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LACUNA COIL: Broken Crown Halo
von rls

LACUNA COIL: Broken Crown Halo   (Century Media)

Kurzes Keyboardgeflacker, dann aber ein herzhafter Brüllaut von Andrea Ferro und ein durchaus kantig-kerniges Riff - haben Lacuna Coil einen Schritt zu ihren ganz frühen Tagen zurück unternommen? Nach knapp 30 Sekunden ist klar: Nein. Die reichliche Dreiviertelstunde "Broken Crown Halo" verbleibt im Gothic Rock, in dem es sich die Band seit der Jahrtausendwende gemütlich gemacht hat, wobei einige Elemente allerdings durchaus am Metal kratzen und Ferro auch im weiteren Verlaufe des Albums alle Facetten seiner Stimme von sanftem Geschmeichel über Hetfield-/Holmes-artiges Shouting und klares powermetalkompatibles Pathos bis zu eben den erwähnten gelegentlichen Brülleinwürfen einbringt. Daß seine Vokalpartnerin Cristina Scabbia trotzdem das Gros der Aufmerksamkeit bekommen wird, ist er ja gewohnt, und auch sie liefert in den elf Songs einen tadelsfreien Job ab und rettet manch eher durchschnittliche Songidee noch auf ein gutklassiges Niveau. Und hier und da überraschen die Italiener dann auch, beispielsweise mit "Zombies": So nah an Tristania lagerten sie bisher noch nicht. Liegt's daran, daß auch bei denen mittlerweile eine Italienerin singt? Keine Ahnung. "Hostage To The Light" wiederum erinnert an jüngere Paradise Lost zu "In Requiem"-Zeiten, als diese plötzlich wie Amorphis klingen wollten. So ergibt sich ein zwar seltsames, aber allein aufgrund der Stimmen immer als Lacuna Coil zu identifizierendes Ganzes, das im Gegensatz zu den eigenen Frühwerken allerdings nicht von Waldemar Sorychta produziert wurde, sondern von Jay Baumgardner, und für das Mastering hat man sich sogar eine Ikone wie Howie Weinberg gegönnt, so daß die These, am Soundgewand gäbe es sicherlich nichts auszusetzen, keine sonderlich gewagte darstellt. Ob der Produzent auch für den ganz leichten Nu-Metal-Touch von "Die & Rise" verantwortlich ist? Möglich (er wird im Booklet neben vier der sechs Bandmitglieder durchgängig als Co-Komponist geführt), aber nicht zwingend - und das anstatt eines Instrumentalsolos im Mittelteil plazierte Vokal-Exzelsior von zwei italienischen Zeilen hätte keine Nu-Metal-Band gewagt. Interessanterweise stehen genau zwei Gitarrensoli auf der Scheibe, und Lacuna Coil folgen einer eigentlich traditionsmetallischen Tradition, indem sie im Booklet vermerken, wer welches spielt (in "Zombies" ist Marco "Maus" Biazzi, in "One Cold Day" Cristiano "Pizza" Migliore am Werk). Neun Songs müssen also ohne dieses Element auskommen, was mancher Hörer als Vor-, mancher als Nachteil empfinden wird - der eine wird die statt dessen zu hörenden Vokalisenspiele wie in "Infection" oder dem erwähnten "Die & Rise" als ausreichend empfinden, der andere hätte sich von den durchaus fähigen Gitarristen noch mehr Kostproben gewünscht, denn das Riffing ist gothicmetaltypisch, gelegentlich, nein, sogar relativ oft durch Halbakustikparts abgelöst und insgesamt eher wenig eigene Akzente setzend. Die oben bereits erwähnten gelegentlichen Paradise-Lost-Anleihen finden sich auch in weiteren Songs, etwa "Infection", während das Glockenspiel und die Schalmeien (wenngleich letztere wohl nur computersimuliert, da kein Gastmusiker angegeben ist) "I Burn In You" einen durchaus eigenständigen Touch verleihen. Das Highlight des Albums findet sich allerdings mit dem über sechsminütigen "One Cold Day" ganz am Ende: Diese melancholische Hymne ist dem verstorbenen Ex-Gitarristen Claudio Leo gewidmet, und hier ziehen Lacuna Coil alle Register des emotionsgeladenen Songwritings und erschaffen einen würdigen Grabstein für den Verstorbenen (was für eine entrückte Stimmung schon im Intro, was für ein Klavierthema!). Mit dieser Glanzleistung kann der Rest des Albums nicht mithalten - es ist unterm Strich "nur" ein gutklassiges Gothic-Rock-Album mit Gothic-Metal-Touch herausgekommen, nicht mehr, aber zumindest auch nicht weniger, so daß kein Anhänger des italienischen Sextetts Gründe finden wird, sich enttäuscht abzuwenden.
Kontakt: www.centurymedia.com, www.lacunacoil.it

Tracklist:
Nothing Stands In Our Way
Zombies
Hostage To The Light
Victims
Die & Rise
I Forgive (But I Won't Forget Your Name)
Cybersleep
Infection
I Burn In You
In The End I Feel Alive
One Cold Day
 




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