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EXXPLORER: Vengeance Rides An Angry Horse
von rls

EXXPLORER: Vengeance Rides An Angry Horse   (Pure Steel Records)

Diverse Menschen, die in den Mittachtzigern mitten in der US-Metal-Explosion standen, pflegen "Symphonies Of Steel", das 1985/86 erschienene Debütalbum von Exxplorer, als wahren Geniestreich zu bezeichnen. Der Rezensent vollendete weiland gerade sein erstes Lebensjahrzehnt, zudem auf der östlichen Seite des antifaschistischen Schutzwalls, und auch nach der politischen Wende wanderten erstmal andere metallische Preziosen in seine Sammlung, worunter sich derart viele Geniestreiche befanden, daß "Symphonies Of Steel", als sie dann irgendwann doch mal dazukam, nur noch eine gute (phasenweise sehr gute) Metalscheibe unter vielen ebenfalls guten bis sehr guten war - eine Einschätzung, an der sich bis heute nichts geändert hat (im Zuge der Erarbeitung dieses Reviews fand die CD mal wieder den Weg in den Player) und die daher vermutlich eine Wahrnehmungsfrage ist, je nachdem, wann man Kenntnis von den Stahlsinfonien erhalten hat. Der acht Jahre später erschienene Nachfolger "A Recipe For Power" befindet sich noch irgendwo auf dem großen Stapel der Ungehörten, und dessen allgemein verdammter Nachfolger "Coldblackugly", der ohne Fast-Originalsänger Lennie Rizzo auskommen mußte und eher nach Grunge und Hardcore geklungen haben soll als nach traditionellem Metal, für den die Band eine Dekade vorher gestanden hatte, hat noch gar keinen Eingang in den hiesigen Haushalt gefunden. Danach war Schicht im Schacht der Band, und es dauerte, von einer um die Jahrtausendwende aktiv gewesenen Besetzung mit Jim Abbiati am Mikrofon, die vier Bonustracks für die 2002er Wiederveröffentlichung von "Symphonies Of Steel" bei Underground Symphony Records einspielte, mal abgesehen, anderthalb Jahrzehnte, bis die Truppe wieder an die Oberfläche zurückkehrte und uns nun das Tonzeugnis "Vengeance Rides An Angry Horse" vorlegt. Bei dem ist erstmal die Besetzung interessant: Der bisher als Bandkopf geltende Gitarrist Ed LaVolpe ist nämlich nicht mehr mit von der Partie, aber dafür singt Lennie Rizzo jetzt wieder. LaVolpe wurde kurioserweise von Kevin Kennedy ersetzt, der zu Debützeiten neben ihm die zweite Gitarre bedient hatte, während an dieser zweiten Gitarre jetzt Fred Gorhau agiert, der als Neuzugang "Coldblackugly" mit zu verantworten gehabt hatte - und interessanterweise ist am Baß Jay McCafferty zu hören, weiland ebenfalls Neuzugang für "Coldblackugly" gewesen. Der alte Drummer hieß Mike Moyer, der neue heißt Mike Sakowski ... Moooooment: Auf "Symphonies Of Steel" spielte doch eine Jessica Sakowski ein paar Pianopassagen ein. Eheleute? Geschwister? Sonstige Verwandte? Fragen über Fragen ... Aber zumindest eine Frage läßt sich beantworten: Mike Moyer und Mike Sakowski sind ein und dieselbe Person und Moyer nur ein Künstlername von Sakowski.
Aber wichtiger noch ist die Antwort auf die Frage, wie die auferstandenen Exxplorer denn nun klingen. Die Personalfrage läßt ja sowohl eine Rückkehr zum alten Traditionsmetalsound als auch eine Fortsetzung von "Coldblackugly" als Möglichkeiten offen. Aber im letzteren Fall hätten die bekennenden und zumeist auch geschmackssicheren erzgebirgischen Traditionsmetalanhänger von Pure Steel Records die Band wohl kaum unter Vertrag genommen, also ist die Wahrscheinlichkeit einer Rückkehr zum alten Sound größer. Letztlich trifft diese Theorie weitgehend, aber nicht ganz komplett ins Schwarze: Exxplorer sind nämlich nicht komplett zum Traditionsmetal zurückgekehrt, sondern haben die schon damals ausgeprägte Neigung zu progressiven Klängen noch einen Tick schärfer ausgefeilt und lassen darüber hinaus auch noch andere Elemente zu. "S.N.O.E" etwa beginnt wie ganz alter Frühachtziger-Metal, dem man seine Herkunft aus dem Siebziger-Hardrock noch anhört, und gewinnt seinen Metalfaktor nur durch das feiste Riffing. Weit in die Vergangenheit zurück weist auch das Instrumental "The Vengeance" - hier