www.Crossover-agm.de ATTICK DEMONS: Let's Raise Hell
von rls

ATTICK DEMONS: Let's Raise Hell   (Pure Steel Records)

Nanu, schon wieder eine neue Sinbreed-Scheibe? Der speedige Einstieg in den Opener "The Circle Of Light" könnte problemlos Flo Laurins Hirn entsprungen sein, und zu allem Überfluß klingt Artur Almeida in den ersten zwei Zeilen auch noch exakt wie Herbie Langhans. Aber dann geht die Gesangslinie nach oben, und dort kommt dann doch das altbewährte stimmliche Vorbild des Sängers wieder zum akustischen Vorschein, das da auf den Namen Bruce Dickinson hört und dem Almeida in einer bestimmten Höhenlage wie ein Zwillingsbruder gleicht, während andere Lagen wie erwähnt und wie auch bereits in der Rezension zum Vorgängerwerk "Atlantis" festgestellt mit dem Briten-Piloten wenig bis nichts zu tun haben. Im instrumentalen Bereich bleiben die Eisernen Jungfrauen gleichfalls wie früher eher eine lockere Orientierungshilfe mit diversen Parallelen, aber auch diversen Abgrenzungskritierien, zu denen beispielsweise die musikalische Grundhärte zählt, die bei Attick Demons nach wie vor ein gutes Stück höher liegt als bei Maiden in den letzten mindestens 30 Jahren - eine im Genremaßstab knüppelharte Nummer wie den erwähnten Opener "The Circle Of Light" hat man von Harris & Co. schon ewig nicht mehr zu Gehör bekommen, und auch sonst entwickeln die Portugiesen etwas mehr Zug zum Tor als die Briten, was freilich nicht bedeutet, sie wüßten nicht im richtigen Moment herunterzuschalten. Neun Songs in reichlich 49 Minuten ergeben schließlich auch eine Durchschnittslänge von fünfeinhalb Minuten, also sollte davon auszugehen sein, daß sich der Epikfaktor irgendwo Bahn brechen muß. Und siehe da, an Position 4 befindet sich auch tatsächlich ein großes Epos, "Dark Angel" betitelt, das in dieser Form keinerlei Verwandte auf einem Maiden-Album befindet. Erstens kommt hier wieder eine Gastsängerin zum Einsatz - nicht die vom Vorgänger bekannte Sopranistin Beatriz Teixeira, sondern die etwas ätherischer singende Liliana Silva, die der Szenekenner möglicherweise von Inner Blast auf dem Schirm hat -, zweitens ist der Dunkle Engel musikalisch ganz klar im Orient angesiedelt, und drittens wird dieser orientalische Touch in instrumentaler Hinsicht durch einen weiteren Gastmusiker ausgestaltet: Juan Zagalaz erweist sich als Multiinstrumentalist und steuert Flöten, Mandolinen, spanische Gitarren, Perkussion, Synthies und schließlich eine arabische Laute zum Geschehen bei, das sich nach einem langen Intro mit den genannten Instrumenten zunächst in einen klassischen Midtempo-Metalsong verwandelt, bevor nach fünf Minuten eine Tempoverschärfung aus dem Ärmel geschüttelt wird und der Engel dem Songende entgegenflitzt. Nur wird man das Gefühl nicht los, daß Attick Demons hier das Potential noch nicht ausgereizt haben und in diesem Sektor ihr Meisterwerk noch vor sich haben - gerade in der Verknüpfung der "nonmetallischen" Instrumente mit den metaltypischen geht sicherlich noch mehr. Das macht den Song selbst allerdings durchaus nicht schlechter, und er fügt sich zudem harmonisch ins Gesamtbild des Albums ein, das mit dem Titeltrack den markantesten seiner neun Songs sieht, nicht zuletzt aufgrund des appellativen Elements, das hier noch durch drei Gastshouter verstärkt wird. Und die Band hat auch wieder einen Promi-Gastgitarristen am Start - war auf "Atlantis" Ross The Boss zu hören, so spielt diesmal Chris Caffery ein Solo im Titeltrack (welches eigentlich?), drückt diesem allerdings nicht ganz so stark seinen individuellen Stempel auf wie der Ex-Manowar-Saitenzupfer Jahre zuvor: Der einleitende Part adaptiert eher den maidentypischen Stil, dann folgen noch etliche schwerer zuordenbare Soli, und man darf raten, welches derselben denn von Caffery stammt (Tip des Rezensenten: dasjenige gleich nach dem Maiden-Part). Apropos Jahre: Man beginnt sich langsam daran zu gewöhnen, daß Attick Demons immer eine Ewigkeit brauchen, bis sie mit neuen Werken aus dem Knick kommen. Die selbstbetitelte Debüt-EP erschien vier Jahre nach der Bandgründung, weitere sechs Jahre brauchten sie für die Erstfassung von "Atlantis", abermals fünf für dessen Neufassung und nun wieder fünf für "Let's Raise Hell". Aber solange die Band immer wieder hohe Qualität abliefert, nimmt der Hörer die Wartezeit gern in Kauf und ärgert sich nur über das Cover, das einen billigen Abklatsch des Snaggletooth-Motivs darstellt, an dem dessen Schöpfer Joe Petagno laut Booklet auch noch selber mitgewirkt haben soll. Da ist die Musik glücklicherweise von einem ganz anderen Kaliber - man höre nur mal, wie das Sextett (mit drei Gitarristen - kurioserweise zeigt das Bandfoto allerdings nur ein Quintett) in "Ghost" nach Minute 3 aus einem typischen maidenlastigen Songaufbau plötzlich in einen eleganten Halbakustikpart zurückschaltet! Auch wenn dessen Fortführung dann nicht so herzzerreißend gelingt, wie man das vielleicht erhofft hätte, so stellt diese Passage grundsätzlich nur eins von vielen Beispielen für die spielerische Klasse der Portugiesen dar, die darum auch mit ihrem neuen Werk wieder für alle NWoBHM-Fans, die nicht zwingend auf pure Retroaktivität gepolt sind (in "Ritual" gönnen sich die Gitarristen nämlich auch mal kurz Ausflüge in Neunziger-Gitarrengequietsche) und die auch ohne eine Ballade auskommen können (im Gegensatz zum Albumvorgänger gibt's diesmal nämlich keine), ein gefundenes Fressen darstellen.
Kontakt: www.puresteel-records.com, www.attickdemons.com

Tracklist:
The Circle Of Light
Adamastor
Glory To Gawain
Dark Angel
Endless Game
Let's Raise Hell
Ghost
Nightmares
Ritual
 




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