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IN-QUEST: The Comatose Quandaries
von ta

IN-QUEST: The Comatose Quandaries   (Dockyard 1)

Der helle Wahnsinn. In-Quest klingen, als ob sie ihre Lieblingselemente aus mittleren Meshuggah, Aborteds "The Archaic Abattoir", Fear Factory zu "Demanufacture"-Zeiten, Mnemic und den Franzosen Scarve herausgefiltert hätten und heraus kam dann ein ebenso brutaler wie atmosphärischer Bastard mit dem komplizierten Titel "The Comatose Quandaries", der sich ohne Frage unter die zehn besten Extrem-Metal-Scheiben 2005 einsortiert. "The Comatose Quandaries" ist Death Metal, ohne Frage. Sänger Mike Löfberg growlt und brüllt sich abgesehen von einem unnötigen Schwächeanfall des Klargesangs ("Socioneural Geneticism") durch die gesamte Albumlänge, mit tiefer Stimme und maximalem Einsatz, während die Gitarrenabteilung um Douglas Verhoeven und Jan Geenen messerscharfe Rhythmusattacken abliefert, welche in Sachen Melodik die typische Reduktion durch den Fear Factory/Meshuggah-Filter erfahren haben, andererseits aber auch gerne deren polyrhythmische Raffinesse übernehmen (man horche der Überprüfung wegen z.B. genau in das höchst intensive, nervenzerfetzend geile "Cryotron Frequency" hinein) und zudem mächtigst am Mattenschwingapparat zerren. Der Groove bleibt hierbei selbst erhalten, wenn heftige Blastbeats die Boxen erschüttern machen (kommt öfters vor), denn alles, was der Death Metal an Flitzfingerriffing zu bieten hat, wird hier konsequent zugunsten von stampfender Heavyness am Wegrand liegengelassen. Die wird dann auch das ganze Album konsequent durchgehalten. Mann, vergesst einfach das Gejodel der Softies unter den modern Harten, vergesst auch das ganze Laut/Leise-Geplänkel von Combos wie Mnemic, vergesst flotte Soli und vergesst, dass das Leben auch Freude bereiten kann. Wenn In-Quest das Distortion-Pedal betätigen und ruhige Töne anschlagen, dann ausschließlich in ausgewählten Momenten, welche die nachfolgende Explosion nur umso gewaltiger erscheinen lassen. "Sigmoid Signal" ist so ein Moment, an Düsternis kaum zu überbieten, mit endlos treibenden Riffs und kranken Samples. Die spartanische Melodik ist dermaßen effizient, dass die Gänsehaut wohlig im Nacken krieselt, was in dem Metier kaum einer Band gelingen dürfte. Ein weiteres Beispiel: "The Frozen; Nuclear Aftermath", einer der schönsten Brutalinski-Songs des vergangenen Jahres 2005, bei dem man irgendwann nicht mehr weiß, ob man entfesselt abmoshen oder entrückt tanzen oder einfach hinwegträumen soll. Besonders das Gitarrensolo nach der Unisono-Pause ist nicht von dieser Welt und die Anzahl der mit ihm verwendeten Töne läßt sich an einer Hand abzählen - Effizienz, also maximale Ausbeute mit minimalen Mitteln, ich sagte es vielleicht bereits. Das Melodieempfinden der Band sucht ohnehin seinesgleichen: Auch hinter den fettesten Rhythmusstakkati lauert ein empfindsames spartanisches Lead, das man eher bei einer Band wie Primordial erwarten würde und welches das Endergebnis auf seltsame Weise bricht (besonders, wenn es wie im deprimierenden "Warpath" mit einem dezenten Keyboardschleier unterlegt wird) und die Brutalität der Death Metal-Basis in ein fragiles Licht stellt - was nicht heißt, dass "The Comatose Quandaries" harmlos, sondern, dass "The Comatose Quandaries" intelligent ist. Hier wurde richtig an guten Songs gearbeitet, was auch ein weiteres Phänomen zeigt: Das gesamte Album ist durchzogen von Rhythmuswechseln, Tempoumschwüngen und Taktvariationen, trotzdem bleibt das Endergebnis eingängig und geradeaus gepolt, jegliche Komplexität hintergründig. Ergo - musiktheoretisch gefolgert -: Mehr noch als auf vielen anderen Alben, die in diesem Jahr erschienen sind, lässt sich an "The Comatose Quandaries" die Mehrdimensionalität von guter Musik ablesen. Ich will noch kurz weiter auf diesem Punkt herumreiten: Das Beieinander von voranpreschender Power und blankem, resignierendem Verzweiflungsschrei ist zum Zungeschnalzen. Das gibt es zwar auch bei Mnemic, Fear Factory und Linkin Park, aber im Gegensatz zu diesen Combos wurde es bei In-Quest noch nicht durch den zum Mainstream avancierten Zwangsdynamik-Filter geleiert und reißt deswegen umso gewaltiger mit. Und das beinahe über eine volle Albumdistanz. Ausnahme bleibt "Operation; Citadel", das nicht dieselbe songinterne Stimmigkeit aufweist wie die restlichen Tracks des absolut homogenen Albums; hier nervt nämlich eine Running Wild-artige Melodie (!), welche auf einen Blastbeat gelegt und unendlich wiederholt wurde. Kein Wunder, dass das Ding nur Bonus Track (mit seltsamer Positionierung als neunte von elf Nummern) und zudem vermutlich Titeltrack des fast gleichlautenden 1999er-Albums "Operation: Citandel" (welchselbiges ich nicht kenne) ist.
Ebenfalls für verzichtbar halte ich die erwähnten "Socioneural Geneticism"-Passagen, in denen Löfberg (oder Gastsänger Michael (Mnemic), so genau ist das nicht rauszuhören) tatsächlich singt und nicht schreit, und zwar einfach deshalb, weil die gesungenen Passagen nicht dieselbe Ausdruckskraft aufweisen wie eben: der ganze Rest. Aber du meine Güte, elf Songs, von denen einer in die zweite Reihe gehört und ein anderer etwas gekürzt werden könnte - das ist eine Bilanz, die ihresgleichen sucht. Deshalb, Freunde des modernen, aber nicht trendigen Death Metals, Liebhaber der genannten Vergleichscombos, von mir aus auch irgendwelche Trendheinis: Hört, hört, hört, hört, hört, hört. Und mosht. Tanzt. Träumt. Oder was weiß ich, irgendwas, aber zu diesem Album. Anspieltip für den werten Leser: Der Beinahe-Titeltrack "The Comatose Quandary", welcher alle wesentlichen Merkmale repräsentativ vereinigt. Und ein Kompliment zuletzt an die Band aufgrund der gelungenen Songtitel.
Kontakt: www.goodliferecords.com (belgische Plattenfirma), www.dockyard1.com (deutsche Plattenfirma)

Tracklist:
1. Diffuse Pattern Recognition
2. Audiotoxic Binaries
3. Socioneural Geneticism
4. Cryotron Frequency
5. The Frozen; Nuclear Aftermath
6. The Comatose Quandary
7. Warpath
8. Systematic Arhythmetic Hate
9. Operation; Citadel
10. Sigmond Signal
11. Resilent Androtronic Carnage



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