www.Crossover-agm.de BLOODY CLIMAX: Back To The Wall
von rls

BLOODY CLIMAX: Back To The Wall   (Karthago Records)

Als Stefan Riermaier kurz nach der Jahrtausendwende das Label Karthago Records ins Leben rief, lag das Hauptaugenmerk der Releasetätigkeit auf der Wiederveröffentlichung alter und kaum mehr aufzutreibender Schätze der metallischen Zunft. Mit der Zeit kamen allerdings immer mehr Veröffentlichungen aktueller Alben "dazwischen", bisweilen auch beides parallel, wie beispielsweise bei den schweizerischen Black Angels, wo neben die Wiederveröffentlichung der alten Alben auch der Release eines neuen Albums trat. Im Zuge der Einbindung von Karthago Records in die Pure-Steel-Labelfamilie hat nun allerdings eine partielle "Back to the roots"-Strategie Einzug gehalten: Zwar werden auch in Zukunft aktuelle Alben unter dem Karthago-Banner erscheinen, aber der metalarchäologischen Tätigkeit soll wieder ein verstärktes Augenmerk gewidmet werden, und deren Ergebnisse werden ab sofort in einer gesonderten Reihe zusammengefaßt: "Heavy Metal Classics" betitelt, kann man über die Definition eines "Classic" natürlich streiten, wenn man auch qualitative Maßstäbe hinzuzieht und nicht nur Faktoren wie Alter, Seltenheit etc. berücksichtigt - aber Qualität ist in gewisser Hinsicht ja sowieso ein subjektives Gut, und da entwickelt jeder Hörer seine individuelle Meinung, die nicht zwingend mit der des Labelchefs oder der des Rezensenten übereinstimmen muß, wobei auch diese beiden natürlich nicht zwingend konform gehen müssen (wir sind ja nicht in einer Meinungsdiktatur gefangen :-)). Im Gegensatz zu den früheren Karthago-Re-Releases ist diese neue Serie allerdings auf eine dreistellige Zahl Exemplare pro Release limitiert, und es liegt ein Echtheitszertifikat mit handgeschriebener Nummer bei.
"Back To The Wall" von Bloody Climax, auf 700 Exemplare limitiert, bildet nun also den Auftakt der neuen Serie - und es ist ein Auftakt nach Maß, wie Heribert Faßbender weiland zu sagen pflegte. Denn man sehe: Das Album ist alt (von 1985), es ist selten (wie Riermaier in den Liner Notes schreibt - und in den gängigen metallischen Nachschlagewerken der 90er taucht die Band gar nicht erst auf), und die Qualität stimmt auch, wenn man gängigen Mittachtziger-Melodic Metal als Maßstab ansetzt. Erstaunlicherweise klingen Bloody Climax aber gar nicht so "teutonisch", wie man es vor allem der zweiten und dritten Reihe der deutschen Bands weiland nachzusagen pflegte und noch heute nachzusagen pflegt. Vor allem besaßen sie mit Matthias Müller einen Sänger, der der Sangeskunst auch tatsächlich mächtig war: Er trifft die richtigen Töne, kann klare Melodiestrukturen transparent machen, muß sich auch bei schwierigeren Passagen nicht quälen und bekommt ein brauchbares Englisch zusammen. Was er nicht bieten kann oder will, ist stimmliche Rauhbeinigkeit, womit der Hörer zurechtkommen muß, was im gängigen Härter-Schneller-Trend der Mittachtziger nicht ganz einfach war. Mehrstimmige Backingvocalarrangements wie in "Living In The Night" oder gar die seltsamen androgynen "Aah"-Einwürfe in "Turning In Circles" pflegten Härtnerkreise damals als kommerziell (oder "schwul") zu schelten, aber die Nachbetrachtung steht über diesen Einschätzungen und kann das fast 30 Jahre alte "Back To The Wall" als durchaus respektables Zeugnis des deutschen Metals der Mittachtziger betrachten. Neben dem Sänger verstehen besonders die Gitarristen Daniel Lösch und Frank Heller ihr Handwerk, und auch die Arrangementfraktion hatte einige interessante Ideen, die das Ergebnis ein Stück weit vom simplen Stampfmetal, der damals durchaus auch en vogue war, abhoben, ohne es freilich gleich in die progressive Ecke stellen zu müssen. Nimmt man beispielsweise mal das knapp dreiminütige Instrumental "Bloody Climax" her, entrollt sich vor dem Hörer ein gekonntes Uptempo-Stück ohne übertriebene Technikdarstellung, aber mit guten melodischen Einfällen - einfach guter alter Melodic Metal, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Titeltrack wiederum schleppt ein paar AC/DC-Anleihen mit sich herum, bleibt damit aber ein Einzelfall auf dem Album, während das interessant strukturierte sechsminütige "Cinderella" (mit Gastkeyboard eines gewissen H. J. Grein) am Ende der A-Seite ein achteinhalbminütiges keyboardfreies, aber ähnlich interessantes Pendant am Ende der B-Seite findet: "No Paragon" weist sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft des Metals. Die erste Hälfte des Hauptriffs haben unzählige andere Bands in ähnlicher Form verarbeitet, die Einbindung von Akustikelementen wies den Weg für mancherlei Bands, denen man später das Attribut "progressiv" verleihen sollte (oder hätte den Weg weisen können, wenn diese Bands denn jemals etwas von Bloody Climax gehört haben sollten), und wenn der Gesang in zweien der großen Akustikbreaks