www.Crossover-agm.de HAMMERFALL: Built To Last
von rls

HAMMERFALL: Built To Last   (Napalm Records)

Bei einer Band wie HammerFall vollziehen sich Änderungen üblicherweise nur im Mikrobereich - von daher ist der Strukturwandel von "(r)Evolution" zum neuen Album "Built To Last" schon fast als revolutionär einzustufen. Zunächst fällt der Wechsel des Geschäftspartners auf: 18 Jahre lang haben HammerFall die Kassen von Nuclear Blast gefüllt (und das zumindest zu Anfang auch nicht gerade spärlich - wir erinnern uns an die strukturbildende Bedeutung von "Glory To The Brave"), jetzt gehen sie für Napalm Records an den Start, die schrittweise ihre Präsenz im traditionellen Metal ausbauen und beispielsweise ja auch bereits Grave Digger unter ihren Fittichen haben. Ob die neue Kooperation für beide Seiten das erhoffte Ergebnis zeitigt, bleibt abzuwarten - der Wechsel scheint jedenfalls nicht mit bösem Blut einhergegangen zu sein, denn Nuclear Blast tauchen mit einer emphatischen Nennung in der Dankesliste des neuen Albums auf. Dort nicht verzeichnet ist hingegen Anders Johansson, der zwar das Vorgängeralbum noch eingetrommelt hatte, aber dann seinen Hut nahm oder nehmen mußte (offizielle und inoffizielle Verlautbarungen differieren da etwas). Sein Ersatz hört auf den Namen David Wallin und führt sich im Opener "Bring It!" nicht gerade empfehlend ein: Der Song ist eine starke Melodic-Speed-Nummer klassischer Prägung und transportiert jede Menge Energie, aber Wallin wirkt übermotiviert, wenn er im Refrain die "Bring It!"-Shouts, die aufgrund des Tempos sowieso schwer zu verstehen sind, auf genau ihren beiden Silben noch mit Beckenschlägen versieht und damit die Shouts nicht etwa betont, sondern ihnen klanglich im Wege steht. Aber das soll der einzige Drum-Fauxpas des Albums neben dem unmotivierten Mini-Solo in "Stormbreaker" bleiben, und kompositorisch ist Wallin (der kurz nach dem Albumrelease übrigens auch schon wieder ersetzt wurde, und zwar durch Johan Koleberg) sowieso nicht beteiligt gewesen - das bleibt die Domäne von Oscar Dronjak und Joacim Cans mit diesmal nur einmaliger Assistenz von Zweitgitarrist Pontus Norgren, der sich mit Dronjak einigermaßen gerecht in die Leadarbeit teilt, wie man der ganz klassischen Solonamensnennung im Booklet entnehmen kann. Und die Komponistenriege hat das Kunststück fertiggebracht, nach dem sowieso schon wieder etwas "back to the roots" gehenden Vorgänger noch einen Deut mehr von den Wurzeln freizulegen. Der begeisternde Speed von "Dethrone And Defy" etwa hätte mit einem geringfügig stärkeren Refrain und dafür ohne den eingeklebt wirkenden "Ohoho"-Part nach dem dritten Solo einen Ehrenplatz auf "Glory To The Brave" verdient - hier sprüht endlich wieder die jugendliche Frische aus dem Silizium, die das Debütwerk damals so einzigartig und praktisch unreproduzierbar machte, so daß man diesem zwar nahe kommen, aber es wohl kaum je übertreffen können wird. Dazu tritt natürlich der Fakt, daß Cans' Stimme mittlerweile auch knapp 20 Jahre älter geworden ist und er gut daran tut, zumindest hier und da in tiefere Register zu wechseln, auch wenn die schöne Ballade "Twilight Princess" (auch ein Highlight, von der unmotivierten Generalpause nach Minute dreieinhalb abgesehen - hier hätte Diesmal-Allein-Komponist Dronjak vielleicht doch ein Korrektiv helfen können) unter Beweis stellt, daß er auch in den etwas höheren Lagen nach wie vor gute Arbeit abliefern kann. Daß er hier stimmfärbungstechnisch ein wenig an Stratovarius' Timo Kotipelto in dessen besseren Tagen erinnert, dürfte trotzdem purer Zufall sein. Die progressiven Anwandlungen kanalisieren HammerFall diesmal im wesentlichen in zwei Songs, nämlich "The Sacred Vow" (gute Ideen, aber nicht immer gut zu Ende gedacht) und dem ungewöhnlich strukturierten Closer "Second To None", der mit seinem Spinettpart ein bißchen gen Rising Force schielt und sich zum Rezensionszeitpunkt auch noch nicht endgültig erschlossen hat (speziell was den Übergang vom Spinett-Intro in den balladesken ersten Strophenteil betrifft), aber noch Entwicklungspotential besitzt. Daß hingegen auch in den geradlinigeren Metalsongs manchmal weniger mehr ist, zeigt "Stormbreaker" exemplarisch auf: Der Speedrefrain will in den galoppierenden Hauptteil nicht so richtig passen, und die völlig seltsame Struktur des Soloausklangs mit dem erwähnten Drumwirbel wirkt auch wie eher gewollt progressiv. Hier darf also gern noch ein weiterer Schritt zurück zu den Wurzeln gemacht werden. Im Titeltrack kriegen HammerFall dagegen gerade noch die Kurve - ein Deut länger Verzögerung in der Hinführung zum Break vor dem Hauptsolo, und das hätte wieder einen Gewollt-Eindruck hinterlassen, während so gerade noch alles in Butter ist. Zuviel Simplizität kann allerdings auch scheitern, wie "New Breed" unter Beweis stellt, das einen relativ einfallslosen Eindruck hinterläßt - so in der Art "Schülerband versucht Songs im Stile von HammerFall zu komponieren". Und wer singt da in den Strophen eigentlich so vergleichsweise hilflos? Soll das wirklich Cans sein (ein Gastmusiker wird im Booklet nicht erwähnt)? Dann lieber der wieder mal begeisternde Speed von "The Star Of Home" (wenngleich hier die Hinführung zum Break genau jenen erwähnten Deut zu lang ist), und auch die diversen Breaks in der Hymne "Hammer High" (dürfte ein sicherer Livekandidat sein) hat man nach einigen Durchläufen weitgehend verstanden. Sicherlich wird auch der eine oder andere weitere Einfall im Laufe der Zeit noch zünden, aber ein paar kleine Fälle werden bleiben, wo dem Hörer das berühmte gußeiserne Fragezeichen um den Kopf schwebt, was sich die Schweden denn nun dabei wieder gedacht haben. Und Freunde accept-lastiger schleppender Hymnen werden diesmal, von "Hammer High" abgesehen, überhaupt nicht bedient, dafür sind die Speedfreunde etwas besser dran und werden "Built To Last" sicherlich gern ins Herz schließen. Eine Dreiviertelstunde mit viel Licht und wenig Schatten liegt also vor, in der Mediabook-Version diesmal nicht durch einzelne Bonussongs ergänzt, wie das bei den Digipacks der Nuclear-Blast-Periode Usus war, sondern durch eine Bonus-DVD mit dem Auftritt der Band am 10.7.2015 beim Masters Of Rock in Vizovice.
Kontakt: www.hammerfall.net, www.napalmrecords.com

Tracklist:
Bring It!
Hammer High
The Sacred Vow
Dethrone And Defy
Twilight Princess
Stormbreaker
Built To Last
The Star Of Home
New Breed
Second To None



www.Crossover-agm.de
© by CrossOver