www.Crossover-agm.de CENSUS OF HALLUCINATIONS: Nothing Is As It Seems
von rls

CENSUS OF HALLUCINATIONS: Nothing Is As It Seems   (Stone Premonitions)

Nach dem Abschluß der aus "Spirit Of Yellow", "Coming Of The Unicorn" und "The Nine" bestehenden Albumtrilogie betreten Census Of Hallucinations wieder neue Wege, führen aber gleichzeitig den auf "The Nine" eingeschlagenen Kurs weg vom Rockfaktor weiter, der sich in Kevin Hodge als Zweitgitarrist anstelle des sich nur aufs Gesangsmikrofon beschränkenden Tim Jones manifestiert - und besagter Kevin Hodge spielt laut Besetzungsliste eine "electrified acoustic guitar" und eben keine electric guitar wie weiland Jones oder der heutige Gitarrenpartner John Simms. Aber diesmal geht die britische Formation noch einen Schritt weiter und gestaltet das Songmaterial harmonisch noch deutlich unzugänglicher. Hat der Opener "Conspiracy Of Silence" zumindest noch einige merkfähige Themen zu bieten, so bleiben solche in sieben der acht weiteren Songs nahezu vollständig aus, von einigen Schlagworten wie dem quasi geshouteten Refrain von "Elephant Elephant Elephant" abgesehen, und auch der dürfte dem Freund der Harmonieanalyse die eine oder andere Nuß zu knacken aufgeben. Zwar findet sich auch in diesen weiteren Songs der eine oder andere Part, der sich schneller erschließt als die Umgebung (etwa der mit simplen Mitteln einen gewissen Bombast aufbauende Schlußteil von "Elephant Elephant Elephant"), aber das Gesamtbild bleibt fast unnahbar, wozu noch der Fakt tritt, daß Tim Jones auf Gesangsmelodien fast völlig verzichtet und die Lyrics mehr in einer Art erzählendem Stil darbietet. Das paßt zur geplanten inhaltlichen Grundaussage der Entfremdung, auch wenn man ein wenig nachdenken muß, wie sich diese wiederum mit dem Urspung des Albums im Projekt "Imagine John Lennon" und der gleichnamigen Vier-Song-EP aus dem Jahr 2014, deren Songs nun allesamt auch auf "Nothing Is As It Seems" gelandet sind, in Einklang bringen läßt. Das zugehörige Stichwort auf dem Infoblatt lautet "alienation", und das führt uns zunächst zum Coverartwork, das in LP-Größe sicher noch mehr Details preisgäbe, aber auch im kleinen CD-Format noch genügend Erkundungsgewinn liefert und nebenbei einen kleinen Seitenhieb auf die Kornkreis-Praktiker landet. Ebenso nebenbei gerät der besagte Titeltrack quasi zum Gipfelpunkt der Eingängigkeit auf diesem Album, wozu der hier richtig gesungene Refrain sein Scherflein beiträgt - und prompt bekommt er eine weitere Bedeutung, denn man kann ihn eben gerade nicht als Maßstab für den Rest des Albums, der wie beschrieben deutlich unzugänglicher ausfällt, hernehmen. Dafür bemerkt man eine gewisse Vorliebe von John Simms, der auch das Gros der Keyboardarbeit erledigte, für "alt" klingende Barpianos. Wer mal richtig schön drauflosanalysieren möchte, nehme sich "Faculty Of Mirrors" vor, wo die Akustikgitarre bisweilen so anmutet, als ob sie gar nicht zum Rest des Songs gehöre. Solche Stilmittel wurden im Kontext von Census Of Hallucinations bisher eher selten eingesetzt, aber der heutige Liebhaber schräg-komplexer Musik ist mittlerweile ja ganz andere Dinge gewöhnt, während derjenige Hörer, dem Census Of Hallucinations in ihren geradlinig-zugänglichen Momenten immer am liebsten waren, an "Nothing Is As It Seems" ziemlich zu knabbern haben wird. Vielleicht lohnt sich eine Erschließung über diverse Teile der Detailfülle, denn die diesbezügliche Verliebtheit haben Jones und seine Mitstreiter, zu denen bei den Backings neben Maxine Marten auch wieder Langzeitpartnerin Terri B. gehört, wieder ein gutes Stück erhöht, was auch seinen Widerhall in den Songlängen findet: Der Titeltrack ist mit genau fünfeinhalb Minuten der drittkürzeste Song des Albums, das ein wenig an eine psychedelischere Version von Led Zeppelins "Kashmir" erinnernde und auch noch halbwegs eingängige "He Who Can Manage Camels" steht mit reichlich neun Minuten am anderen Ende der Skala. Die vier ursprünglichen "Imagine John Lennon"-Songs sollen zusammen 30 Minuten gedauert haben, so daß jetzt jeder anhand der Tracklist fleißig nachrechnen kann, welche es denn gewesen sein könnten. Interessanterweise finden sich mit "Elephant Elephant Elephant", "Nautilus", "He Who Can Manage Camels" und "Brainless Ape" genau vier Songs, die Tiere im Titel haben - aber deren summierte Spielzeit beträgt nur knapp 29 Minuten ... Aber wichtiger als diese Quellenerkundung ist vielleicht der Fakt, ob die 57:57 Minuten "Nothing Is As It Seems" (die Gesamtspielzeit dürfte sicher auch kein Zufall sein ...) als ganzes Album funktionieren. Da dürften sich wie erwähnt die Geister durchaus scheiden, aber weniger aufgrund einer etwaigen Zerrissenheit des Albums, sondern wie erwähnt wegen seiner prinzipiell schweren Zugänglichkeit, die einiges an Erschließungsarbeit erfordert, aber die Erkundung durchaus auch zu lohnen vermag, wenn man denn generell im Psychedelic (nicht Psychedelic Rock!) zu Hause ist.
Kontakt: www.aural-innovations.com/stonepremonitions

Tracklist:
Conspiracy Of Silence
Elephant Elephant Elephant
In Ruins
Nothing Is As It Seems
Faculty Of Mirrors
Nautilus
95 To 5
He Who Can Manage Camels
Brainless Ape
 




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