hopman als Gastviolinisten auffährt und bei dem nur die Frage offenbleibt, ob die wie ein surrendes Insekt klingenden Passagen auch aus der Violine stammen (und dann arg verfremdet worden sind) oder ob sich sein Einsatz auf die ganz kurzen Einwürfe im ersten Teil des Songs und das große Schlußsolo beschränkt, die man eindeutig einer Violine zuordnen zu können glaubt (die Einschränkung ist beabsichtigt - bei Klangkünstlern wie Kong weiß man nie so genau, ob das, was man da hört, auch wirklich so erzeugt worden ist, wie man das glaubt). Noch zwei weitere Gäste sind an "Merchants Of Air" beteiligt: Björn Warning und Michael Jahoda (verwandt oder verschwägert mit Lutz Jahoda?) sorgen für den Gesang (einer sprechend, einer richtig singend) im siebeneinhalbminütigen Abschlußstück "Back Into The Trees", womit Kong ein weiteres Mal unter Beweis stellen, daß sie keineswegs zwanghaft an ihrem Leisten kleben, sondern durchaus weit über den Tellerrand hinaus zu blicken imstande sind. Leider weist der Digipack keinen Lyricsabdruck auf, so daß man nicht mit letzter Sicherheit entscheiden kann, ob das Technik-vs-Natur-Konzept des Artworks (Mark Drillich) hier eine Fortsetzung erfährt, egal ob nun in ernster oder satirischer (remember "Auf die Bäume, ihr Affen, der Wald wird gefegt"?!) Weise. Daß der Kolibri vom Cover auch noch im Innenteil des Digipacks da ist, als die antike Statue schon längst vom Sockel gestürzt ist, läßt die zivilisationskritische Haltung des Quartetts deutlich erkennen, selbst wenn natürlich auch Kong sich ganz selbstverständlich der heutigen technischen Errungenschaften bedienen und bekannterweise in den Neunzigern diesbezüglich sogar Pioniercharakter aufwiesen. Aber daß einem der Musiker auf dem Bandfoto ein Flußpferd aus dem Bauch schaut, beweist wieder die Ironiefähigkeit der Band. "Merchants Of Air" ist jedenfalls ein starkes Album, mit dem Kong ihre Position in der Instrumentalrockszene ein weiteres Mal eindrucksvoll untermauern. Wer die knapp 58 Minuten Musik haben will, kann schauen, ob er eventuell noch ein Exemplar des außerdem noch die Livescheibe "Live At FZW" enthaltenden Packages erwischt.
Kontakt: www.kong.nl

Tracklist:
El Pilar
Astral Calls
Steamtrucking
The Gates Of Exception
Same Meaning Different Worlds
Wahnsinn, Baby
Stug
Vapour Lock
No Strings Attached
Blue Couch
Back Into The Trees


 



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