www.Crossover-agm.de CARESS: The Return Of The Beast
von rls

CARESS: The Return Of The Beast   (Karthago Records)

Nanu, ein Stryper-Sideproject? Nein - Caress-Drummer Ossi Fox hat offensichtlich nichts mit Stryper-Axeman Oz Fox zu tun. Trotzdem könnten Menschen, die Stryper ausschließlich aus musikalischen Gründen mögen, durchaus auch mit Caress warmwerden, wenn sie noch einen anderen Aspekt goutieren können: Mit Coco Laross hatten die Badenser nämlich eine Sängerin am Start, was um die Wende von den 80ern zu den 90ern, als Caress für drei Jahre aktiv waren, durchaus noch keine Selbstverständlichkeit im Hardrock bzw. Melodic Metal darstellte und im deutschen erst recht nicht. Klar, man kannte Doro bzw. Warlock, die BaWü-Landsleute Battlefield wurden gleichfalls weiblich gefrontet (auch wenn sie einen ganz anderen Substil des Metal spielten), und wenn ein Caress-Mitglied Verbindungen in die DDR gehabt haben sollte, so könnte man vielleicht auch von einer Truppe namens Plattform schon einmal was gehört haben, zu denen es im instrumentalen Bereich die eine oder andere Parallele gibt, während Micky Burkhardt allerdings viel kreischiger agierte als Coco Laross, die wiederum tatsächlich ein klein wenig wie eine weibliche Version von Michael Sweet klingt, womit wir wieder bei Stryper angelangt wären. Caress arbeiteten ohne Keyboarder und dafür mit zwei Gitarristen, was der Musik die nötige Grundhärte verschafft, um die Klassifizierung als Melodic Metal zu rechtfertigen, aber sie blieben zugleich den traditionellen Werten des Hardrock verpflichtet, wie sie gerade im süddeutschen Raum gepflegt wurden und bis heute werden (Kuriosum am Rande: Kurz nach Eintippen dieser Rezension hatte der Schreiberling die 2002er "Kiss Of A Demon"-Scheibe von Misfit im Player - und die ähnelt der prinzipiellen Herangehensweise von Caress durchaus, ebenso wie zeitgleiches Schaffen einer Band wie Backslash). Schon die A-Seite der 6-Song-Mini-LP "The Return Of The Beast", die das einzige offizielle Tonzeugnis des Quintetts darstellt und nunmehr in der Heavy-Metal-Classics-Serie des Karthago-Labels als auf 500 Einheiten limitierter Re-Release vorliegt, demonstriert mit den beiden flotten Außennummern "Our Rights" (freilich ein wenig hastig anmutend) und "United Power" sowie dem dazwischen positionierten Stampfer "The Ritual", in welchem musikalischen Spektrum sich Caress wohlfühlten. Im Titeltrack, der die B-Seite eröffnet, gönnten sie sich dann doch kurze Keyboardeinwürfe, um der Bridge einen hymnischen Charakter zu verschaffen, während der treibende Closer "Liberty For All" eine Liveatmosphäre samt Orchesterintro einsampelt. Dazwischen lagert noch "Piece Of Action" mit etwas hilflos wirkenden männlichen Gesangs- oder Spracheinwürfen, während das Eingangsriff an irgendeinen bekannten Hardrocksong erinnert, aber dem Rezensenten ist noch nicht eingefallen, um welchen es sich handelt. Caress hatten zweifellos fähige Musiker an Bord, und speziell Leadgitarrist Jack-N. Teichmann verrichtet interessante Arbeit, während seine instrumentellen Mitstreiter einen grundsoliden und je nach Erfordernis des Songs auch durchaus wandlungsfähigen Teppich unter seine und Cocos Linien legen. Trotzdem ist unterm Strich wenig Material an Bord, dem man langfristig größeren Merkwert attestieren würde - bis auf "Liberty For All" sind die Refrains eher wenig einprägsam, und auch das Riffing weiß für den Moment zu unterhalten, ist aber auf Dauer wenig memorabel. So gilt auch für Caress, daß man mit ihrem Material durchaus eine gute Zeit haben kann, aber nicht muß.
