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PATRICK GLÄSER: Orgel rockt - Die Live-CD 2014/15 (Tour 3)
von rls

PATRICK GLÄSER: Orgel rockt - Die Live-CD 2014/15 (Tour 3)   (SOUNDmanufaktur)

Ein bißchen länger als bei den ersten beiden Tourprogrammen hat's gedauert, aber nun ist die Tonkonserve des dritten "Orgel rockt"-Konzertzyklus' fertig - allerdings schaut in die Röhre, wer nach dem Genuß der CD das Programm nun auch in der Livesituation erleben will: Tour 3 ist beendet, und ab 2016 spielt Patrick Gläser bereits das Tourprogramm 4. Ergo ist die neue CD einerseits eine schöne Erinnerung für all jene, die die dritte Tour erlebt haben (und das waren in 69 Konzerten immerhin rund 15.000 Menschen), andererseits ein Trostpflaster für alle, die nicht zu jenen 15.000 gehören, aber vielleicht hier gleich eine Anregung finden, bei passender Gelegenheit eines der Konzerte von Tour 4 zu besuchen. Das Grundkonzept des Projektes hat sich im Vergleich zu Tour 2 nicht verändert - es gibt nach wie vor Übertragungen von Klassikern der Rock-, Pop- und Filmmusikwelt auf eine "traditionelle" Kirchenorgel zu hören, und auf Ergänzungen "traditioneller" Orgelstücke, wie man mit Leon Boëllmanns Toccata c-Moll aus der "Suite Gothique" bei Tour 1 noch eins fand, hat Gläser auch diesmal wieder verzichtet. Die Bandbreite ist auch so groß genug und die Fülle der potentiell geeigneten Stücke riesig, so daß die Kunst eher im Weglassen als im Hinzufügen besteht. Ebenjenes hat der Organist auch noch in einem anderen Kontext praktiziert: Das Konzertprogramm war auf den ersten Gigs der Tour 3 noch nicht endgültig fixiert und kristallisierte sich erst schrittweise heraus. Die CD enthält, ebenfalls in Analogie zu Tour 2, keinen kompletten Mitschnitt aus einer Kirche, sondern einen Zusammenschnitt aus deren zwölf, wobei die Martinskirche in Kaufbeuren mit vier Tracks den Spitzenplatz einnimmt, während aus anderen, etwa der Dorfkirche in Cunewalde (einer der bisher noch wenigen Auftrittsorte Gläsers in den neuen Bundesländern - das darf gerne noch mehr werden, liebe lokalen Organisatoren!) oder der Willibaldskirche in München, nur jeweils ein Beitrag stammt und die Pauluskirche in Ulm mit ihren drei Beiträgen, die es summiert auf knapp zwölf Minuten bringen, im Hinblick auf die Spielzeit den Platz an der Sonne erobert hat. Dazu tritt diesmal ein Novum, nämlich eine Nummer mit Gesang: "Pilate's Dream" aus dem Musical "Jesus Christ Superstar". Gläser singt mit einer angenehmen Baritonstimme (mit tenoraler Tendenz) selbst - allerdings in diesem Fall nicht live: Die Gesangslinie ist nachträglich im Studio über die Orgelaufnahme aus der Josephskirche in Öhringen, also Gläsers "Heimorgel", an der er selbst als Kirchenmusiker arbeitet, gelegt worden. Mit "Spirits" hat er außerdem auch wieder eine Eigenkomposition beigesteuert, die man schön mit dem gleichnamigen Werk auf CD 2 vergleichen kann - ansonsten gibt's Filmisches diesmal mit gleich drei Nummern aus "Drachen zähmen leicht gemacht" oder Henry Mancinis Titelmotiv aus "Dornenvögel", das der Rezensent sicherlich ein Vierteljahrhundert nicht mehr gehört hat, aber zumindest im Mittelteil beim ersten Hören immer noch auswendig mitpfeifen konnte. Der Achtziger-Poprock ist mit Gloria Gaynors "I Will Survive" oder Tears For Fears' "Shout" vertreten und stellt auch gleich den Opener "Africa" (Toto, genau), der auch den unbedarften Hörer prima ins Thema des Konzert- und CD-Projektes einführt und geradezu prototypisch auch Gläsers Registrierkunst demonstriert: Strophen eher mit Gedackt- bzw. Flötenregistern, Refrain prinzipaldominiert und zum Schluß auch noch ein schön schnarrendes Baßregister dazuschaltend. Freilich gelingt nicht jedes Mal so ein Geniestreich: Das durch Rod Stewart popularisierte "Sailing" plätschert irgendwie eher am Hörer vorbei, und auch den zusammen mit Loreens "Euphoria" jüngsten Song der CD, "Tage wie diese" der Toten Hosen, kennt