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JELONEK: Jelonek
von rls

JELONEK: Jelonek   (Mystic Production)

Michal Jelonek kennt der Polen-Metal-Experte als Geiger von Hunter - eine Planstelle, die für eine Power- bzw. Thrash-Metal-Band eher ungewöhnlich anmutet und auch noch nicht von Anfang an im Kontext dieser Band vorgesehen war: Hunter existieren bereits seit den Mittachtzigern, aber Jelonek spielt dort erst seit 2002 mit, wobei er außer an der Geige auch noch am Backgroundmikrofon zu finden ist. Gesang gibt es auf seinem ersten Soloalbum allerdings nicht zu hören: "Jelonek" ist eine reine Instrumentalscheibe, und die Geige des Meisters steht natürlich, was die Leadarbeit betrifft, klar im Vordergrund, tritt allerdings an passender Stelle auch in gleichberechtigte Dialoge mit anderen beteiligten Instrumenten, etwa der Gitarre in "Akka", einem originellen, keltische und nahöstliche Klangelemente verquickenden Stück, oder in "Mosquito Flight", wo das titelgebende Tier keineswegs nur von der Geige, sondern auch von der Gitarre dargestellt wird (und wie diese Komposition nach Minute anderthalb plötzlich in einen klassischen Tangopart umschlägt, gehört zu den ganz großen Momenten der CD). Auch andere Dialogstrukturen lassen sich finden, etwa zwischen Geige und Cello in "Steppe", wo das Cello nur anfangs als so etwas wie gleichberechtigter Partner agiert, aber schrittweise immer weiter in den Hintergrund gedrängt wird. Selbiges Cello spielt die pausbäckige Justyna Osiecka, und neben ihr agieren auf dem knapp 50minütigen Album noch acht weitere Instrumentalisten neben dem Chef, darunter gleich vier Schlagzeuger bzw. Percussionisten, natürlich nicht gleichzeitig. Daß die Hunter-Mitglieder Jeloneks Ausflug nicht mißbilligen, kommt dadurch zum Ausdruck, daß sie fast komplett an der Einspielung beteiligt waren. Das Ergebnis klingt dann ungefähr so, wie man es sich anhand der bisherigen Beschreibung vielleicht vorgestellt hat: Es handelt sich um instrumentalen Hardrock bzw. Metal der melodieorientierteren Sorte, bei dem die Geige überwiegend die Rolle des Leadinstrumentes spielt. Die anderen Instrumente werden dabei überwiegend im "normalen" Kontext eingesetzt, im Gegensatz beispielsweise zu Apocalyptica, die ja außer dem Schlagzeug alle anderen Bestandteile mit ihren Celli simulieren, oder auch zu den deutschen Carpe Noctem, wo zwar auch ein Geiger die Leadfunktion ausübt, aber zwei Cellisten die Rolle der E-Gitarren übernehmen. Das ist bei Jelonek anders: Wenn der Chef an einer Stelle eine E-Gitarre hören will, dann läßt er einen der beiden beteiligten Gitarristen (der eine ist Pawel "Drak" Grzegorczyk, Bandgründer und -kopf von Hunter) spielen, und da Jelonek seine Musik klar im Rock- bzw. Metalgenre ansiedelt, ist klar, daß die E-Gitarre in seiner musikalischen Gedankenwelt an dieser Stelle eine strukturimmanente Rolle spielt, auch wenn es einige Passagen oder ganze Stücke gibt, die ohne ihre Dienste auskommen, etwa das verträumte "Beech Forest", in dem neben den Streichinstrumenten nur im Hintergrund ein ganz entferntes Dröhnen zu vernehmen ist, das ein wenig an den Grundton in Anathemas Ambient-Klassiker "Dreaming: The Romance" erinnert. Das viereinhalbminütige Outro "Pizzicato - Asceticism" und der nach einer knappen Minute folgende Hidden Track wiederum sind reine neoklassische Kammermusikkompositionen. Jelonek weiß aber auch, wie man die verschiedenen musikalischen Welten koppelt, wofür "War In The Kids Room" als Beispiel herhalten darf, das zirkusartige Geigenzupfereien mit beinharten Metalelementen und einigen "Verbindern" kombiniert. Solche vielschichtigen Kompositionen erschließen sich vielleicht erst nach etlichen Hördurchläufen, aber beispielsweise mit "BaRock" hat Jelonek gleich eine programmatisch betitelte Komposition an den Anfang der CD gestellt, die zudem durch große Eingängigkeit den Zugang ins Material erleichtert. Somit kommt der Hörer gleich in die richtige Stimmung und weiß, was ihn erwartet, auch wenn er dann im weiteren Verlauf doch hier und da etwas mehr Hörarbeit investieren muß, um die Genialität so manchen Gedankens nachvollziehen zu können. So brillant etwa das bereits erwähnte "Mosquito Flight" arrangiert ist - es enthält so viele Details, daß man auch nach etlichen Hördurchläufen immer noch Neues entdeckt, ohne daß man aber die Komposition irgendwie als überladen empfinden würde. Ähnliches gilt für "A Funeral Of A Provincial Vampire" mit seinen ultratiefen Gitarren oder das tatsächlich ganz leicht industrialangehauchte "MachineHat" (paradoxerweise sieht Drak auf dem Mitwirkendenfoto ein klein wenig wie Robert Flynn aus, wobei die E-Gitarre gerade in diesem Stück aber keine maßgebliche Rolle spielt). Den hohen Anspruch des Projektes verdeutlicht auch der sehr ansprechend gestaltete Digipack mit seiner schönen Partiallackierung, und so ist hier von einem würdigen Gesamtpaket zu sprechen, das alle Rock- und Metalfans, die sich vom fehlenden Gesang nicht gestört fühlen, einem Hörtest unterziehen sollten. Der mittlerweile vorliegende Nachfolgetonträger "Revenge" ist bisher noch nicht beim Rezensenten gelandet, so daß über die weitere Entwicklung noch keine Auskunft gegeben werden kann.
Kontakt: www.jelonek.art.pl, www.mystic.pl

Tracklist:
BaRock
B.east
Vendome 1212
Akka
Steppe
A Funeral Of A Provincial Vampire
Lorr
Beech Forest
War In The Kids Room
Miserere Mei Deus
Mosquito Flight
MachineHat
Elephant's Ballet
Pizzicato - Asceticism


 



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