www.Crossover-agm.de GASTONIA: La Nimiedad De La Existencia
von rls

GASTONIA: La Nimiedad De La Existencia   (Rexcel Producciones)

Als Namensgeber für diese Band kommen neben einer Stadt in den USA vor allem eine Pflanzengattung und eine Sauriergattung aus der Kreidezeit in Betracht, was die Theorie, originelle Bandnamen seien heute im wesentlichen nur noch im biologischen Nomenklaturwesen zu finden, mal wieder unterstreicht. Schaut man sich die Lebendrekonstruktion des Sauriers Gastonia burgei auf Wikipedia an, liegt dieser als Inspirationsquelle für die Benennung einer Metalband natürlich nahe - aber obwohl Gastonia definitiv im Metal anzusiedeln sind, so musizieren sie doch gar nicht so zackig und derb, daß es zu dem Bild passen würde. Also doch eher die Pflanzengattung als Namensgeber? Fragen über Fragen ...
Wie auch immer: Gastonia liefern einen weiteren Beweis für die Grenzüberschreitung musikalischer Stile. Sie spielen nämlich das, was in der Fachwelt als Italometal bekanntgeworden ist, stammen aber keineswegs aus dem Stiefelstaat, sondern aus Venezuela, wo sie im Gebiet um den Maracaibosee siedeln (der Sportverein Union Atletico Maracaibo kommt übrigens auch in der Dankesliste vor). Wie viele lateinamerikanische Bandkollegen bedient sich auch Endi Paredes dabei nicht des Englischen, sondern seines heimatlichen Idioms, also in diesem Fall des Spanischen, was Gastonias allein schon aufgrund des Herkunftslandes bestehenden Exotenstatus beim gemeinen Mitteleuropäer noch ein wenig erhöhen hilft, obwohl man sich an spanische Lyrics im Rock und Metal ja spätestens seit Heroes Del Silencio und Tierra Santa gewöhnt hat. 2003 gegründet, legen Gastonia mit "La Nimiedad De La Existencia" nach zwei Demos ihren ersten Longplayer vor, den es übrigens in mindestens zwei Fassungen gibt. In der Encyclopedia Metallum wird die originale Eigenproduktion von 2008 vorgestellt, aber der Rezensent besitzt statt dessen die ein Jahr später erschienene kolumbianische Pressung von Rexcel Producciones, die sich von der Eigenproduktion durch ein etwas anderes Covermotiv (von der Clownsfigur sieht man bei der Eigenproduktion nur einen kleinen Teil der Kopfbedeckung) und eine andere Songreihenfolge unterscheidet, wobei die Songs unterm Strich aber identisch sind, man sich also nicht wegen einem oder zwei Unterschieden beide Pressungen zulegen muß, um das Gesamtwerk zu besitzen. Aber eine der beiden sollte man als Genrefreund schon in der Sammlung haben, denn "La Nimiedad De La Existencia" ist ein durchaus guter bis sehr guter Vertreter seiner Zunft und zudem mit einer im internationalen Maßstab zweifellos konkurrenzfähigen Produktion ausgestattet. Freilich machen Gastonia nichts prinizipiell Neues, sondern beschränken sich auf gewisse Variationen innerhalb des Genres - aber das ist für den Experimenten weniger zugeneigten potentiellen Hörer ja eher als Qualitätsmerkmal zu verstehen. Interessanterweise adaptieren sie im Einleitungsteil der Scheibe eine Struktur, wie man sie in ähnlicher Weise auch vom Genreklassiker "The World Where Shadows Come To Life" von Archontes kennt: Dem noch nicht genrebestimmenden Intro folgt ein Part, dessen Gesang ebenfalls noch nicht erkennen läßt, in welches Genre sich die Band letztlich einordnen läßt (bei Gastonia hat das den Grund, daß Endis Gesang hier über einen leichten Verzerrer gejagt wird), bevor der anschließende Hauptteil dann die Zuweisung zum Italometalgenre eindeutig determiniert. Innerhalb dieser Schublade besetzen Gastonia übrigens eine weniger überlaufene Nische: Ihre Kompositionen werden von mittleren Tempolagen geprägt, während die genretypischen Speedorkane eher selten entfesselt werden und selbst tendenziell speedlastige Songs wie "Mara" noch das eine oder andere Break enthalten. Das könnte die Venezolaner für Freunde des Genres, die sich von den dort üblichen überfallartigen Speedattacken eher bedroht fühlen, interessant machen, wobei allerdings festzuhalten bleibt, daß sie ihre Songs trotzdem sehr dicht inszenieren und man nicht nur auf gelegentlich aus dem Nichts kommende Tempoattacken, sondern auch auf einen großen Bombastfaktor gefaßt sein muß, zu dem neben den beiden Gitarristen Cesar Rosales und Simon Montilla auch Keyboarder Oswaldo González sein Scherflein beiträgt - er arbeitet omnipräsent, läßt den Gitarristen aber trotzdem genügend Freiraum zur Entfaltung ihrer Talente, ohne alles zuzukleistern. Eine sattelfeste Rhythmusgruppe legt das Fundament, und über allem schwebt Endi Paredes' Gesang, ebenfalls ein gutes Angebot für Freunde des Genres, die aber mit den sonst dominanten Kopfstimmen nicht zurechtkommen - er singt hoch, aber nicht in allerhöchsten Lagen, und in der Ballade "Después Del Mar" meint man fast, Ashes-Of-Ares-/Ex-Iced-Earth-Stimme Matt Barlow zu hören. Freilich offenbart Endi noch geringfügige Verbesserungsmöglichkeiten beim Einbinden der Melodielinien in den instrumentalen Unterbau - einige Passagen in "Hada" wirken da weniger gefällig, aber sie bleiben zum Glück die Ausnahmen in einer ansonsten sehr gelungenen Mixtur, die sich zugleich auch in den Gitarren und/oder Keyboards durch manche sehr zugängliche und mitpfeifbare Melodie auszeichnet (eine Tugend, die im heutigen Metal ja eher verpönt ist, aber für die Zugänglichkeit gerade dicht inszenierter Kompositionen wie der Gastonias einiges leistet und mit ihrem einnehmenden Wesen auch dafür sorgt, daß die Zuweisung an den Saurier eher merkwürdig erscheint). So entsteht ein Gesamtbild von 56 Minuten Dauer, das zwar noch keinen Genreklassiker darstellt, aber sehr gut durchhörbar ist. Undergroundfanatiker, die das "No Existe Adios"-Demo von 2006 besitzen, können übrigens die Entwicklung der Truppe mitvollziehen, denn dessen Titeltrack schließt als 2008er Neueinspielung die kolumbianische Pressung von "La Nimiedad De La Existencia" ab (auf der originalen Eigenproduktion steht er inmitten des Werkes). Ganz aktuell ist übrigens das Nachfolgealbum "Hoy" erschienen, das allerdings noch nicht auf dem Schreibtisch des Rezensenten gelandet ist, allerdings eine gewisse Veränderung mit sich bringen könnte, da die Durchschnittslänge der Songs deutlich gesunken ist. Sei es, wie es sei: "La Nimiedad De La Existencia" lohnt den Erwerb unabhängig vom Exotenbonus definitiv.
Kontakt: www.gastonia.com.vc, www.myspace.com/gastoniaband

Tracklist:
Solo
Entre Suenos
Grito En La Oscuridad
Bufon
Hada
Después Del Mar
Oda A Un Alma Que Se Va
Mara
Sun Luchar
Razones
No Existe Adios
 





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