Die Mini-LP erschien Ende 1989 in einer 1000er Auflage; 1990 kam es dann zu zwei Besetzungsänderungen, und diese Besetzung hatte dann bis zum Aus im Sommer 1991 Bestand. Der Re-Release enthält noch vier Bonustracks, und dabei handelt es sich vermutlich um das in der Bandbiographie im Booklet erwähnte, in einem Studio in Kehl eingespielte Material, wenngleich exakte Informationen darüber fehlen. Im Gegensatz zu den teilweise überdurchschnittlich langen Songs der Mini-LP hat hier einiges eher skizzenhaften Charakter, etwa das abschließende ruhige, atmosphärisch durchaus interessante Instrumental "Into The Night", das im arrangementösen Nichts endet. Wer beim ersten der Boni einen Schreck bekommen hat, kann sich beruhigen: Der heißt zwar "Ragamuffin Blues" und schmuggelt ins Gitarrenintro tatsächlich viel und in den Rest der Gitarrenarbeit (außerhalb des klassischen Gitarrenheldensolos) auch noch ein wenig Blues ein, bleibt aber ansonsten im gewohnten Klangareal der Band, wenngleich Coco hier einen Tick mehr kreischt und sich dadurch tatsächlich ein kleines Stück mehr gen Micky Burkhardt bewegt, die zu diesem Zeitpunkt Plattform freilich schon längst wieder verlassen hatte. Mit "Outsider" stellen Caress unter Beweis, daß sie auch schöne Balladen schreiben konnten, was sie auf der Mini-LP noch nicht demonstriert hatten - hier sorgt zudem eine Hammondorgel für klangliche Bereicherung, wenngleich man wiederum das Gefühl hat, der neue Leadgitarrist Patrick B. agiere noch etwas losgelöst vom Rest der Band (das hatte einen auch schon in "Ragamuffin Blues" im besagten Gitarrenheldensolo, so gut selbiges als solches auch ist, beschlichen). Aber das hätte sich vielleicht, wenn es zur Weiterarbeit und zu einem "richtigen" Studioalbum, abgeschliffen, zumal das Doppelsolo am Ende von "Outsider" richtig klasse geworden ist und nur unter dem produktionsbedingt einen Tick zu leisen Baß leidet. Wenn zum Finale hin dann nochmal eine feiste Orgel einsetzt, kommen Erinnerungen an beste Uriah-Heep-Zeiten auf, und mit solchen Klängen dürften Caress in der süddeutschen Szene natürlich offene Türen eingerannt haben. "Book Of Dreams" entpuppt sich abermals als klassischer Stampfer (man höre auf die blitzartigen Einwürfe einer orientalisch anmutenden Leadgitarre!), allerdings mit einem seltsamen, aber irgendwie genialen sphärischen Zwischenspiel, und wenn die Band die Songidee von "Into The Night" auf einem späteren Longplayer noch weiter ausgearbeitet hätte, so wäre auch hier mit einer Aufwertung zu rechnen gewesen - die erhöhte Vielschichtigkeit der Songideen zieht sich durch alle vier Bonustracks und läßt interessante Gedankenspiele zu, in welche Richtung die Band sich weiterentwickelt hätte (zumal neben Stormwitch, mit denen man die Bühne geteilt hatte, auch die Proggies Paralytic of... in der Thankslist der Mini-LP auftauchen). So verbleiben insgesamt 47 Minuten Musik als Vermächtnis von Caress, das wie bereits bekundet zumindest für den Augenblick definitiv hörenswert ist und darüber hinaus vielleicht auch bei dem einen oder anderen Liebhaber dieser Musik höher punkten kann. Die Ausstattung kommt karthagotypisch mit Liner Notes, Fotos und diesmal sogar allen Lyrics (auch denen der Bonustracks). Nur das erste "The" im Albumtitel hat man auf den CD-Seiten unterschlagen ...
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Our Rights
The Ritual
United Power
The Return Of The Beast
Piece Of Action
Liberty For All
Ragamuffin Blues
Book Of Dreams
Into The Night






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