der Rezensent in spannenderen Fassungen - auch im baßunterstützten Finale stehen sich die Register hier eher im Wege, als daß sie sich unterstützen. Was man in dieser Hinsicht aus der Orgel der Nikolauskirche in Wolbeck herausholen kann, zeigt deren anderer CD-Beitrag: Bon Jovis "It's My Life" meistert die Gratwanderung aus purer Power und Raum für die Melodiestimmen deutlich besser, und das genannte, mit einigen Dynamikwechseln ausstaffierte "Euphoria" schlägt die Originalfassung gar deutlich aus dem Feld. Die bereits erwähnte Willibaldskirche in München stellt die große Überraschung der Setlist: "Bis ans Meer", original auf dem starken fünften, kurzerhand auch "5" betitelten Album der Kölschhardrocker Brings stehend, läßt den Rezensenten im Geiste immer wieder den Refrain "Heut' nacht zieh'n wir los bis ans Meer" (in seinem Fall allerdings das Schwarze :-)) mitintonieren. Die letzten drei Stücke, sozusagen der Zugabenblock, enthalten im Gegensatz zu den achtzehn zuvor auch den Applaus am Ende und sind bereits auf den Vorgänger-CDs zu hören gewesen - hier bieten sich aber schöne Quervergleichsmöglichkeiten, wie ein und dasselbe Stück auf unterschiedlichen Orgeln klingen kann. "Nothing Else Matters" gibt es außerdem als reine Orgelfassung aus der Münchener Himmelfahrtskirche, die derjenigen mit Orgel und Cajón von CD 2 überlegen ist, aber dynamisch nicht ganz an die von CD 1 heranreicht. Die beiden anderen Zugaben "You'll Never Walk Alone" und "He's A Pirate" wurden beide an der Hildesheimer Domorgel beim Jugendfestival "Rock den Dom" mitgeschnitten - ein riesiges viermanualiges Instrument, das in puncto Klangwucht natürlich einiges zu bieten hat, aber in puncto Transparenz naturgemäß Schwierigkeiten aufwirft, auch wenn das hier zu Hörende noch meilenweit vom typischen französischen Kathedralmulm entfernt ist und man andererseits auch hört, daß das Mikrofon sehr weit vom Instrument entfernt gestanden haben muß, was beim heimischen Hören dann tatsächlich der Livesituation, daß man relativ weit vom Instrument entfernt sitzt, nachgebildet scheint, während etwa die schlauchförmigere Martinskirche in Kaufbeuren eine viel direktere Atmosphäre besitzt. Diese Unterschiede hat Gläser bei der Nachbearbeitung bewußt nicht nivelliert und ermöglicht so auch den Dabeigewesenen Eindrücke, wie die von ihnen in einer bestimmten Klangweise erlebten Stücke unter anderen akustischen Bedingungen geklungen haben. Und am Unterhaltungswert des Programms wie auch des ganzen Projektes gibt es sowieso nichts zu deuteln. Die knapp 66minütige und wie schon die beiden Vorgänger ohne Wenn und Aber erwerbenswerte CD 3 ist nach Meinung des Rezensenten CD 2 geringfügig überlegen, kommt aber nicht an CD 1 vorbei, wobei allerdings deren damaliger Neuheitswert und Überraschungsfaktor, der naturgemäß später nicht mehr reproduzierbar ist, mit eingerechnet werden kann. Andererseits hat Gläser gelernt, daß bestimmte Stücke, die etwa schnelle Tonrepetitionen verlangen, auf vielen Orgeln nur suboptimal dargestellt werden können, und ist in der Vermeidung solcher Problemfälle, wie man sie auf CD 1 noch bei "Eye Of The Tiger" fand, gedanklich mittlerweile viel weiter. Da auch Iron Maidens "Alexander The Great" zu einem nicht geringen Teil von solchen Repetitionen lebt, streicht der Rezensent es hiermit von seiner Wunschliste für Tour 4 (es ist natürlich abermals auf eine Konservierung derselben zu hoffen) und ersetzt es durch "Afraid To Shoot Strangers" der gleichen Band, das besser geeignet sein dürfte.
Kontakt: www.orgel-rockt.de, www.soundmanufaktur.de

Tracklist:
Africa
Euphoria
It's My Life
Shout
Sailing
Test Drive
Astrid Goes For A Spin
Romantic Flight
Optimus
Dornenvögel
Bis ans Meer
Tage wie diese
You Know My Name
Skyfall
Everything's Alright
Pilate's Dream
I Will Survive
Spirits
You'll Never Walk Alone
Nothing Else Matters
He's A Pirate
 




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