www.Crossover-agm.de CORRODED: State Of Disgrace
von rls

CORRODED: State Of Disgrace   (Ninetone)

Nein, das hier sind nicht die Deutschen Koroded nach einer konsequenten Anglifizierung ihres Bandnamens, obwohl diese Theorie grundsätzlich keineswegs auszuschließen wäre. Kollege Tobias bezeichnete deren "The Absurd Beauty Of Being Alone"-Album anno 2004 als "Musik in der Grauzone aus melodischem Hardcore, wütendem Hardcore, Thrash, rappigem Crossover und New Metal", wobei die sechs alten Songs stark nuthrashig in konventioneller Bauart und die sechs neuen Songs stärker in der besagten Mixtur zu verorten seien. Wenn man also die Theorie aufstellt, das entsprechende Entwicklungstempo wäre so weitergegangen, so könnte acht Jahre später durchaus Musik entstehen, die der auf "State Of Disgrace" ähnelt. Aber Theorie und Praxis klaffen im vorliegenden Falle auseinander: Diese Verrosteten hier sind Schweden, in ihrem Heimatland schon hochgradig populär und international mittlerweile auch auf dem aufsteigenden Ast. "State Of Disgrace" ist das dritte Album der Band, in der Heimat bereits Ende 2012 veröffentlicht und dort die Pole Position in den Albumcharts nur haarscharf verfehlend, und nun erfährt es auch eine reguläre Veröffentlichung im Rest Europas.
Und was für eine Sorte Musik kommt da nun über die Ostsee gepaddelt? Das sanft gezupfte Akustikgitarrenintro "Oderint Dum Metuant" läßt noch alle Möglichkeiten offen (von der Folkscheibe bis zum Black Metal - immerhin hatten selbst Dissection solche Stücke im Repertoire), und dann entspinnt sich elf Songs lang moderner und relativ vielschichtiger Metal, der wie gesagt durchaus in sechsjähriger Entwicklung auch aus obengenannter Mixtur hätte entstehen können. Hardcore ist allerdings keiner da, Thrash nur in Nuancen und Rap dankenswerterweise auch abwesend. Einflüsse alter Crossovertruppen lassen sich allerdings nach wie vor feststellen, New Metal findet sich auch reichlich, und als neue Zutaten treten noch Grunge der relativ unnöligen Art, Siebziger-Hardrock und hier und da sogar eine Prise Traditionsmetal hinzu. Diese eigentümliche Mixtur macht es schwer, Vergleichsbands zu benennen, aber das Infoblatt hilft dem Rezensenten, indem es Abgrenzungskriterien zu drei Bands anführt: Machine Head, Disturbed und Black Label Society. Erstgenanntes ist zwar relativ unnötig - Flynn & Co. haben bis auf die typischen Gitarrenquietschereien etwa in "Believe In Me" so gut wie keine Spuren bei Corroded hinterlassen. Aber Disturbed und Black Label Society sind ernstzunehmen, und dazu treten noch die norwegischen Nachbarn von Audrey Horne, wenngleich Corroded deren struktur- und stilimmanentes Keyboardspiel nicht reproduzieren: Sie besitzen statt eines Keyboarders drei Gitarristen, und das Booklet nennt auch keinen Gastkeyboarder, sondern als einzigen Gastmusiker Martin Boman, der in "Uncommon Sense" das Sitarsolo spielt. Trotzdem muß ein Keyboarder an "State Of Disgrace" mitgearbeitet haben, und an bestimmten Stellen würde ohne seine Arbeit etwas fehlen, etwa gleich im Quasi-Opener "Let Them Hate As Long As They Fear", dessen Bridge durch den Keyboardhintergrund eine entscheidende Stützung erfährt. Generell fällt auf, daß Corroded ihre Songs relativ kompakt inszenieren - die 11 Songs (das Intro aus der Kalkulation genommen) bringen es nur auf 42 Minuten, was unter den Vergleichsbands durchaus nicht die Regel darstellt. Interessanterweise wirken die Corroded-Songs länger, da die Schweden eine beachtliche Ideenfülle in der kurzen Spielzeit unterbringen und zudem aufgrund ihres breiten Stilarsenals immer mal wieder für eine Überraschung gut sind. Als gutes Beispiel geht das erwähnte Sitarsolo durch: Man würde ein solches an der betreffenden Stelle nicht zwingend vermuten, aber trotzdem fügt es sich perfekt in den Song ein und wirkt nicht wie ein hineingepreßter Fremdkörper. Überhaupt gefällt Corroded das Stilmittel zurückhaltender Soloparts offenbar sehr gut: Schon "Let Them Hate As Long As They Fear" schaltet im Solo die Akustische ein, und es soll nicht das einzige Exempel hierfür bleiben - der Closer "Stop Me From Screaming" etwa arbeitet ähnlich, wenngleich sich das vermeintliche Hauptsolo als Outro entpuppt und man hier irgendwie etwas unbefriedigt zurückbleibt. Mit "Beautiful Revolution" schrecken die Schweden nicht mal vor einer orchesteruntermalten Ballade zurück, und auch auf diesem Sektor liefern sie durchaus gute Arbeit ab - wer diesen Song für zu schmalzig hält, dürfte auch schon an den immer wieder eingebauten melodisch-hymnischen Refrains keinen Gefallen gefunden haben. Das ist natürlich nichts Neues, aber im Falle Corroded vermeidet die Band meist das Schema F, das beispielsweise bei den Cleanrefrains im Emocore nicht selten auftritt. Spätestens "As I Am" zaubert dem Hörer dann noch einen Geistesblitz ins Hirn: So ähnlich klangen auch die Queensryche der Post-"Empire"-Ära bisweilen, und wer die mochte, der könnte "State Of Disgrace" über weite Strecken auch zu schätzen wissen. Ansonsten ist das wie erwähnt Stoff für die Disturbed-/BLS-/AH-Klientel, die ja durchaus keine kleine ist und an den fleißig tourenden Schweden ebenfalls Gefallen finden könnte.
Kontakt: www.ninetone.com

Tracklist:
Oderint Dum Metuant
Let Them Hate As Long As They Fear
More Than You Can Chew
I Will Not
Uncommon Sense
I Am The God
Believe In Me
Beautiful Revolution
Dirt
As I Am
Clean My Guns
Stop Me From Screaming
 




www.Crossover-agm.de
© by CrossOver