www.Crossover-agm.de CENSUS OF HALLUCINATIONS: The Nine
von rls

CENSUS OF HALLUCINATIONS: The Nine   (Stone Premonitions)

Hatte man anhand des Vorgängeralbums vermutet, der neue Gitarrist John Simms könne ideenseitig für die härteren Elemente in der Gitarrenarbeit verantwortlich sein, so relativiert "The Nine" diese Einschätzung in gewisser Weise wieder: Die betreffenden Elemente fehlen in den knapp 40 Minuten komplett, obwohl Simms nach wie vor dabei ist. Das strukturelle Rätsel löst sich im Booklet: "All music written by Census Of Hallucinations from an original idea by Kevin Hodge" liest man da, und besagter Kevin Hodge ist neu in der Stone-Premonitions-Familie und spielt Akustikgitarre, so daß seine Präferenzen logischerweise ihren Niederschlag in der Musik gefunden haben. Die neun Songs (irgendwie logisch bei dem Albumtitel, wenngleich nicht zwingend - zu Zeiten, als Census Of Hallucinations ihre Alben noch quasi durchnumerierten, stimmten die Zahlen auch nicht überein, und "Nine Lives" beispielsweise enthielt 18 Tracks) changieren zwischen Akustikpop, psychedelischen Elementen und einigem Zusatzstoff, etwa verzerrten Gesangseinwürfen, gipfelnd im abschließenden "The Truth Inverted", wo sich Tim Jones in einen fies kreischenden Hund (Dog) verwandelt, der fordert, anstelle Gottes (God) angebetet zu werden. Da mit Hodge und Simms schon zwei Gitarristen anwesend sind, spielt Jones diesmal übrigens nicht selbst Gitarre, und vielleicht werden manchem Altfan von Census Of Hallucinations seine typischen Melodielinien ein wenig fehlen, wenngleich auch Simms etwa gleich im Opener "Signature" oder in "Delivering The Goods" phantasievolle Leadgitarrenlinien spielt, ohne allerdings Jones' Stil 1:1 zu übernehmen, was man mögen kann (Simms behält seinen Stil bei) oder auch nicht (das Ergebnis weicht ein bißchen von dem ab, was man an dieser Band so schätzengelernt hat). Alles ist wie immer eine Frage der Herangehensweise - kann man auch ein ungewöhnliches, wenngleich allein schon aufgrund des Gesanges prinzipiell wiedererkennbares Census-Of-Hallucinations-Album mögen, oder lehnt man ein solches ab? Letzteres wäre schade, denn dadurch entginge einem der Blick auf interessante Elemente wie in "All About Harry": Zwar werden die bläserartigen Passagen hier keyboarderzeugt sein (zumindest gibt das Booklet keinen Gastbläser an), aber Drummer Paddi legt einen unaufdringlichen Shufflerhythmus drunter und erzeugt damit ein jazziges Feeling, das man sonst auf Census-Alben eher selten vernimmt. Generell hält die Band das Tempo allerdings weit unten - zwar herrscht immer noch genügend Variationsbreite, aber für gewisse Lebenslagen, wo man eher was Aufmunterndes braucht, ist "The Nine" trotzdem weitgehend ungeeignet, zum intensiven Lauschen allerdings schon. Und da fällt Jones' wohl dem Albumkonzept (Lyrics sind im Booklet allerdings nicht vorhanden) geschuldete Vielseitigkeit an Lautäußerungen besonders auf - der Hundegott wurde ja bereits erwähnt, in "Cold As Trout" beginnt er plötzlich zu weinen, und Sprechgesang verschiedener Appellationsintensität tritt in etlichen Songs auch noch auf. Das Hervorheben einzelner Nummern ergibt nur bedingt Sinn, da es sich offensichtlich um ein Gesamtkunstwerk handelt - trotzdem sticht "The Crunch" allein schon aufgrund des markant strukturierten Refrains und der wieder mal hervorragenden Leadgitarre Simms', die sich hier auch als Thema durch den ganzen Song zieht, zumindest ein Stück weit heraus. Rein musikalisch wäre diese Nummer auch als Albumcloser geeignet gewesen, da der Erzähler am Ende gen Weltraum entschwebt, aber dann wäre der Effekt des Hundegottes im Finale unmöglich gewesen. "A Most Remarkable Number", das sich mit der Bedeutung der Neun als größter einstelliger Zahl beschäftigt, führt als zusätzliche Zutat noch eine Sitar ein, aber vermutlich eine künstliche, da auch hierfür kein Gastmusiker vermerkt ist. Apropos Musiker: "The Nine" ist eines der wenigen Census-Alben, auf denen Terri B. nicht zu hören ist - die Backing Vocals bestreitet Maxine Marten, was den weiblichen Anteil betrifft, im Alleingang. Und gerade eine große Hymne wie "The Truth Inverted" musikalisch mit dem erwähnten fiesen Hundegott zu beenden spricht für künstlerische Unangepaßtheit und den Gestaltungswillen der Band, der nicht immer angenehm, aber immer interessant zu hören ist. So läßt sich auch auf "The Nine" manch Interessantes entdecken, auch wenn Census Of Hallucinations hier bisweilen außerhalb ihrer angestammten Weide grasen.
Kontakt: www.aural-innovations.com/stonepremonitions

Tracklist:
Signature
The Emperor
Delivering The Goods
All About Harry
Cold As Trout
Timelessness
The Crunch
A Most Remarkable Number
The Truth Inverted



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