haben diverse frühe Instrumentals von Iron Maiden wie "Transylvania" oder "Losfer Words (Big Orra)" hörbar Pate gestanden, wenngleich Exxplorer die Hooklastigkeit der Maiden-Vorbilder nicht erreichen können oder auch wollen. Jedenfalls funktioniert das Instrumentalstück als solches prima, man vermißt die Vocals nicht. Damit kommen wir zur nächsten spannenden Frage: Wie ist die Stimme von Lennie Rizzo drauf? Antwort: Die Höhen von früher bekommt er nicht mehr hin, hat sich dafür aber einen relativ breit-flächigen, trotzdem melodiösen und meist treffsicheren Gesangsstil angeeignet, der zu den neuen Songs problemlos paßt und lediglich die Frage offenläßt, wie der Frontmann live mit den alten Songs zurechtkommt. Die Problemlage entspricht ungefähr derjenigen bei Vett Roberts von Recon - der hat das damals gut gemeistert, wobei der Jahrgang des Cornerstone-Festivals, wo das Recon-Livealbum mitgeschnitten wurde, ja mittlerweile auch schon wieder über eine Dekade zurückliegt. Jedenfalls muß man sich als Altfan sicherlich an Lennies neue Stimmlage gewöhnen, und hier und da wäre ihm tatsächlich auch noch ein wenig mehr Treffsicherheit zu wünschen, etwa im sonst sehr interessant strukturierten "Valley Of Doom". Aber wie dort, so holt auch an einigen anderen schwankenden Stellen die Instrumentalfraktion die Kastanien aus dem Feuer - vor allem die Gitarristen brennen ein wahres Feuerwerk ab, und da genügt ein Hineinhören in wenige Passagen zur Verifizierung dieser Aussage, etwa ins verspielte Riffing des speedigen Mittelteils von "Valley Of Doom" oder auch gleich das Intro des Openers "Gypsy". Letztgenannter macht allerdings auch gleich das Hauptproblem von "Vengeance Rides An Angry Horse" (neben der, naja, eher mäßigen Optik mit dem ungelenken Frontcover, auf dem Bamberg niedergebrannt wird, und dem Bandfoto auf der CD-Rückseite, das eine völlig bekiffte Stonerband erwarten läßt und kein traditionsmetallisches Freudenfeuer) deutlich: Die Bandkasse war offenbar nicht eben reichlich gefüllt, und das hört man speziell dem Drumsound auch an, der die Snare deutlich zu weit in den Hintergrund und dafür die sehr schepprigen Becken nach vorne schiebt. Als Kuriosum wäre noch zu vermerken, daß man bei "Freight Train To Hell" immer an sich halten muß, um nicht an bestimmten Stellen "In the garden of Eden, Babe" einzustimmen - eine latente Ähnlichkeit mit dem alten Iron-Butterfly-Hit "In A Gadda Da Vida" ist der Struktur nicht abzusprechen. Ansonsten agieren Exxplorer aber deutlich eigenständiger, wenngleich sie logischerweise das Rad des Metals nicht neu erfinden und trotz eingängiger Passagen das Material beim ersten und zweiten Durchlauf noch durchzurauschen droht, bevor man es schrittweise besser zu würdigen weiß. Schon der Refrain des Openers "Gypsy" überzeugt jedenfalls auch mit Eingängigkeit, und "As The Crow Flies", von einer Ballade noch in flottes Tempo umschaltend, stellt neben "The Vengeance" vermutlich das Albumhighlight dar. Als "European Bonus Track" ist das eher groovige und ganz leichte modernere Tendenzen erkennen lassende "Return Of The Cycle" gekennzeichnet, das allerdings mit einem brillanten zurückhaltend-melodischen Zwischenteil besticht und interessanterweise nur eine Neueinspielung eines der vier 2002er-Bonustracks ist (dort aber noch "The Cycle" hieß und insgesamt etwas filigraner wirkte), während die US-Pressung einen Extratrack namens "Metal Mantis" enthält, so daß der Komplettist zweimal zugreifen muß oder sich einen der Extratracks noch irgendwo im Netz besorgt. Angesichts der überschaubaren Erwartungshaltung an das Comeback dieser Band kann man jedenfalls von einer gelungenen Überraschung sprechen, wenngleich bis zur absoluten Spitzenklasse schon noch etwas Luft bleibt.
Kontakt: www.exxplorer.net, www.puresteel-records.com

Tracklist:
Gypsy
Glory Hunter
Chasing The High
The Vengeance
As The Crow Flies
S.N.O.E
Valley Of Doom
Spirits Of The Wind
Freight Train To Hell
Return Of The Cycle



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