www.Crossover-agm.de HOLY DRAGONS: Sumerki Bogow/Götterdämmerung
von rls

HOLY DRAGONS: Sumerki Bogow/Götterdämmerung (2003)  HOLY DRAGONS: Sumerki Bogow/Götterdämmerung (2005)   (Metalism Records)

Bei Re-Releases ist man es ja heutzutage gewöhnt, den einen oder anderen Bonus Track serviert zu bekommen. Im vorliegenden Fall ist es genau umgekehrt: Die Erstpressung des Albums, die lediglich den Titel "Sumerki Bogow" ausweist (außer auf einer Seite des CD-Trays, wo man auch schon die Übersetzung "Götterdämmerung" mitgeliefert bekommt), datiert von 2003 und hat neben den acht regulären Songs mit "Living On The Edge" einen bereits 1999 aufgenommenen Bonustrack am Start. 2005 erscheint das Album beim gleichen Label erneut, diesmal mit "Götterdämmerung" als Haupttitel ("Sumerki Bogow" steht diesmal nur auf einer CD-Tray-Seite), komplett verändertem Artwork und nur den acht 2003 eingespielten Songs, die offensichtlich völlig unverändert auf die 2005er Fassung gewandert sind; auch das Booklet gibt die gleichen Aufnahmedaten an. Das verwundert angesichts der personellen Situation: Die 2003er CD weist ein Quartett aus (das Bandbild ist eine niedliche Bleistiftzeichnung), die 2005er entfernt aus der Zeichnung (die noch eingefärbt, in Einzelpersonenköpfe zerschnitten und neu gruppiert, gespiegelt und farblich invertiert wurde) den Bassisten Chris Larson und nennt ihn im Gegensatz zur 2003er Version auch nicht im Impressum. Bei den Anfang 2004 gelaufenen Aufnahmen zum ebenfalls 2005 veröffentlichten Album "Wolki Odina" hat Larson laut dortigem Impressum nur noch bei drei Songs mitgewirkt. Da scheint es also gewissen Ärger im Bandgefüge gegeben zu haben, denn auch die 1999er Einspieler von "Living On The Edge" sind in der 2003er Version von "Sumerki Bogow" nicht vollständig genannt, lediglich der alte Sänger Daniel Throne wird angeführt - an Sängern bemerkt man die Veränderungen ja auch deutlich einfacher als bei Instrumentalisten. Generell ist die Bandgeschichte der Holy Dragons und auch ihre Veröffentlichungspolitik allerdings arg undurchsichtig, im Line-Up herrscht ein Kommen und Gehen, wobei sich mittlerweile ein gewisser Kern um Bandkopf/Fast-Alleinkomponist Jurgen Thunderson herausgebildet zu haben scheint, der außer ihm noch aus Sänger Holger Komaroff und Gitarrist Chris Caine besteht, welchletzterer sich bei einem genauen Blick übrigens als Frau entpuppt. Diverse Alben gibt es in mehreren Versionen, außer "Sumerki Bogow/Götterdämmerung" auch noch etliche andere, beispielsweise gleich das erste, das mit zwei verschiedenen Sängern vorliegt, oder etliche andere, die mal mit englischen, mal mit russischen Vocals veröffentlicht wurden. Wer sich jetzt fragt, woher Holy Dragons bei diesen Namen und CD-Titeln eigentlich kommen: Die Band stellt die außerhalb der Landesgrenzen wohl bekannteste Metalband von Kasachstan dar, und Thunderson scheint so eine Art zentrale Szenefigur in diesem Land zu sein, wenn man sich vergegenwärtigt, bei wie vielen Bands er dort schon aktiv war (es sind einige). Drummer wachsen in Kasachstan offenbar nicht an jedem Saxaulstrauch in der Wüste, jedenfalls wurde "Sumerki Bogow/Götterdämmerung" ohrenscheinlich mit einem elektronischen Taktgeber eingespielt, nachdem die Besetzung dieser Position häufigen Wechseln unterworfen war, wobei auch diese Menschen entsprechend verpseudonymt waren, also beispielsweise Sewa Sabbath zu heißen vorgaben. Einzig der Nachname des Sängers könnte durchaus echt sein, denn der Name Komarow ist in der Ex-Sowjetunion nicht ungewöhnlich; der erste Mensch, der in