www.Crossover-agm.de IMPERFECTION: Who Cares
von rls

IMPERFECTION: Who Cares   (Eigenproduktion)

Eine ganz harte Nuß geben Imperfection dem Rezensenten auf: Wie soll er ihren Stil beschreiben? Die Jungs von Whirlwind Records, welche diesen Silberling in Deutschland vertreiben, versuchten sich mit "Progressive Hardrock" aus der Affäre zu ziehen und liegen damit nicht ganz so falsch, wenngleich Verwechslungen mit Progrock unbedingt vermieden werden müssen, denn das brasilianische Trio hat mit solcherartiger Klangerzeugung (also Yes, Pallas oder Ähnliches) nichts zu tun. Aber ein anderes Trio scheint gelegentlich einflußtechnisch durch: King's X - dies weniger in der Gesangs- als viel mehr in der Riffkomponente und auch gelegentlich im Groove. Imperfection wechseln allerdings schon in den beiden Openern "Bridges" und "Ever Fall" (ersterer mit sechs Minuten doppelt so lang wie zweiterer) die Tempi häufiger als King's X auf einer kompletten Scheibe, was dann doch wieder den progressiven Aspekt ins Gedächtnis ruft. Freunde von Awful Noise sollten sich den Namen Imperfection auch mal auf ihren großen Interessenszettel notieren, denn passagenweise sind Ähnlichkeiten der beiden Bands zu rekognoszieren. Noch nicht ganz sicher wirkt an mancher Stelle Thiago R.G.s Gesang, aber generell vollbringt der Fronter eine ordentliche Leistung, die man allerdings genauso schwer einordnen kann wie die Musik. Hier und da taugt eine cleanere Version von Kurt Cobain als Vergleich, an anderen Stellen wiederum James Hetfield in der "Load"-/"Reload"-Ära, und im alternativen Rockbereich Bewanderten fällt bestimmt noch manche andere Parallele ein. Und kaum hat man all das geschrieben, stimmen Imperfection ihre Gitarren in "Slavery" noch weiter runter als sonst und beginnen stonerlastigen Doom zu spielen, bevor sie plötzlich das Tempo nach oben schrauben (dann also mehr Stoner als Doom) und genauso plötzlich einen halbakustischen Part einschieben, den man mit gar nichts mehr vergleichen kann. Und bis dahin ist von dem dreieinhalbminütigen Song grade mal die Hälfte vergangen. An Ideen mangelt es dem Trio aus Belo Horizonte also definitiv nicht, und selbst wenn noch nicht jeder Part bzw. jede Reihenfolge ganz logisch gewachsen wirkt, so bleibt "Who Cares" doch zu jeder Sekunde spannend, weil man nur schwer voraussehen kann, was die Brasilianer wohl als nächstes tun werden. In der Instrumentalarbeit sind Thiago (der auch Gitarre spielt), Edrei (Baß) und Leonardo (Drums) auf jeden Fall hochgradig fit, und es könnte durchaus sein, daß sie live dazu neigen, längere Jampassagen einzubasteln - genügend Anknüpfungspunkte in den Songs gäbe es jedenfalls, an manchen haben sie hier auch schon eine Art Andeutung eingebaut, daß sie ausbrechen könnten, machen dann aber doch im Studiosongkontext weiter. Mit seinen nicht mal drei Minuten drückt "Yellow Smile" am geschwindesten aus den Boxen, und auch im Schlußteil von "Wine" schraubt Leonardo urplötzlich das Tempo nach oben, um im darauffolgenden "Rage From The Grave" dasselbe aufzunehmen, bevor der Mittelteil dann wieder in eine der unzähligen Varianten des dominierenden Midtempos zurückfällt und erst der Vorschluß wieder schneller wird, dann aber in einen halbakustisch-sanften Ausklang verfallend. Dynamiken wie in diesem Song gibt es im mir bekannten Schaffen von King's X nicht oft zu hören. Man braucht definitiv mehrere Hördurchläufe, bis man die meisten der Songs verstanden hat - sie sind generell nicht so sperrig konstruiert, daß sie sich jedem Zugang verschließen; es erfordert eben nur etwas Arbeit und Einlaßbereitschaft. Das eine oder andere typisch Black Sabbath-artige Riff kann beim Zugangfinden durchaus nützliche Hilfestellung leisten. Mein Lieblingstrack ist das etwas episch angehauchte "Stomach", aber auch "Sin Machine" mit starkem Riffing und wieder einem teppichartig ausgebreiteten Halbakustikpart im Mittelteil überzeugt in hohem Maße, ebenso wie der über siebenminütige Abschlußtrack "Serenity", der die erste Hälfte seiner Spielzeit halbakustisch mit fast entrückt wirkendem Gesang bestreitet und sich dann ins Hymnische mit ekstatisch angehauchter Instrumentalarbeit steigert. Ein guter Abschluß für diese knapp einstündige CD, der sich vor allem King's X-Fans interessiert nähern sollten.
Kontakt: Leonardo Navier, Rua dos Agronomos 22, Apto. 101, Bairro Alipio de Melo, Belo Horizonte MG, 30-840-110, Brazil, www.imperfectionband.hpg.com.br; in Deutschland am einfachsten zu erwerben über www.whirlwind-records.de

Tracklist:
Bridges
Ever Fall
Is It Good
Slavery
Blames
Kids
Yellow Smile
Stomach
Wine
Rage From The Grave
Deny Yourself
Sin Machine
Serenity



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