einsetzt, bemerkt man, daß die Schweinfurter auch ihrerseits die großen Metalklassiker studiert haben (kleiner Tip für Suchende: Das Vorbild findet man auf einem Album namens "Blizzard Of Ozz"). Damit endet ein reichlich dreiviertelstündiges Album, das für Genrefreunde definitiv schon in dieser Form einen Hörtest wert wäre. Unglücklicherweise gerieten auch Bloody Climax damals in die Mühlen der Szenepolarisierung zwischen den Kommerziellen und den Härtnern, und da das Album vom Coverartwork her mehr als unauffällig war (Bandname und Albumtitel auf schwarzem Hintergrund) und auch kein großes Label hinter ihm stand, um es und damit die Band nachhaltig zu pushen, kam es zum oben erwähnten Raritätenstatus, und die Karriere von Bloody Climax trat mehr oder weniger auf der Stelle.
Wie bei Karthago-Re-Releases üblich, wird das Album bei der Wiederveröffentlichung noch mit Bonustracks angereichert, und die erlauben auch einen Blick in die Frühzeit von Bloody Climax sowie die Zeit nach dem Albumrelease. Daß kein "All Of Bloody Climax" dabei herauskommt, liegt an der Spielzeitbegrenzung der CD - ein Doppelalbum wäre wohl auch übertrieben gewesen. So bleibt einer der beiden frühesten konservierten Songs der Band, nämlich "Thunder & Lightning", in den Archiven. Der andere, "Fight For My Life", ist aber vorhanden (eingespielt übrigens noch mit Thomas Pönisch anstelle von Daniel Lösch an der Gitarre und einem Drummer mit dem schönen Namen Ralf Lindwurm, der dann Thomas Krämer Platz machte - die einzigen beiden Besetzungswechsel in der Bandgeschichte) und zeigt, daß Bloody Climax schon in diesem frühen Stadium Potential hatten, allerdings noch reifen mußten - speziell der Gesang wirkt hier noch deutlich unsicherer als dann bei den Albumaufnahmen, zudem sind einige eher pseudolustig wirkende Momente enthalten, die später ebenfalls eliminiert wurden (das kurze Gebrüll im Albumopener "Edge Of The Daring" dürfte nicht lustig gemeint gewesen sein). Zwei Jahre nach dem Albumrelease waren Bloody Climax dann auf dem dritten Teil der Samplerreihe "Break Out" des D&S-Labels (über Michael Jesch können diverse Bands ein Lied singen ...) mit zwei Songs vertreten, dem flotten "Ride With The Wind" und dem eher stampfenden "Run For Cover". Große Popularität eingebracht hat ihnen das nicht (von den Samplerkollegen wurden auch nur Midas Touch und Lancer, die sich später auch Lanzer schrieben und nicht mit den Nazis Landser verwechselt werden dürfen, etwas bekannter), und auch ein Dreitrack-Demo, das bei Ole Seelenmeyer vom Deutschen Rock- und Popmusikerverband eingespielt wurde, führte nicht dazu, daß sich irgendein Label für die Schweinfurter interessierte, so daß diese die Band irgendwann zu den Akten legten. Vielleicht hätte man noch "Straight From The Heart" professionell mit aufnehmen sollen - diese hübsche Halbballade hätte bei entsprechender struktureller Unterstützung durchaus etwas reißen können, wobei freilich der nur bedingt massenkompatible Bandname im Weg gestanden hätte. Besagter Song ist hier in einer Vierspur-Proberaumaufnahme zwischen die drei genannten Demotracks geschaltet worden, wobei auffällt, daß sowohl die beiden Samplertracks als auch die Demotracks "Out Of Control", "Flames Of Hell" und "Taken By Force" allesamt eher im geradlinigen Melodic Metal anzusiedeln sind (vor allem der letzte ist richtig stark), während die genannte Halbballade wiederum etwas aus dem Rahmen fällt, so daß ohne Kenntnis weiterer Songs nicht entschieden werden kann, in welche Richtung sich ein eventuelles zweites Album von Bloody Climax entwickelt hätte. Zumindest einen weiteren konservierten Song soll es noch geben, nämlich eine Vierspuraufnahme von "Lady Of The Night", aber auch hierfür war auf dem knapp 78minütigen Silberling kein Platz mehr. Alle Mitglieder der Hauptbesetzung von Bloody Climax blieben der Metalszene allerdings als aktive Musiker erhalten - Sorrogate sagen dem einen oder anderen vielleicht was, und dann waren ja da auch noch Vendetta, die am 22.12.1984 zusammen mit Bloody Climax und zwei weiteren Bands im unterfränkischen Hofheim einen ihrer allerersten Gigs spielten und auf personelle Querverbindungen zu Bloody Climax verweisen konnten und können. Diese Konzertinformation ist einem Zeitungsausschnitt im reich bebilderten und mit allen Texten sowie Liner Notes vorbildlich ausgestatteten Booklet zu entnehmen. Wer sich ein wichtiges Stück deutscher Metalgeschichte sichern will, greife zu, solange noch Exemplare vorrätig sind.
Kontakt: www.karthagorecords.de

Tracklist:
Edge Of The Daring
Turn To Ice
Back To The Wall
Bloody Climax
Cinderella
Jailbreaker
Living In The Night
Turning In Circles
No Paragon
Ride With The Wind
Run For Cover
Fight For My Life
Flames Of Hell
Out Of Control
Straight From The Heart
Taken By Force



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