www.Crossover-agm.de CARPE NOCTEM: Op. 2: Allegro Con Fuoco
von rls

CARPE NOCTEM: Op. 2: Allegro Con Fuoco   (Eigenproduktion)

Live recht aktiv und beliebt, verlangt die Fanschar einer Band natürlich auch gern Tonkonserven ab, und Carpe Noctem kommen diesem Wunsch jetzt schon zum zweiten Mal nach, wie der CD-Titel unmißverständlich klarmacht, wobei er interessanterweise von der ganz streng klassischen Deutung des Opus-Begriffes abweicht: Es handelt sich nicht um acht zwingend in dieser Reihenfolge und Komplettheit zusammengehörige Stücke, sondern um acht (bzw. sechs - dazu gleich mehr) eigenständige Werke, die manch klassischer Komponist früher opusseitig eher durchnumeriert hätte, auch wenn die Variante, mehrere beispielsweise in einem Heft zusammengefaßt veröffentlichte Einzelwerke unter einem Gesamttitel zu veröffentlichen, gerade bei "Kleinformen" wie Liedern oder kleineren Klavierstücken durchaus auch häufiger angewendet worden ist. Deutet man die Werke von Carpe Noctem also als solche Kleinformen, so entspricht die Vergabe einer gemeinsamen Opuszahl einer nicht unüblichen historischen Methode.
Nach so viel Theorie nun endlich Praxis: Die Jenaer (oder Jenenser) spielen natürlich weiterhin ihren originellen String Metal, dessen Grundprinzip im Livereview zum Gig vom 13.1.2012 als Support von Nemo bereits detailliert erläutert worden ist: Fünf Leute spielen Metal, wobei ein Geiger die Rolle des Leadsängers übernimmt und zwei Cellisten anstelle der Gitarristen agieren. Die Verbindung "Cello/Metal" ruft natürlich sofort Apocalyptica ins Gedächtnis, und diese stellen auch einen unbestreitbaren Einfluß auf das Schaffen von Carpe Noctem dar, aber allein schon Friedrich Buschs Violine und Sascha Dobschals Baßgitarre machen einen grundsätzlichen Unterschied zu den großen Finnen klar: Carpe Noctems klangfarbentechnische Basis ist breiter, und das Spektrum wird natürlich auch genutzt. Zudem sind die Thüringer einen Tick weniger avantgardistisch gepolt als die Finnen, sondern agieren fast "kommerziell", was in diesem Falle als Kompliment verstanden werden soll: Sie verstehen es prächtig, Anspruch mit Eingängigkeit zu paaren, und um "Hits" zu fabrizieren, benötigen sie eigentlich nicht mal Gastsänger, derer sie sich gelegentlich aber doch bedienen. Leo Kinne macht dabei mit seinem Gekreisch aus "Afterwrath" eine Art wilden Metalcore, wird aber von einer Zweitstimme, nämlich der klaren von Dascha Isserlis, mit einem Kontrapunkt versehen. Selbige Dascha ist zudem in der schönen Ballade "Gravely To Forget" zu hören. Beide Gesangsnummern finden sich übrigens auch in alternativen Fassungen ohne Gesang auf der Scheibe, so daß der Hörer interessante Vergleiche anstellen kann. Interessanterweise sind zwei Fassungen als Boni ausgewiesen, nämlich die Instrumentalfassung von "Afterwrath" (die am Ende tatsächlich ein wenig "leer" wirkt, wenn man die andere Version kennt) und die Gesangsfassung von "Gravely To Forget" (hier setzt der auch in den Höhenlagen noch kuschlig warme Gesang einen stark beruhigenden zusätzlichen Akzent) - auch hierüber kann man sich beim Hören trefflich Gedanken machen ... Die beiden furiosen Opener "Storm Of The Fury" und "Mephisto", beide jeweils nicht mal drei Minuten lang, hängen quasi so eng zusammen, daß man sie gar nicht einzeln betrachten möchte, auch "Intermezzo" wirbelt furios durch den Notenwald, während sich "Wintertag", geschrieben von Martin Streicher, einem der beiden Cellisten, im massiven Midtempo durch den Schnee pflügt bzw. sägt. "Afterwrath" wechselt metalcoretypisch munter das Tempo, und die Kuschelkompatibilität von "Gravely To Forget" ist ja bereits angeklungen. So machen Carpe Noctem in weniger als einer halben Stunde mehr oder weniger ihren ganzen derzeitigen Klangkosmos deutlich, und der ist einerseits weit genug gespannt, um jederzeit für Abwechslung zu sorgen, andererseits eng genug, um jedes Stück sofort den Jenaern (oder Jenensern - zur Erklärung: Jenenser sind in Jena geboren und wohnen auch dort, während Jenaer in Jena wohnen, aber nicht dort geboren wurden; ohne persönliche Kenntnis der Bandmitglieder kann also nicht entschieden werden, welche der beiden Bezeichnungen zutrifft) zuordnen zu können. Carpe Noctem sind also schon in diesem frühen Stadium ihrer Bandexistenz originell - und gut sind sie noch dazu. In den Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, hätte das für eine große Karriere schon ausgereicht, aber das ist heutzutage bekanntlich anders, und gerade originelle Bands haben es mitunter sehr schwer, weshalb der qualitätsbewußte Musikfreund dringend aufgerufen sei, den hübschen Digipack zu erwerben (oder als Testballon einen Gig der Band zu besuchen).
Kontakt: www.carpenoctemband.de

Tracklist:
Storm Of The Fury
Mephisto
Afterwrath (feat. Leo Kinne)
Gravely To Forget
Intermezzo
Wintertag
Afterwrath (Instrumental)
Gravely To Forget (feat. Dascha Isserlis)
 




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