www.Crossover-agm.de FLYLEAF: Between The Stars
von rls

FLYLEAF: Between The Stars   (Ear Music/Edel)

Flyleaf wurden in ihrem bisherigen Schaffen nicht unmaßgeblich von ihrer Sängerin Lacey Sturm geprägt - und ebenjene hat nach dem Albumdrittling "New Horizons" die Band verlassen, so daß die Anhängerschaft mit einer gewissen gespannten Nervosität auf die neue Scheibe "Between The Stars" gewartet haben wird: Was kann die neue Sängerin Kristen May, und bleibt mit ihr der bisher gewohnte Flyleaf-Sound erhalten, oder bricht die ansonsten personell unveränderte Band zu neuen Ufern auf?
Frage 1 dürfte zumindest dem US-Publikum im Vorfeld leicht zu beantworten gewesen sein, denn die Neue ist mitnichten ein Nobody, sondern hat mit Veleda schon diverse Major-Releases vorzuweisen, so daß sie bereits eine gewisse Popularität im Mainstream-Rockbusiness besitzt. Der Rezensent kennt Veleda nur vom Hörensagen, für ihn stellt "Between The Stars" die erste akustische Begegnung mit Mays Stimme dar - aber diese weiß zu überzeugen, liegt von der Färbung her irgendwo zwischen Anneke van Giersbergen, Cristina Scabbia und (Achtung) Nena, ihre Inhaberin trifft alle angepeilten Töne sicher, kann bedarfsweise ein wenig kratzbürstiger klingen, aber auch ins Mikrofon hauchen, hat hörbar viel Energie gebunkert, meistert auch lange hohe Vokalisen ("Platonic"!) ohne Peinlichkeit und paßt summa summarum perfekt zum instrumentalen Unterbau. Der wiederum hat sich ein gewisses Stück verändert: Pflegte man Flyleaf in der Vergangenheit gern mit dem Begriff Postgrunge zu belegen, so ist das verbliebene Quartett ein gutes Stück weiter in Richtung Hardrock gerückt, so daß eine Art Modern Rock entsteht, der wie eine geringfügig positivere Variante von Evanescence oder auch Lacuna Coil klingt. Gerade "Thread", von Don Gilmore co-komponiert, würde problemlos auch ins Schaffen der Italiener passen. Komme freilich niemand und vermute, die US-Band hätte ihren alten Sound komplett über Bord geworfen - das hymnische "Sober Serenade" etwa hätte völlig ohne Probleme auch auf den früheren Werken stehen können, und so groß ist der Schritt vom Früher ins Heute nun auch wieder nicht; er wirkt nur wahrscheinlich wegen der neuen Sängerin größer. Die Songs sind allesamt recht kompakt inszeniert, so daß die vorliegende Edition von "Between The Stars" mit 18 Tracks auf gerade einmal knapp 63 Minuten Spielzeit kommt - also ein Dreieinhalbminutenschnitt mit so gut wie keinen Ausreißern, was umgekehrt bedeutet, daß man eigentlich fast jede Nummer im Formatradio spielen könnte, ohne sie entscheidend beschneiden zu müssen. Stilistische Überraschungen bleiben gleichfalls aus, so daß böse Zungen behaupten könnten, hier sei die Massenorientierung offensichtlich primäres Ziel gewesen. Aber was ist Verwerfliches daran, wenn man sein Schaffen möglichst vielen Menschen zugänglich machen will? Flyleaf haben sich auch auf "Between The Stars" nicht verbogen und einen etwaigen früheren unkommerzielleren Sound auf Massenkompatibilität getrimmt, sondern einfach das weitergeführt, was sie bereits zuvor getan haben, sieht man von der beschriebenen leichten stilistischen Kurskorrektur ab. Gut, "Well Of Lies" eignet sich möglicherweise nicht so gut für den Einsatz in den üblichen Top-40-Sendern - ein psychedelisches Orgelthema und für Flyleaf-Verhältnisse extrem fuzzig-verzerrte Gitarren in den Strophen dürften nur von einer etwas spezialisierteren Hörerschaft goutiert werden, aber solche kleinen Ausbrüche