den Sechzigern beim Weltraumprogramm ums Leben kam, trug beispielsweise auch diesen Nachnamen. Holger Komaroff nun läßt sich stimmlich eher in die rauhere, aber trotzdem zu gehaltenen Melodielinien fähige Sparte einsortieren und erinnert bisweilen etwas an Peavey von Rage, ohne aber dessen proletarischen Gestus (was in diesem Kontext nicht als Kompliment gemeint ist) zu reproduzieren, womit er Pluspunkte beim Rezensenten sammelt. "Tampliery" etwa beweist, daß er auch beachtliche Höhen erreicht, ohne sich akut verbiegen zu müssen, auch wenn er sich üblicherweise in mittleren Tonlagen aufhält. Bis auf "Living On The Edge" sind die Lyrics hier übrigens komplett in Russisch gehalten. Seine Instrumentalkollegen fabrizieren dazu deutlich europäisch geprägten traditionellen Metal mit etwas epischem Anstrich, der sich irgendwo zwischen den Schweden Heavy Load, den deutschen Achtziger-Speedern der zweiten Reihe wie Attack oder Forced Entry und natürlich Iron Maiden (jede vernünftige ex-sowjetische traditionellere Metalband ist entweder direkt von Iron Maiden oder indirekt über den Umweg Arija beeinflußt) einsortiert. Das Tempo bleibt zumeist im mittleren, aber mannigfach variierten Bereich, obwohl etwa "Schelesny Orjol" oder der Titeltrack unter Beweis stellen, daß Holy Dragons auch im Speedbereich eine gute Figur abgeben und der trommelnde Computer diesbezüglich keinen Hemmschuh darstellt. Er unterläßt es zudem tunlichst, auch die immer wieder eingestreuten Akustikpassagen emotional zu zerstören (das gelingt seinen Genossen in der Popbranche ja zumeist problemlos); diese machen einen nicht zu verkennenden Teil des Reizes des Materials aus, wie gleich die hübsche Einleitung von "Krow Elfow" demonstriert, die richtig Appetit aufs Album macht. Bis auf "Living On The Edge" ist übrigens keine reine Ballade dabei, denn obwohl "Tampliery" wie eine solche beginnt, entspinnt sich auch hieraus ein vielseitiger Traditionsmetaltrack - die 2005er Version bleibt also balladenfreie Zone. Zwar kennt man einige der Melodie- und Harmonieverläufe schon diffus von anderen Genrekollegen (der Titeltrack mit seiner fast schon klassischen Harmoniefolge, die mehrmals auftaucht, darf als Exempel herangezogen werden), aber die immense Spielfreude, die Holy Dragons transportieren (auch hierfür der im schnellen Stakkato vorwärtspreschende Titeltrack als Exempel), macht den einen oder anderen Deja Vu-Effekt locker wett. Schon etwas schwerer wiegen ein paar arrangementseitige Schwächen, denn manche Übergänge zwischen verschiedenen Parts im Song holpern etwas unbeholfen über die Sandpiste; da wäre eine etwas stringentere Arbeit zu wünschen gewesen. Auch die ganz großen Knallersongs sind hier noch ausgeblieben, wenngleich "Sumerki Bogow/Götterdämmerung" zu keiner Zeit ein gutklassiges Niveau unterschreitet und deshalb keineswegs nur dem Raritätensammler, der unbedingt auch eine kasachische Band in seiner Kollektion stehen haben möchte, ans Herz gelegt sei. Wer die Wahl zwischen beiden Pressungen hat: Die 2003er enthält den schon erwähnten Bonustrack, der allerdings auch schon auf dem 1999er Album "Rock Ballads" veröffentlicht worden war, die 2005er hat dafür das deutlich bessere Artwork, während das 2003er ein bißchen nach "Kinder malen Bilder zu Wagner-Opern" aussieht.
Kontakt: www.holydragons.org, www.metalism.com

Tracklist:
Krow Elfow
Schelesny Orjol
Chewi-Metalny Manjak
Njet Sawtra
Altary Lschezow
Tampliery
Prokljaty Duch
Sumerki Bogow
Living On The Edge (nur 2003er Pressung)
 




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