www.Crossover-agm.de CARABAO: Tumnarn Ruk Torrahod
von rls

CARABAO: Tumnarn Ruk Torrahod   (Warner Music Thailand)

Kollege Georg hat ja mit "Inter" und der 20-Jahre-Doppel-DVD schon zwei Releases von Carabao besprochen, die eine Art Best Of-Charakter aufweisen. Nun kommt also "Tumnarn Ruk Torrahod" aus Südostasien daher (Danke an Dr. Katrin Seidel fürs Mitbringen dieser und einiger weiterer noch zu reviewender Scheiben!) und entpuppt sich ebenfalls als Best Of, diesmal aus Anlaß des 25jährigen Bandjubiläums, denn das erste Album der Formation datiert von 1981, und seither haben sich Aad Carabao und seine immer mal wechselnden Mannen (die Mitglieder bilden laut Georg eine großfamilienähnliche Struktur, die man entfernt mit der von den Söhnen Mannheims vergleichen könne) ein riesiges Following in ihrem Heimatland erspielen können, sind aber außerhalb der Grenzen Thailands nur in der Diaspora der ausgewanderten Thais bekannt. Vorliegende Scheibe wird daran vermutlich nichts ändern, schließlich sind nicht nur die Songtitel und die Texte komplett in Thai gehalten, auch das komplette Booklet ist mit den Schriftzeichen dieser Sprache gestaltet, und somit fiele es schon mal extrem schwer, diese CD, falls sich tatsächlich mal eine in einen deutschen Plattenladen verirren sollte, überhaupt zu identifizieren; nicht mal der Bandname ist in lateinischen Buchstaben zu finden, nur anhand des typischen Wasserbüffelschädel-Bandlogos kann zumindest der Kenner eine entsprechende Zuordnung vornehmen, alle anderen stehen in ähnlichem Maße im Regen wie die meisten Bewohner der Altbundesländer, wenn sie nach Rußland verpflanzt würden. Dem Erfolg in den Kreisen der Thai-Kundigen sollte das aber keinen Abbruch tun, zumal Aad Carabao in seinem Heimatland auch sowas wie das politische Gewissen der Kulturschaffenden darstellt und deshalb bei der Obrigkeit nicht eben beliebt, beim Volk aber dafür umso populärer ist. Komme niemand und frage mich, auf welchen der eine zweistellige Zahl erreicht habenden regulären Studioalben nun welcher der hier vertretenen 14 Songs vertreten ist - fest stehen aber zumindest zwei Dinge: Erstens sind die Songs, die Georg in seinem "Inter"-Review hervorgehoben hatte, allesamt nicht auf "Tumnarn ..." vertreten, und zweitens stehen auf dem Backcover unter den Titeln der ersten drei Songs noch Klammerbemerkungen in kleinerer Schrift, woraus man anhand der Kenntnis der Plattenfirmenpraxis in anderen Ländern schlußfolgern könnte, daß es sich hierbei um Mitteilungen wie "Previously unreleased", "Special version" oder ähnlich geartete handelt. Das muß aber mangels Sprach- und Schriftkenntnis wirklich reine Spekulation bleiben. Kommen wir also zu dem, worüber man auch ohne Sprach- und Schriftkenntnis eine eindeutige Aussage treffen kann: zur Musik. Der generellen Einordnung Georgs, Carabao würden thailändischen Folk mit Rockelementen verbinden, kann ich mich anhand dieser 14 Songs zweifellos anschließen, wenngleich letztere zumindest hier doch in der Unterzahl bleiben und außerhalb der Folkschiene auch nicht selten klassischer Pop der handgemachten und erfreulich unplastischen Art aus den Boxen schallt. Jeden der 14 Songs könnte man ausnahmslos auch im deutschen Formatradio laufen lassen und würde dafür nicht von den Hörern gesteinigt - und das ist in diesem Falle mal als Kompliment und nicht als Kritik bezüglich einer etwaigen Stromlinienförmigkeit zu lesen (man müßte experimentell einfach mal die Bombasthymne "Phee suer