machen das Album dann auch wieder interessant, zumal selbiger Song eine Reihe etwas zu ähnlich gestrickter Nummern in der Albummitte beendet. Als Single ausgekoppelt haben Flyleaf allerdings den relativ flotten Opener "Set Me On Fire", mit dem sie förmlich ins Haus fallen und ihre alte Hörerschaft gleichermaßen zu umgarnen versuchen wie ihr zu demonstrieren, daß es da eine Neue am Mikro und auch eine ganz leichte musikalische Kurskorrektur gibt. Insgesamt wäre allerdings gerade bei der Länge des Albums doch ein Deut mehr Variationsbreite wünschenswert gewesen. Das fällt bei der US-Normalvariante mit 12 Songs und knapp über 40 Minuten Spielzeit noch nicht so ins Gewicht, aber es gibt diverse längere Fassungen, zunächst eine mit 14 Songs und "Avalanche" sowie "Ship Of Fools" als zusätzlichen Studiosongs, hier vorliegend allerdings wie bereits erwähnt eine mit noch vier weiteren Nummern: einer Demofassung von "Tied To Be Broken" (wobei allerdings keine "Vollfassung" auf dem Album steht, der Song also offensichtlich nicht final ausgearbeitet worden ist, was man allerdings im wesentlichen nur an den offensichtlich programmierten Drums merkt - alles andere würde problemlos als Finalversion durchgehen und ist von der Grundidee her den anderen Albumtracks auch durchaus ebenbürtig), einer Livefassung von "City Kids" (gerade dieser Song hätte mit seiner Kombination aus zurückgenommenen Passagen und wildem Geschrei von Bassist Pat Seals durchaus noch Potential für eine ausladendere Fassung geboten) und zwei weiteren Studionummern namens "The Hunted" (härteste, allerdings mit 2:45 auch kürzeste Nummer, Kristen stimmlich teils weit nach oben führend, aber statt eines richtig schönen Soloparts, den es freilich auf der ganzen Scheibe so gut wie nicht gibt, einen irgendwie nicht so richtig passen wollenden Mittelteil mit verzerrter Stimme eingeklebt bekommen habend) und "The Wedding", wobei letztgenannte, eine Halbballade, als einzige der 18 Nummern neben "Well Of Lies" die Vierminutenmarke überschreitet. Wenn man kompakten modernen Hardrock mag, wird einen die gewisse Gleichförmigkeit nicht stören, zumal es ja da immer noch diese starke Stimme gibt und die prinzipiellen Songideen ja auch allesamt nicht schlecht sind - aber das letzte Quentchen Begeisterung will nicht aufkommen, zumal etwa "Avalanche" immer wieder an den Ketten zerrt und einen Tempoausbruch wagen will, sich diesen aber letztlich doch nicht zutraut und die Lawinenenergie eher angestaut wird als den Hang hinunterrollt. So verschenkt das selbstverständlich schön klar, allerdings durchaus nicht poliert produzierte "Between The Stars" etwas an Potential, und man ertappt sich bisweilen dabei, eher über die verschiedenen roten Blumen der drei abgebildeten Torsi nachzudenken (auf dem Cover sind's Tulpen, auf der Bookletrückseite ein Amaryllisgewächs und unter dem Cleartray schließlich eine Rose), als auf die Musik zu achten. Und dann entdeckt man noch die gewollt mädchenhaft aussehende Kristen auf dem ersten doppelseitigen Bandfoto, fragt sich, was das nun wieder soll, und ist erst mit der richtig süßen Kristen auf dem zweiten doppelseitigen Bandfoto wieder versöhnt ...
Kontakt: www.ear-music.net, www.flyleafmusic.com

Tracklist:
Set Me On Fire
Magnetic
Traitor
Platonic
Head Underwater
Sober Serenade
Thread
Marionette
Well Of Lies
City Kids
Blue Roses
Home
Avalanche
Ship Of Fools
Tied To The Broken
City Kids (Live)
The Hunted
The Wedding



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