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INDICA: A Way Away
von rls

INDICA: A Way Away   (Warner)

Indica-Chefdenkerin Johanna Salomaa aka Jonsu dürfte einer breiten Öffentlichkeit in Mitteleuropa durch ihre Kollaboration mit Nightwish bekannt geworden sein - man konnte sie auf der Single "Erämaan Viimeinen" hören, hinter der sich eine vokalisierte Version von "Last Of The Wilds" verbarg, das man nun wiederum vom "Dark Passion Play"-Album kannte. Kaum jemand dürfte aber gewußt haben, daß Jonsus Stammband Indica in Finnland bereits Starstatus genießt und dort schon vier in der Landessprache eingesungene Alben veröffentlicht hat. "A Way Away" ist nun Album Numero 5 und das erste in Englisch eingesungene, wofür sich Fast-Alleintexterin Jonsu sprachliche Hilfe von Rory Winston an Bord geholt hat. Markanteste Unterstützung leistete aber ein anderer Promi: Nightwish-Chefdenker Tuomas Holopainen ließ es sich nicht nehmen, den zehnten Text ("Precious Dark") zu schreiben, bei den Arrangements mitzumischen und das Album auch gleich noch zu produzieren. Das hat Vor- wie Nachteile: Einerseits ist professionelle Arbeit damit eine Selbstverständlichkeit, andererseits ist ein Ergebnis entstanden, das böse Zungen als "Nightwish light" titulieren könnten. Und tatsächlich finden sich diverse Ideen, die in dieser Form auch auf Nightwish-Alben keine Fremdkörper abgegeben hätten - man höre sich nur mal das düstere Intro von "Children Of Frost" genau an! Und schon der Opener "Islands Of Light" hätte in ähnlicher Form durchaus das Nightwish-Debüt "Angels Fall First" bereichern können. Nun ist das freilich nichts Schlechtes, sofern es sich nicht um eine Blaupause handelt, und von dieser Gefahr sind Indica dann doch weit entfernt. Erstens subtrahieren sie die metallische Härte weitgehend aus der Musik - sie packen durchaus auch mal rockend zu, und Gitarristin Jenny darf immer mal ein härteres Riff einstreuen, aber an sowas wie "Master Passion Greed" braucht man hier von vornherein nicht zu denken und selbst an sowas wie "Amaranth" nicht. Zweitens kommt keine männliche Zweitstimme zum Einsatz - wenn man Gesänge hört, die nicht von einer der fünf Damen stammen, dann handelt es sich um einen Kinderchor ("Children Of Frost"). Drittens schließlich ähnelt Jonsus Stimme der von Tarja Turunen überhaupt nicht und der von Anette Olzon auch nur partiell - sie hält sich durchaus in einer ähnlichen Stimmgattung auf wie Anette, singt aber noch nasaler, teils etwas expressiver, bisweilen fast "kindlicher" anmutend (hier "Lilja's Lament" als treffendes Beispiel). Daß Indica ein Bandmitglied haben, das optisch Anette durchaus ähnelt (auf dem Coverbild ganz rechts stehend), stellt einen hübschen Treppenwitz der Geschichte dar, dürfte aber keine musikalischen Auswirkungen gezeitigt haben. Die vier finnischen Vorgängeralben sind dem Rezensenten allesamt unbekannt, er kann also keine Direktvergleiche anstellen, was außer der phonetisch deutlich härteren Sprache dort eventuell noch alles anders war. "A Way Away" offenbart jedenfalls eine relativ eigentümliche Vorstellung von Dynamik. Der Opener "Islands Of Light" ist für lange Zeit der mit Abstand energischste Song, "Precious Dark" gerät zu einer Art Lightversion von "Cadence Of Her Last Breath", die locker aus den Boxen getänzelt kommt, aber dann ziehen Indica längere Zeit den Stecker aus der Steckdose: "Children Of Frost" ist eine vielschichtige Halbballade, "Lilja's Lament" läßt den Hörer bis kurz vor Schluß in der Vorstellung gefangen, es handele sich um eine pure Streicher-plus-Wandergitarre-Ballade (überraschend bekommt Schlagzeugerin Laura dann gegen Ende aber doch noch ein bissel mehr Arbeit), und auch "In Passing" schleicht durch die Botanik, sogar etwas Langeweile aufkommen lassend. Die zerstört Jenny allerdings mit dem Riff zu "Scissor, Paper, Rock" - ein Musterbeispiel finnischer Rockmusik, irgendwo zwischen Glam- und Düsterrock angesiedelt und instrumental gar nicht so weit entfernt von Negative auf der einen und HIM auf der anderen Seite angesiedelt. Davon hätte es in der Dreiviertelstunde ruhig noch ein paar Exempel mehr (oder zumindest eine bessere Verteilung) geben können, wenngleich die popgewohnte Hörerschaft das vermutlich anders sehen wird und auch der frisch verliebte Teil unter den Hörern die balladesken Elemente vermutlich höher einschätzt als Rationalisten wie der Rezensent. Der Titeltrack beginnt nämlich schon wieder als Klavierballade, immerhin als richtig gute mit hohem Eskapismusfaktor, aber dann im Mittelteil kommt plötzlich ein Break mit lauter Gitarre und schrägen, fast progverdächtigen Harmonien, bevor der Song wieder zum Hauptthema zusammenfällt. Wenn man schon Indica heißt, muß man auch einen asiatischen Song im Repertoire haben, wird sich Alleinkomponistin Jonsu gedacht haben - der heißt hier "As If" und ist der wohl nightwishigste Track des Albums. Er schafft zudem das Kunststück, "Sahara" der hier offensichtlichen Vorbilder in den Schatten zu stellen (die ja den perfekten Orientalmetaltrack ihres Schaffens auch noch vor sich haben): Orchestertürme, orientalische Melodik, etwas Energie von unten her (nicht nur aus dem Riffing, sondern z.B. auch aus den Orchesterposaunen), trotzdem Lockerheit, eine schöne Kombination aus Simplizität und Überströmung, die gerne deutlich länger hätte dauern dürfen als die nach hinten heraus fast abgehackt wirkenden knapp dreieinhalb Minuten. Wenigstens kommt mit "Straight & Arrow" gleich noch was Gutes hinterher - orchestrale Rockmusik ohne viel Düsterelemente, flott mit einigen Verharrungen, geschickt arrangiert und mit knapp dreieinhalb Minuten wiederum deutlich zu kurz. Zum Ausklang drückt "Eerie Eden" noch einmal auf die Tränendrüse (eine reine Klavierballade geht in einen entspannten Orchestermidtempopart mit witzigen Wellenbewegungen der Violinen und schließlich in ein ausgedehntes Outro mit einer sehnsuchtsvoll-großen Leadvioline, eingespielt von Jonsu selbst, über) und schließt damit ein hochklassiges und unterhaltsames Album ab, das trotz der beschriebenen kleinen Durststrecke in vielerlei Situationen gute Dienste zu leisten imstande ist. Wer bei Nightwish nicht gerade nur auf die Härte fixiert ist, darf "A Way Away" sogar als Pflichtkauf ansehen.
Kontakt: www.indica.fi

Tracklist:
Islands Of Light
Precious Dark
Children Of Frost
Lilja's Lament
In Passing
Scissor, Paper, Rock
A Way Away
As If
Straight & Arrow
Eerie Eden
 




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