ratree" als Bonustrack einer Asien-Pressung von Bryan Adams verkaufen und die Reaktionen abwarten). Die Sprache der Gitarrenleads von Herrn Carabao selber (ich vermute einfach mal, daß er dieses Fach komplett selber abdeckt, denn der typische Stil zieht sich durch nahezu alle Tracks) erinnert in den härteren Momenten ein wenig an Joe Satriani, und manchmal vermag man auch einen kleinen Santana-Anklang auszumachen (der übrigens eine optische Fortsetzung findet, denn Herr Carabao sieht originalgetreu wie der südostasiatische Bruder von Carlos S. aus). Dazu kommt im Intro von "Ruk nork jai" eine Akustikgitarre, die der Ritchie Blackmores in "Soldier Of Fortune" ähnelt, und ein Direktzitat aus der europäischen Musikgeschichte findet man in "Barp borrisood", denn hier erklingt wie aus dem Nichts plötzlich das Thema von "Treulich geführt ziehen sie ein", dem Wagnerschen Hochzeitsmarsch. Prinzipiell bleiben Carabao aber eindeutig als Vertreter des asiatischen Kulturkreises identifizierbar, selbst wenn sie eine Bluesballade auflegen wie in "Ruk nee mee tae ter", denn selbst hier vermeint man noch ein paar fernöstliche Melodiefragmente zu erlauschen, und der typische nasale Gesang bleibt auch über die gesamte Spielzeit der CD hinweg erhalten. Wie gesagt: Zumindest in diesen 14 Songs hier rockt relativ wenig, so daß man sogar vermuten könnte, eine Balladencompilation vor sich zu haben, aber das ist andererseits ja auch wieder nichts Schlechtes, zumal Carabao den Schmalz nicht mit dem Messer zentimeterdick aufs Brot schmieren, sondern nur gelegentlich in Schwelgerei ausarten (wie etwa im soeben genannten "Ruk nee ..."), dann aber richtig. In anderen Songs wiederum fahren sie dieses Element stärker zurück, ohne jedoch in ganz basische Singer-/Songwriter-Gefilde abzudriften. Ihrer Popularität haben beide Ausprägungen offensichtlich nicht geschadet (erwartet irgendjemand Kommentare zur etwaigen politischen Ausrichtung der Texte von mir?), was auch dadurch bestärkt wird, daß der CD ein Flyer beilag, der die Downloadnummern von Klingeltönen aus den 14 hier zu hörenden und dazu 75 (!) anderen Carabao-Songs zu beinhalten scheint (wenn ich das richtig deute - auch das ist alles in Fremdsprache geschrieben, zumindest die Ziffern sind im Thai-Schriftsystem die gleichen wie bei uns). Die einstündige CD ist sicher nichts für jeden Tag und jede Gelegenheit (wenn man gerade nicht in passender Laune ist, kann einem der nasale Gesang auch schnell auf die Nerven gehen, wenngleich anzumerken bleibt, daß das Level von Dauernervensäge Xavier Naidoo dankenswerterweise bei weitem nicht erreicht wird), macht aber prinzipiell durchaus viel Spaß, und selbst wenn man mal einen ungünstigen Hörmoment erwischt hat, versöhnt einen spätestens der nächste der sparsam gesetzten, aber dafür umso effektiveren phantastischen Flötentöne (das Intro von "Fark jun" oder das Hauptsolo des gleichen Songs seien als Exempel genannt). Warum laufen in hiesigen Asia-Restaurants eigentlich immer diese austauschbaren pseudoasiatischen CDs und nicht mal so eine hier (die für Kundige im Booklet auch noch die kompletten Texte enthält)?
Kontakt: www.carabao.net, www.warnermusic.co.th, www.ethaicd.com

Tracklist:
Dork mai muan chon
Ruk nork jai
Heaw hang kwarm ruk
Sunya nah fhon
Ruk torrahod
Barp borrisood
Kon kee kong
Ruk tong soo
Ruk nee mee tae ter
Hua jai bah binn
Lom pud jai peh
Fark jun
Phee suer ratree
Loke hang kwarm ruk



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