www.Crossover-agm.de KIMAERA: Ebony Veiled
von rls

KIMAERA: Ebony Veiled   (Stygian Crypt Productions)

Wieder eine Länderlücke in der eigenen CD-Sammlung und bei den CrossOver-CD-Reviews gefüllt: Kimaera stammen aus dem Libanon, legen mit "Ebony Veiled" ihr Debütalbum vor und tun dies gleich in einer wahrhaft globalisierten Weise: Aufgenommen im bandeigenen Studio im Libanon (außer den Drums, aber auch für die frequentierte man ein Studio im eigenen Land), ging es für Mix und Mastering nach Weißrußland, und das Resultat wurde schließlich auf einem Label herausgebracht, das seinen Sitz in der Gegend von Swerdlowsk, also in Westsibirien knapp östlich des Urals, hat. Als einzige Band in den Danksagungen werden My Dying Bride aufgeführt, und so verwundert es nicht, wenn sich "Ebony Veiled" tatsächlich als dem Düstermetalgenre zugehörig entpuppt. Allerdings gibt es hier keinen klassischen Doom Death zu hören, wie man anhand einer etwaigen Vorbildwirkung schlußfolgern könnte, sondern statt dessen ebenso klassischen Gothic Metal, allerdings bisweilen mit für dieses Genre ausgesprochen hohem Tempo, das im Durchschnitt weit über dem anderer Genrevertreter liegt. So richtig finster-schleppende Passagen mit kaum über Kriechgeschwindigkeit liegendem Grundbeat gibt es in den reichlich 50 Minuten nur sehr selten zu hören (selbst die ausgedehnte Endpassage in "Idyllic Illusions" unterlegt Trommler Pascal noch mit einem recht dynamischen Spiel), und das, obwohl die sechs Hauptsongs (dazu kommen noch das kurze Intro "Disarray" und der auch nur reichlich zweiminütige Titeltrack am Ende) immerhin eine Durchschnittslänge von etwa acht Minuten aufweisen. Daß die Kompositionen trotzdem nicht langweilig werden, liegt am geschickten Händchen der Songwritingfraktion für Stimmungswechsel und den Einsatz der vielfältigen Möglichkeiten, welche die Bandbesetzung bietet. So verfügt man mit Moe über einen festen Keyboarder (daß der so ähnlich heißt wie Einar Moen von Tristania, wird wohl Zufall sein, aber kein Zufall sind zweifellos die mit fortschreitender Spielzeit immer häufiger werdenden Passagen, die im besten Sinne an das Frühwerk von Tristania erinnern), der bisweilen mit seinem Instrument auch eine Geige simuliert (womit wir wieder bei My Dying Bride wären), in "God's Wrath" auch mal einen leider etwas zu weit in den Hintergrund gemischten Cellosound auspackt und ansonsten gern vielfarbige Teppiche auslegt, auf denen allerdings die Gitarren von JP und Paul eine eindeutige Klangdominanz ausüben, die sie mit ihrer Vielschichtigkeit sowohl im Lead- als auch im Rhythmusspiel auch eindrucksvoll rechtfertigen - man achte mal genau auf die schrittweise Dominanzrücknehme im Solo von "The Day Innocence Died", welche die Gitarren fast wie durch einen Schleier erklingen läßt, bevor ein klassischer Klavierlauf Marke frühe Tristania übernimmt und das Solo weiterführt - die "Verschleierung" wird im Outro vor dem reinen Klavierteil nochmal in ähnlicher Struktur aufgenommen. Vielschichtigkeit beweist auch der Gesang: Rhythmusgitarrist JP growlt herzhaft ins Mikro, wie das My Dying Bride-Aaron früher getan hat und heute bisweilen wieder tut, während Sabine glockenhelle weibliche Vocals danebenstellt, allerdings nur selten in sehr große Höhen vorstößt (eines dieser seltenen Exempel: ihre Backings in den Strophen von "In A Dying Embrace"). Man fühlt sich vielmehr an eine Mixtur aus Liv Kristine Espenaes-Krull und Kari Rueslatten erinnert, und das darf in diesem Fall als Kompliment verstanden werden, da sie von beiden norwegischen Vorbildern nur jeweils die Tugenden vereint. Um in Norwegen zu bleiben: Eine kleine Prise Vibeke Stene ist natürlich auch noch mit drin, und im Mittelteil von "In A Dying Embrace" hätte es gar nicht des Wortes "angellore" im Text bedurft, um speziell dieser Passage (wieder eine Mixtur aus mittelschnellem Gothic Metal und einem klassischen Klavierlauf) eine hundertzwanzigprozentige Tristania-Tauglichkeit zu bescheinigen. Kimaera sind allerdings keine Kopisten, sie führen lediglich das weiter, was Tristania mit ihrer schrittweisen Abkehr von ihrem ursprünglichen Sound ab "World Of Glass" oder spätestens ab "Ashes" nicht mehr realisieren wollten, und mischen es mit einigen anderen Einflüssen. Und so wird speziell "In A Dying Embrace" zum wohl besten Tristania-Song, den Tristania selbst nie geschrieben haben. Ein wenig geht dem libanesischen Sechser freilich noch das Händchen zum Schreiben von "Gothic Metal-Hits" ab, aber das war vermutlich auch nicht das Ziel, und eine gewisse Einprägsamkeit können etwa Passagen wie die erwähnte in "In A Dying Embrace" zweifellos nicht verhehlen, zumal auch die gängigen Wiederholungsschemata des Metal gern bedient werden, relativ hohe Tempowechseldichte hin oder her. Sonderlich einprägsam sind die Melodien, mit denen Kimaera arbeiten, freilich nicht - aber wie erwähnt, war das wohl auch nicht Sinn und Zweck der Sache. So können sich alle, die auf das Frühwerk von Tristania stehen und die spätere Entwicklung der Band nicht gutheißen, mit "Ebony Veiled" erstklassiges Ersatzfutter ins Haus holen, bekommen mit dem Intro von "Mess Of Hostility" noch eine der schönsten Passagen dazu, die The Third And The Mortal auf ihrem "Tears Laid In Earth"-Werk unterzubringen vergessen haben (bevor der Song dann wieder eher in der Tristania-Kategorie landet) - und wer das alles nicht mittels Querverweisen in der eigenen Sammlung nachvollziehen kann, bekommt einfach eine starke Gothic Metal-Platte aus einem exotischen Land, wenngleich man Kimaera ihre Herkunft weder im positiven noch im negativen Sinne anhört. Mittlerweile ist auch das zweite Album fertig, es heißt "Solitary Impact" und beinhaltet eine neue weibliche Stimme; man darf gespannt sein.
Kontakt: www.kimaera.info, http://stygiancrypt.cjb.net

Tracklist:
Disarray
Among The Dead
Idyllic Illusions
The Day Innocence Died
In A Dying Embrace
God's Wrath
Mess Of Hostility
Ebony Veiled



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