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von rls

CIRYAM: Czlowiek Motyl   (Fonografika)

Evanescence auf Polnisch? Wer das für keine schlechte Idee hält, sollte sich mal dringend "Czlowiek Motyl" von Ciryam anhören. Freilich: Als Kopisten kann man die polnische Truppe nicht abstempeln. Einerseits sind sie schon seit 1999 aktiv, als in Mitteleuropa noch keiner was von Evanescence ahnte. Die ersten vier Jahre agierten sie noch unter dem Namen Ardor und spielten zwei Demos ein, nach der Umbenennung in Ciryam sind bisher drei Alben entstanden, von denen "Czlowiek Motyl" das bisher jüngste darstellt. Aus den alten Ardor-Zeiten gehören heute nur noch Sängerin Monika und Rhythmusgitarrist Robert zur Band, die heute den gleichen Nachnamen tragen, was sie zu Ardor-Zeiten noch nicht taten, damit den Schluß nahelegend, daß sie in der Zwischenzeit geheiratet haben. Der Männerwelt bleibt also nur noch übrig, Monika platonisch zu Füßen zu liegen oder sich gleich ausschließlich ihrem Gesang zu widmen, der eine ganze Ecke kräftiger als der von Evanescence-Amy ausfällt, allerdings trotzdem stets im melodischen Bereich bleibt, zudem angenehme Mittellagen präferiert und daher für alle Sopranistinnen-Nicht-Möger, die aber auch nicht gleich auf den Typus Rockröhre umschwenken wollen, eine reizvolle Alternative bietet. Das oben erwähnte Vorhandensein eines Rhythmusgitarristen legt zudem die Existenz eines Leadgitarristen nahe, und der ist in Person von Grzegorz Makiel auch tatsächlich anwesend. Heißt praktisch: Ciryam arbeiten mit zwei Gitarristen und legen ihr Material auch dementsprechend an, wenngleich auch Keyboarder Mateusz Sienko nicht unterbeschäftigt bleibt. Bisweilen darf er die Haupthooks spielen, wie etwa gleich im eröffnenden "Venus", ansonsten sorgt er zumeist für moderne, mal knisternde, mal sonstige Geräusche imitierende Elemente, die einen gewissen Gegenpol zur bisweilen etwas traditioneller ausgerichteten Gitarrenarbeit bilden und auch hauptverantwortlich für die Evanescence-Vergleiche zeichnen, denn derlei Gitarre-Keyboard-Kombinationen kennt man auch aus deren Schaffen. Dazu kommen keyboardseitig wahlweise auch Orchestertürme, Streicherflächen oder auch ein simples grand piano - beides beispielsweise in "Niczyja" schön zu hören und in gewisser Weise zwar nicht songtragend, aber doch songveredelnd. Generell liegt die Grundhärte bei Ciryam allerdings ein gutes Stück höher als bei Evanescence, wenngleich auch die polnischen Gitarristen durchaus mal die Verstärker ausschalten und dann hier und da Erinnerungen an die Anathema der Post-"Eternity"-Phase hervorrufen. Aber das tun sie nicht allzuhäufig, und prinzipiell regiert hier eindeutig der Metal. Was die Polen freilich mit den Amis eint, ist eine Neigung zur eingängigen Songgestaltung, ohne deshalb flach zu wirken oder stromlinienförmig zu agieren. Allerdings kommt im Falle Ciryams auch noch die Neigung hinzu, eben diese Eingängigkeit mit progressiven Parts zu koppeln, in denen Drummer Damian Jurek aus den gängigen Schemata ausbricht und entweder trotz gleichbleibenden Grundbeats abweichende Drumfiguren spielt (schön zu hören beispielsweise in den Akustikbreaks von "Diler"), Halftimedrums einschiebt oder sonst irgendwelche eigentümlichen Dinge tut. In Kombination mit den durchaus eingängigen Melodien ergibt das eine reizvolle Mixtur, deren Eingängigkeitsfaktor für den nichtpolnischen Hörer nur darunter leidet, daß Monika in polnischer Sprache singt. Das soll kein Vorwurf sein - die Sprache paßt durchaus gut zur Musik. Aber für alle, die sich diesbezüglich beklagen, haben Ciryam "Venus", den bereits erwähnten eingängigen Opener, und "Virus" am Ende des Albums noch ein zweites Mal berücksichtigt, diesmal aber mit englischen Lyrics. Als weitere Boni gibt es zu ebenjenen zwei Songs auch noch Videos (eine Bandperformance mit der Darstellung einer an ihrer Bindungsunwilligkeit oder -unfähigkeit verzweifelnden jungen Frau koppelnd), und die optikbetonende Fraktion kann in ihre Betrachtungen auch noch das Coverartwork des Digipacks einschließen, um dort u.a. einen Schwalbenschwanz und in der linken Coverhälfte einige an Tiamats "Wildhoney"-Album erinnernde Elemente zu entdecken. Wer sich vorstellen kann, Tiamat hätten nach "Clouds" eine Frau ans Mikro gestellt und sich in eine Richtung bewegt, wie sie Jahre später etwa Evanescence populär gemacht haben, der könnte Ciryam als Produkt einer solchen Entwicklung betrachten, wenngleich das allein aus chronologischen Gründen natürlich ein rein theoretisches Gedankenspiel bleibt. Wenn die Polen ihre Gitarristen allerdings mal komplett schweigen lassen, wie sie das im Großteil der Ballade "Wezuwiusz" tun, kommen als musikalischer Querverweis gar Ganes ins Blickfeld, die freilich noch gar nicht existierten, als "Czlowiek Motyl" eingespielt wurde. Bleibt unterm Strich also eine gar nicht so leicht einzuschubladisierende Band, die zwar generell irgendwo im modernen melodischen Gothic Metal mit progressiven Einschüben lagert, aber dort durchaus ihr eigenes Süppchen kocht, und das mit einem nicht zu verkennenden Händchen für Qualität, übrigens auch was das Klanggewand angeht (man nahm die 50 Minuten von "Czlowiek Motyl" im renommierten Hertz-Studio auf). Wer es eher eingängig mag, dem sei als Anspieltip gleich "Venus" empfohlen, wer ein etwas progressiveres Exempel testen möchte, rolle das Album sozusagen von hinten auf und höre zunächst "Igla", das die regulären neun polnischen Songs abschließt.
Kontakt: www.fonografika.pl, www.ciryam.pl

Tracklist:
Venus
Color
Twarze Faraonów
Niczyja
Virus
Diler
Wezuwiusz
Skala
Igla
Venus (English Version)
Virus (English Version)
 




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