www.Crossover-agm.de DESPERATE CRY: Theantsaremyfriends
von rls

DESPERATE CRY: Theantsaremyfriends   (Eigenproduktion/Interstellar Records)

Hm, das verwendete Bild der Ameisen wirft letztlich doch mehr Fragen auf, als es zu beantworten imstande ist. Prinzipiell scheint alles klar: Die Österreicher Desperate Cry geben sich auf ihrem Album "Theantsaremyfriends" ganz klar der lyrischen Gesellschaftskritik im politischen und sozialen Sinne hin - nur ist eine Ameise eben nicht als Symbol für Standesunterschiede oder Zeilen wie "die einen fressen die anderen hungern / jedoch vom glück alle weit entfernt" zu gebrauchen, weil es dort zwar tatsächlich die Unterteilung in Königinnen und Arbeitsameisen gibt, aber alle ihren Ansprüchen gemäß versorgt sind und man über die Tatsache, ob eine Ameise nun glücklich mit ihrer Rolle (egal welcher) ist oder nicht, allenfalls wilde Spekulationen anstellen kann. Auch als Symbol für Herdentrieb oder gar sinnloses Handeln taugt nun gerade ein hochorganisierter Ameisenstaat ganz und gar nicht. Da weicht man dann argumentativ doch lieber auf ein Bookletfoto aus, wo an einer riesigen alten Backsteinmauer in großen Lettern der Slogan "Die Grenze verläuft nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen oben und unten" zu lesen ist (andere haben sowas mit "Proletarier aller Länder, vereinigt euch" auszudrücken versucht, allerdings male ich mir lieber nicht aus, was passiert, wenn die Proletarier von heute mit ihrer DSDS-Hörigkeit und anderen Zivilisationskrankheiten plötzlich einen riesigen uniformen Mob bilden). Ganz so schwarz sehen auch Desperate Cry nicht - ich erlaube mir, den Text zu "Lovesong" komplett zu zitieren: "wenn es mir nach so langer zeit / plötzlich wieder gut geht / muss doch etwas dran sein / am sagenumwobenen mysterium der liebe / in dieser kalten dieser schrecklichen zeit / werde ich mich der schönsten illusion hingeben / in dieser kalten dieser schrecklichen zeit / werde ich leben". Musik ist auf der CD übrigens auch drauf, eine halbe Stunde, auf 10 Songs verteilt. Grob kann man Desperate Cry erstmal ins Hardcorelager stecken, dort allerdings eher in die leicht noiselastige, trotzdem aber meist songdienliche Baracke. Von Hyperspeed bis zu fast Nu Metal-verdächtigem Gestampfe gibt's alle Tempovarianten zu entdecken, wobei die allgemein sehr punklastigen Gitarren den Metalfaktor von vornherein auf niedrigem Niveau halten, selbst wenn die erste Hälfte des Quasi-Titeltracks "Ants" mit anderem Sound fast schon eine truemetallische Hymne abgäbe (dafür wird die zweite Hälfte des Songs dann wieder eher noisig). Die außer den rocktypischen Zutaten im Booklet noch aufgeführten Instrumente (Posaune und Orgel) wurden so weit in den Hintergrund gemischt, daß man sie nur bei genauem Hinhören entdeckt und die Songs auch ohne sie live funktionieren (obwohl die Farfisa-Orgel im ausgedehnten Hauptsolo des mit knapp fünf Minuten radikal Überlänge aufweisenden "Stone" einen nicht unwesentlichen Teil des Reizes dieses Stückes ausmacht, das im übrigen auch gut auf P.O.D.s "Satellite" gepaßt hätte). Am Mikro steht mit Simon ein Mensch, der sowohl pathetischen Klargesang (eher selten) als auch wild-psychotisches Kreischshouten (häufiger) beherrscht. Massivität oder stumpfe Mitgrölkompatibilität ist ein Fremdwort für die meisten der 10 Tracks, auch wenn man sich die eine oder andere noisige Themenauswalzung unterm Strich etwas kompakter gewünscht hätte. Wer von Brain:FAQ das Schaffen auf "Nutze die Zeit" demjenigen von "Brainstorming" vorzieht, sollte auch an Desperate Cry Gefallen finden.
Kontakt: Ernst Puchinger, Fischböckau 29, A-4655 Vorchdorf, www.desperado.at oder über www.interstellarrecords.at (Mail office@interstellarrecords.at)

Tracklist:
Spreng die Kettten
MVS
Göteborg
Gatschi
Lovesong
Ants
Jaro
Stone
Supersonic
Nudelsieb





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