www.Crossover-agm.de HOLY DRAGONS: Wolki Odina
von rls

HOLY DRAGONS: Wolki Odina   (Metalism Records)

Die Heiligen Drachen lassen die Wölfe Odins von der Leine, aber diese wenden sich offensichtlich gegen ihre Freilasser, und selbige flüchten daraufhin mit hoher Geschwindigkeit. Das Cover offenbart zudem die eigenartige kulturhistorische Erkenntnis, daß Odins Wölfe einen recht mechanischen Charakter besitzen. Spaß beiseite: Das mit der Geschwindigkeit ist keine Hexerei, denn die zehn Songs auf "Wolki Odina" übertreffen in puncto Durchschnittsgeschwindigkeit die acht bzw. neun von "Sumerki Bogow/Götterdämmerung" doch recht beträchtlich, die epischen Momente haben eine drastische Reduzierung erfahren, so daß Holy Dragons, wenn man ausschließlich dieses Album heranzieht, eindeutig in die Schublade des melodischen Speed Metals gepackt werden müßten. Die personellen Entwicklungen sind ja bereits im Review zu "Sumerki Bogow/Götterdämmerung" angeklungen: Chris Larson hat nur noch drei Songs am Baß eingespielt, danach ging er oder wurde gegangen - "Walchalla" wird baßseitig sowohl ihm als auch Bandkopf/Gitarrist Jurgen Thunderson zugeschrieben, "Poslednij Djen Schisni" und "Powelitjel Morjei" ausschließlich ihm, wobei es im Baßstil gar keine so großen Unterschiede zu konstatieren gibt, wenn man mal den Opener "Psy Woiny" (Baß: Thunderson) mit "Poslednij Djen Schisni" (Baß: Larson) nebeneinanderhört - zumeist hört man aufgrund der recht höhenlastigen Produktion wenig vom Baß, aber diverse Beinahe-Lead-Funktionen lassen sich auch in beiden Songs feststellen (sofern das nicht eine der beiden Gitarren eingespielt haben sollte); "Ragnarok" enthält sogar noch ein eindeutig als solches zu identifizierendes Baßsolo. Die andere personelle Veränderung betrifft den Drumsessel, auf dem mit Juri Morew wieder ein menschliches Wesen Platz genommen hat, dessen Getrommel allerdings wegen der höhenlastigen Produktion trotzdem noch einen leicht sterilen Touch besitzt; zudem könnte es sein, daß Thunderson wie schon auf dem Albumvorgänger auch hier noch einige Parts programmiert oder selbst eingespielt hat, denn auch bei ihm steht das Wort "drums" in der Besetzungsliste. Er selber besteht auf "selbst eingespielt", denn auf dem Backcover prangt ein rotes Keyboardverbotsschild mit dem Hinweis "Guaranteed No Keyboards, Synthesizers And Midi Equipment Used!", das dann nur noch die Frage offenläßt, woher etwa die Glockenklänge in "Psy Woiny" oder die Explosion am Ende von "Powelitjel Morjei" kommen. Rein stilistisch hat sich, von der rapiden Tempoverschärfung abgesehen, im Prinzip nichts weiter verändert im Lager der Kasachen; aufgrund dieser Tempoverschärfung passen Heavy Load allerdings nur noch bedingt als Eckpfeiler zur Umschreibung des Bandsounds, wenngleich nach fünf (!) Speedsongs in Folge (wenngleich auch unterschiedlicher Tempoausrichtung und daher nicht zur Monotonie neigend) tatsächlich in der zweiten Albumhälfte noch einige langsamere Tracks stehen, an sechster Stelle das bereits mehrfach erwähnte "Powelitjel Morjei" im treibenden Midtempo, an siebenter "Prisrak Schabascha", das gar einen mehrminütigen schleppenden Part an den Anfang setzt, bevor es dann völlig unvermittelt auch wieder in das gewohnte Speedtempo umschlägt, gegen Ende hin allerdings wieder den schleppenden Gestus annimmt. Selbiger Song heißt übrigens übersetzt "Illusory Sabbath", was einen niedlichen stilistischen Verweis für die schleppenden Parts ermöglicht - richtig, Black Sabbath, und wer genau hinhört, entdeckt sogar noch einen melodischen Anklang an die Bridge in "Sabbath Bloody Sabbath". Die feminin anmutenden Backing Vocals wären freilich bei Black Sabbath undenkbar gewesen; "Ragnarok" wiederum läßt vermuten, Hansi Kürsch und seine Blind Guardian-Spießgesellen hätten sich an die Backingmikros gestellt, und das Gitarrensolo verneigt sich ganz kurz vor Paul Gilberts Solo in "Daddy, Brother, Lover, Little Boy" von Mr. Big. Auch weitere Ehrerbietungen der Kasachen an die Großen der Musikwelt lassen sich finden, zwar nicht in Gestalt einer Coverversion, aber beispielsweise in der melodisch-harmonischen Gestaltung des Gitarrensolos in "Walchalla", die eine im Barock weit verbreitete Harmoniefolge wiederbelebt. Freilich sind das die Momente, an die man sich nach Hören der Dreiviertelstunde am ehesten wieder erinnert - das Ganze ist keineswegs schlecht, spielkulturell dazu sehr hoch stehend (was für Gitarren!), aber richtige große Knallersongs haben Holy Dragons auch auf diesem Album wieder mal nicht verewigt. Trotzdem: Wer prinzipiell mit dem ganzen Italospeed etwas anfangen kann, aber dessen keyboardlastige Ausrichtung nicht so schätzt, könnte mit "Wolki Odina" vielleicht eine passende Ersatzdroge finden.
Kontakt: www.holydragons.org, www.myspace.com/metalismrecords

Tracklist:
Psy Woiny
Walchalla
Poslednij Djen Schisni
Schtorm
Swjet Kostrow
Powelitjel Morjei
Prisrak Schabascha
Ragnarok
Wolki Odina
Poslednij Boi



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