www.Crossover-agm.de DANCING FLAME: Dancing Flame
von rls

DANCING FLAME: Dancing Flame   (Metal Soldiers Records)

Gut Ding will Weile haben: Fünfeinhalb Jahre haben die Aufnahmen zur vorliegenden Stunde Musik gedauert, und hierfür sind von Mai 2003 bis Dezember 2008 auch gleich fünf verschiedene Studios in Anspruch genommen worden. Anno 2009 erschien das selbstbetitelte Debütalbum von Dancing Flame dann, blieb kenntnisseitig aber im wesentlichen auf die brasilianische Heimat der Band beschränkt, bis Metal Soldiers Records anno 2014 eine auf 1000 Exemplare limitierte Version für den Vertrieb in Europa herstellten, die abermals zwei Jahre später nun auch endlich hier Einzug gehalten hat. Die Frage bleibt natürlich, ob der Tonträger die dreizehn Jahre Wartezeit belohnt oder ob es egal gewesen wäre, hätte man ihn erst später oder nie zu Gehör bekommen. Sie fällt letzten Endes unentschieden aus.
Festzuhalten wäre zunächst, daß Dancing Flame Melodic Metal spielen, und sie versuchen, ihren Sound durch die Vermischung verschiedener Substilistika bzw. Stilelemente zumindest halbwegs originell zu gestalten (was per se im Melodic Metal zwar sowieso nicht mehr geht, aber man kann es ja zumindest anstreben). Da kommen etwa gleich im einleitenden Teil des Openers "Sleepless Nights" zweistimmige Melodiestrukturen in den Gitarren vor, denen man die Iron-Maiden-Verwandtschaft deutlich anhört, da trägt aber gleich das folgende "Strike A Blow!" gewisse sleazeartige Züge, während die an dritter Stelle stehende Bandhymne "Dancing Flame" mit Funkeinflüssen spielt und in einem funkrockigen Quasi-Solo der Rhythmusgruppe endet. Dann kommt mit "Lords Of Fire" wieder klassischer Midtempo-Metal teutonischer, speziell süddeutscher Achtziger-Prägung mit zweistimmigem Solo - und so geht es munter weiter durch den musikalischen Garten. Zeitlich wäre man geneigt, Dancing Flame in den Spätachtzigern anzusiedeln, wüßte man die einleitende Entstehungsgeschichte nicht - aber schon damals hätten die Brasilianer das Problem gehabt, daß viele ihrer Songs zwar gut sind, aber eben nicht sehr gut. Vieles plätschert so vor sich hin, auch die hübsche Ballade "I Swear" macht viel zu wenig aus den Möglichkeiten, die das dort eingesetzte Streichquartett Fest Moments geboten hätte, das im an und für sich nicht schlechten Soundgewand viel zu weit nach hinten gemischt worden ist. Das Verdikt des Keine-Bäume-Ausreißens gilt auch für den Gesang von Adriano Oliveira: Der Mann hat eine gute normale Stimme im halbhohen Bereich und paßt damit eigentlich prima zur generellen relativen Unauffälligkeit des Songmaterials - man erschrickt fast, als er in "Everybody's Creeping" einen Deut rauher zu singen versucht, was sich aber auf einige Momentaufnahmen beschränkt, während dort der in geradlinige Melodic-Metal-Strophen gehüllte alternativrockig-verschleppte Refrain für Stirnrunzeln sorgen könnte. Etwas spannender agieren Dancing Flame dann erst in der zweiten Albumhälfte. Damit ist noch nicht "Cheap Trick" gemeint (Anmutung auch hier: klassische Melodic-Metal-Band entdeckt den Alternative Rock), aber an achter Position steht "Windows Of Your Soul" (aus dem das Backcover "Windows To Your Soul" macht). Hier trauen sich Dancing Flame endlich mal zuzugeben, daß sie eigentlich keine Härtner sind - in der Gesamtbetrachtung fällt das Album für richtigen Melodic Metal zu lasch, für Melodic Rock aber streckenweise zu hart aus, und besagtes Fenster-Lied siedelt im klassischen Melodic Rock, lebt von der Akustikgitarrenarbeit sowie vom findigen mehrstimmigen Gesangsarrangement und macht über weite Strecken richtig Hörspaß. Aber so ganz vom Metal lassen will das Quintett auch nicht, und so lenkt es "Red Moon" nach dem Akustikintro doch wieder in härtere Gefilde, mit gehobenem Midtempo die schnellste Komposition markierend, in der Gitarrenarbeit geschickt Elemente von Iron Maiden und Paradise Lost (!) kombinierend und lediglich durch die etwas übertriebenen Drumwirbel im Refrain beeinträchtigt. Aber es wird noch besser: "Open Your Heart" ist zwar keine Europe-Coverversion, aber wieder so ein geschickt an der Metalgrenze plazierter Melodic-Rock-Song mit geschickter Akustikarbeit, die mit Gewitterregen und Orgel eingeleitete Halbballade "Vampires Sleep" reizt die Möglichkeiten des Streichquartetts weiter aus als in "I Swear" (hinzu treten der nur hier mitwirkende Flötist William Medeiros und Angel Hanks als Gastsängerin, die den dann leider etwas schnöde ausgeblendeten Song weiter aufwerten), und das sechsminütige Abschlußepos "War Crimes" mit Redesamples u.a. von Martin Luther King und dem Gröfaz sowie Kriegsgeräuschen, abermals dem Streichquartett und einer leicht orientalisch anmutenden Gitarrenmelodie im Intro markiert den dramatischen Höhepunkt des Albums. Daß der ein wenig an Queens "Innuendo" erinnernde Soloeinleitungspart nicht in diesem Stil fortgesetzt wird, verzeiht man angehörs des sich hier entwickelnden furiosen Soloduells gern. Wenn die ganze Scheibe so ausgefallen wäre wie ihr letztes Drittel, hätten wir zweifellos ein richtiges Highlight vor uns - auch in der vorliegenden Form kann der Genrefreund zwar ein Ohr riskieren, sollte aber keine Wunderdinge erwarten. Bei Interesse schaue man, ob www.karthagorecords.de noch ein Exemplar auf Lager hat. Der gleichfalls 2014, also nach "nur" fünf Jahren, erschienene Albumzweitling "Carnival Of Flames" ist bisher noch nicht hier eingetroffen.
Kontakt: www.dancingflameband.com, www.metalsoldiersrecords.com

Tracklist:
Sleepless Nights
Strike A Blow!
Dancing Flame
Lords Of Fire
I Swear
Everybody's Creeping
Cheap Trick
Windows Of Your Soul
Red Moon
Open Your Heart
Vampires Sleep
War Crimes






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